"Wir brauchen mehr Akzeptanz" - Bauerntag in Lüchow

Das schlechte gesellschaftliche Image von Landwirten war eines der Hauptthemen des Bauerntags in Lüchow. Durch Kommunikation und Dialog wollen die Landwirte nun mehr Aufklärung über ihre Arbeit unters Volk bringen.

Drei Worte waren beim diesjährigen Bauerntag am vergangenen Donnerstag immer wieder zu hören: Wertschätzung, Dialog und Verlässlichkeit. Rund 300 Landwirte und Vertreter von Unternehmen, die mit ihnen zusammen arbeiten (Banken, Versicherungen, Saatguthändler u.a.) waren am Donnerstag in das Gildehaus Lüchow gekommen, um sich anzuhören, welche Konzepte es geben könnte, um landwirtschaftliche Produktion wieder gesellschaftsfähiger zu machen. "Landwirtschaft im Spannungsfeld der Gesellschaft" war denn auch das Motto des Tages.

Am Vormittag hatte der Kommunikationsphilosoph Christian Dürnberger die Erwartungshaltungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft aus ethischer Perspektive vorgestellt. In seinem Vortrag hatte Dürnberger dargestellt, dass auch ethische Fragen wie Tierwohl und umweltschonende Produktion der Gesellschaft immer wichtiger werden.

Derzeit würden allerdings die Medien die Sicht auf Landwirtschaft definieren. Die Landwirte sollten deshalb aktiv werden und den Dialog mit der Gesellschaft direkt führen. Eine These, die die Anwesenden noch am Nachmittag beschäftigte. Bei jedem Gespräch mit einem Landwirt war in Lüchow in den ersten Minuten spürbar, wie sehr bei ihnen Frust und Enttäuschung über die mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung herrscht - sie aber auch nicht wissen, wie dieser Zustand zu ändern ist.

"Ethik ist für uns sehr wohl ein Hauptthema"

Der stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbandes Nordost-Niedersachsen (BVNON) Adolf Tebel aus Prezier betonte im Gespräch mit wnet, dass die Ethik ein Hauptthema bei den Landwirten sei. "Wie wir mit den Tieren umgehen, ist für jeden Landwirt ein Thema," so Tebel. "Aber die Landwirte befinden sich in einem Dilemma zwischen Tierwohl und Haltungsnotwendigkeiten." Stallhaltung oder Offenhaltung sei für Landwirte auch ein betriebswirtschaftliches Thema.

Doch nach jahrzehntelangem reinen Strebens nach Profit seien die Landwirte nun bereit für Veränderungen. Ein schnell umzusetzendes Konzept hatte jedoch auch er nicht zur Hand. "Die Verbraucher entscheiden mit," machte Tebel klar. Solange Verbraucher nicht bereit seien, mehr Geld für hochwertige Lebensmittel auszugeben, sei eine Umstellung der Landwirtschaft schwierig. Eine ökologischere Produktion bedeute höhere Kosten. "Mehr Personal, mehr Stallfläche, weniger Tiere - das bedeutet auch höhere Preise," so Tebel. Dabei rechnet er mit einem Preisplus von rund 20 % - mindestens. Außerdem müsse viel Fleisch ins Ausland verkauft werden, da in Deutschland nur die "guten Teile" zu verkaufen seien.

Anmerkung: Die Fleischpreise im Vergleich: Der Schweinepreis liegt im Moment bei 1,45 - 1,81 Euro (pro Kg Schlachtgewicht), für ein Masthähnchen bekommt ein Landwirt weit unter einem 1 Euro pro Kg. Für ein Kilo Rinderfleisch konnte ein Landwirt Ende November in Schleswig-Holstein gerade einmal 4 Euro kassieren. Ein Leichtes, sich auzurechnen, wieviel Schweine, Rinder oder Hühner ein Landwirt halten muss, wenn er ohne Fördergelder wenigstens ein Einkommen  erreichen will, das fürs Leben reicht.

