Thema: atompolitik

Weil: Gorleben soll niemals Endlager werden

Wird Gorleben tatsächlich kein Endlager? Da wollen Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Stefan Wenzel keine Garantien abgeben. Aber sie wollen alles tun, dass es niemals dazu kommt - sagten sie in einer öffentlichen Veranstaltung am Samstag  in Gedelitz.

Zu der öffentlichen Diskussionsrunde eingeladen hatte die Bürgerinitiative Umweltschutz, die von den Landespolitikern wissen wollte, wie es nun nach dem Abschlussbericht der Endlagerkommission mit dem Endlagersuchverfahren weitergeht - und was mit Gorleben wird.

Zu früheren Zeiten wären zu einem derartigen Termin Hunderte Menschen gekommen - dieses Mal waren es rund 120, die sich an der Diskussion beteiligten wollten - darunter auch einige Mandatsträger aus Bund, Land und Kommunen. Keine Trecker, keine Hup-, Pfeif- und Trommelkonzerte. Die Zeiten sind andere geworden. Selbst in der Anti-Gorleben-Szene im Wendland löst der Besuch eines Ministerpräsidenten keine massenhaften Proteste mehr aus.

"Der Drops ist noch nicht gelutscht"

Zu Beginn seines Redebeitrags betonte Ministerpräsident Stephan Weil, dass es für ihn immer noch ein wichtiges, ein "schönes" Ziel sei, dass der Plan, ein Endlager in Gorleben einrichten zu wollen, endgültig Geschichte wird. Der Abschlussbericht der Endlagerkommission liefere endlich genügend Argumente, Gorleben zu verhindern. "Wenn die Kriterien aus diesem Bericht glaubwürdig durchgehalten werden, dann wird es in Gorleben niemals ein Endlager geben," so Weils Einschätzung der Situation. 

Garantien könne er aber nicht abgeben, dass es tatsächlich so kommt. Jetzt gelte es, im Gesetzesgebungsvorfahren wachsam zu sein. "Der Prozess ist noch nicht zu Ende, der Drops ist noch nicht gelutscht," warnte Weil vor vorzeitigem Optimismus.

Dieser war im Saal allerdings wenig vorhanden. Skepsis beherrschte die Wortbeiträge in der Diskussion. Die Kriterien seien zu schwammig formuliert, war eine Kritik. Für Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative ausgestrahlt! ist der Konflikt nur vertagt worden. Die entscheidende Frage sei nun, was die Landesregierung tun werde, um das bevorstehende Gesetz so zu gestalten, dass die Vorgaben der Endlagerkommission auch übernommen werden.

Auch Umweltminister Stefan Weil zeigte sich überzeugt, dass Gorleben tot sei, wenn die Kriterien der Endlagerkommission ernsthaft angewandt würden. Doch auch er betonte, dass es noch kein Aufatmen geben kann. "Damit Gorleben endgültig vom Tisch ist, muss noch viel politischer Druck ausgeübt werden," so Wenzel.

Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende im Europäischen Parlament, erinnerte daran, dass der AK End bereits vor 15 Jahren Kriterien für eine Endlagersuche aufgestellt habe. Die Ergebnisse seien aber in den Schubladen verschwunden. Sie drängte deshalb auf schnelles Handeln. "Es wird unter heftigstem Druck versucht werden, das Erreichte wieder zurückzudrehen," prognostizierte Harms. "Nun müsst Ihr (die Landesregierung) darauf drängen, dass noch in dieser Legislaturperiode Fakten geschaffen werden." Jetzt müsse der Endbericht schnell in Politik umgesetzt werden. "Sonst stehen wir in 15 Jahren wieder da wie mit dem AK End: die Ergebnisse sind nie umgesetzt worden," warnte die EU-Politikerin.

Ministerpräsident und Umweltminister stimmten ihr zu, dass das Papier jetzt in die Praxis umgesetzt werden muss. Weil warnte allerdings davor, zu früh "nachzulegen", weil damit Niedersachsen die jetzt schon vorhandenen "Fliehkräfte" aus dem vereinbarten Abschlussbericht befördern würde. (Bayern und Sachsen hatten schon kurz nach der Veröffentlichung einen Sonderbericht vorgelegt, in dem sie wesentliche Teile der Kommissionsergebnisse konterkarieren. Vor allem die Tatsache, dass Granit als mögliche Gesteinsform aufgenommen wurde, stieß auf ihren Widerstand).

Die Skepsis bleibt

Die Diskussion verlief für wendländische Verhältnisse außerordentlich ruhig. Die anfängliche Mahnung des Moderators (Wolf-Rüdiger Marunde), doch bitte keine Schuhe aufs Podium zu werfen, war überflüssig, denn es gab nur moderate Wortbeiträge.

Zu spüren war allerdings, dass die Skepsis "tief in den Knochen sitzt", wie es Ministerpräsident Weil formulierte. Keiner konnte so richtig glauben, dass der Abschlussbericht der Endlagerkommission sich positiv für die Aufgabe eines Endlagers in Gorleben auswirken könnte.

Dass diese Skepsis Realität hat, war bei beiden Diskutanten zu spüren. Zwar seien einige Erfolge errungen worden (z. B. die Aufnahme von Granit in die möglichen Gesteinsformen oder die Festlegung einer Grenztemperatur von 100 Grad ...), aber im Bundesrat habe die Anti-Gorleben-Fraktion nur wenige Stimmen gegenüber einer Mehrheit, die vermutlich alles tun wird, ein Endlager in Gorleben durchzusetzen - da waren sich Weil und Wenzel einig. Sie betonten aber, dass sie mit aller Kraft daran arbeiten wollen, dass Gorleben als Endlagerstandort endgültig aufgegeben wird.

Nachdem der Ministerpräsident zu einem weiteren Termin aufgebrochen war, nutzten die Anwesenden die Gelegenheit, mit Umweltminister Wenzel noch einmal viele der Themen anzusprechen, die in Sachen Atommüllentsorgung auf der Agenda stehen. Da ging es um die rostigen Fässer im ABfalllager ebenso wie um Perspektiven für die Zwischenlagerung. Denn je länger die Diskussion um ein Endlager dauert, desto drängender wird die Frage, wie die Zwischenlagerung organisiert werden soll. Es ist mit längeren Einlagerungszeiten als vorgesehen zu rechnen, die Einlagerungsgenehmigungen laufen ab - also muss rechtzeitig überlegt werden, welche Bedingungen für die Lagerung von hochradioaktivem Abfall herrschen müssen, wenn er möglicherweise 150 Jahre (nach Expertenschätzungen) zwischengelagert werden muss, bevor er in ein Endlager gebracht werden kann.

Foto / Angelika Blank: Für wendländische Verhältnisse ruhig verlief die Diskussion mit Ministerpräsident Stephan Weil (2. von li.) und Umweltminister Stefan Wenzel (2. von re.) am Samstag Vormittag in Gedelitz. Moderiert hatte die Veranstaltung Wolf-Rüdiger Marunde (li.), unterstützt von BI-Vorsitzendem Martin Donat (re.).





2016-08-27 ; von Angelika Blank (autor),
in Gedelitz, 29475 Trebel, Deutschland

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