Wer ist dafür zuständig, ein Umdenken bei Landwirten und Verbrauchern zu erreichen? Adolf Tebel: "Da ist die ganze Gesellschaft zuständig. Landwirte ebenso wie Verbraucher und Politiker." Von der Politik wünschte sich Tebel verlässliche Rahmenbedingungen, die "sich nicht alle Jahre ändern".

Wenig Konkretes von der Politik

Von den Landespolitikern erwarten die Landwirte Unterstützung - und vor allem verlässliche Vorgaben. "Es kann nicht angehen, dass die Spielregeln und Fördervorgaben oft noch nicht einmal eine Legislaturperiode überstehen," war auf dem Bauerntag nicht nur von einem Landwirt zu hören.

Die LandespolitikerInnen, die an der Podiumsdiskussion gekommen waren, hatten jedoch zumeist keine konkreten Konzepte mitgebracht.

Für Dana Guth (Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag) ist die Debatte um Produktionsformen in der Landwirtschaft eine rein ideologische, die nichts mit Fachthemen zu tun habe. "Stattdessen rief sie die anwesenden Landwirte auf "zu sprechen". Uns ist es ein wichtiges Anliegen, Ihre Stimmen in den Landtag zu bringen," nutzte Guth die Gelegenheit für AfD-Agitation. 

Helmut Dammann-Tamke (agrarpolitischer Sprecher CDU) gestand zwar ein, dass es den Landwirten nicht egal sein dürfe, was 80 Millionen Verbraucher über sie denken. Landwirte müssten sich in die Diskussion einmischen. Aber, so Dammann-Tamke: "Es müssen Fakten in die Debatte gebracht werden." Die letzte Landesregierung, speziell Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) hätte viel Vertrauen verspielt.

Miriam Staudte (agrarpolitische Sprecherin Grüne) wies darauf hin, dass Kommunikation in beiden Richtungen laufen müsse. "Die Diskussion muss selbstbewusst, aber ohne Arroganz geführt werden. Die Verbrauchermeinung darf dabei nicht einfach als 'Ideologie' abgetan werden." Politik müsse darüber nachdenken, wie Veränderungprozesse in der Landwirtschaft honoriert werden können.

Hermann Grupe (agrarpolitischer Sprecher der FDP) übernahm auf dem Bauerntag eine Rolle, die eher der AfD zuzutrauen gewesen wäre. Mit kernigen Worten wehrte er sich gegen das "permanente Schlechtreden" der Landwirte. "Wer glaubt, uns mit kriminellen Mitteln zu kriminalisieren, der ist auf dem Holzweg," so Grupe. Wen er damit genau meinte, blieb offen. Für Grupe geht es ganz offensichtlich nicht um eine Debatte auf Augenhöhe, wie er kurz darauf deutlich machte: "Wir müssen die Kommunikations-Hoheit über die Meinungsbildung wieder zurückgewinnen," polterte er.

Konkrete Konzepte für den Erhalt des Status "Agrarland Nr. 1" hatte niemand der PodiumsteilnehmerInnen anzubieten. Ganz allgemein wollen alle LandtagspolitikerInnen eine "bäuerliche Landwirtschaft mit qualitativ hochwertigen Produkten" fördern. Doch was "qualitativ hochwertige Produkte" meint, blieb weitestgehend im Dunkeln. Dammann-Tamke will keinen Unterschied machen zwischen ökologischer und konventioneller Lanwirtschaft.

Ebenso vage blieb SPD-Politiker Hausmann, der von "Landwirtschaft unter ökologischen Bedingungen" redete. Miriam Staudte formulierte konkreter, was sie unter einer funktionierenden Landwirtschaft unter "ökologischen Bedingungen" versteht. "Wir müssen uns um den Grundwasserschutz und das Tierwohl kümmern," so Staudte. "Außerdem müssen die Landwirte ein verlässliches Einkommen erzielen können, auch wenn sie ressourcenschonend arbeiten. Und die Verbraucher müssen ebenfalls in die Pflicht genommen werden."

Streitfall Glyphosat

Beim Thema Glyphosat wurde es auf dem Podium emotional. Natürlich stellte Moderator Ralf Stephan (Chefredakteur Land + Forst) die Frage, wie die Podiumsteilnehmer sich an Umweltminister Christian Schmidts Stelle verhalten hätten.

Helmut Dammann-Tanke (CDU) kam bei der Frage etwas ins Schlingern - schließlich ist seine Partei gerade in eine GroKo mit der SPD eingetreten. Schnell kam er deshalb direkt auf das umstrittene Thema Glyphosat zu sprechen. Für ihn ist die ganze Glyphosat-Debatte Ergebnis einer "monatelangen Kampagne, Glyphosat zu diskreditieren". "Alkohol und Nikotin sind nachweislich krebserregend und werden nicht verboten," so Dammann-Tanke. "Glyphosat steht dagegen nur im Verdacht, krebserregend zu sein." Zum Schluss gestand er dann ein, dass er sich als Bundesumweltminister genauso wie Minister Schmidt verhalten hätte.

"Ich kriege Ohrenkrebs, wenn ich Euch von Glyphosat reden höre," warf FDP-Mann Grupe Miriam Staudte und anderen Glyphosatgegnern vor. Auch für ihn ist die Glyphosat-Debatte eine mediale Kampagne "ohne Fachverstand und wissenschaftliche Bestätigung." Es werde nach populistischem Mainstream entschieden.

Staudtes Einwendungen, dass selbst die WHO vor Glyphosat warnt und die Folgen für Böden und Grundwasser unabsehbar sind, verhallten denn auch ungehört bzw. es wurde vehement widersprochen. Und auch ihr Hinweis, dass alle Gutachten, die Glyphosat positiv bewerten, von Agrarkonzernnahen Instituten erstellt worden sind, wurde nur schweigend zur Kenntnis genommen.

"Sind von Banken und Funktionären da rein gedrängt worden"

Die zahlreichen Landwirte im Publikum hörten sich die Diskussion weitgehend kommentarlos an. "Wir haben es zu oft erlebt, dass wir am Ende des Tages diejenigen sind, die mit den Fehlern der Politik leben müssen," so ein Landwirt am Rande der Veranstaltung.

Und wenn Politik von kleinbäuerlicher Landwirtschaft rede, die es zu fördern gelte, dann sei das reiner Hohn. "Wenn ich zur Bank gehe und Geld für einen größeren Stall haben will, dann bekomme ich den Kredit nur, wenn ich eine Mindestzahl Tiere da rein stelle. Unter 200 Tieren geht da gar nichts," so ein Landwirt. Und auch die Funktionäre der Bauernverbände hätten sie immer wieder nach dem Konzept "Größer, Mehr und schneller" zu teuren Investitionen gedrängt.

Auch Helmut Dammann-Tamke hatte in der Podiumsdiskussion deutlich gemacht, dass er den Status "Agrarland Nr. 1" auch international erreichen wolle.

Was das für die Lüchow-Dannenberger Bauern mit ihren 100 - 300 Tieren bedeutet, ließ allerdings nicht nur er im Dunkeln. Mehr Tiere, kleinere Ställe, effektivere Betriebsformen? Wie gesagt, konkrete Konzepte für eine auskömmliche Landwirtschaft, die nach ethischen Prinzipien wie Tierwohl und Umweltschutz arbeitet, waren auf dem Bauerntag nicht zu hören.

Foto | Angelika Blank: LandtagspolitikerInnen auf dem Podium beim Bauerntag (von links): Dana Guth (AfD), Hausmann (SPD), Helmut Dammann-Tamke (CDU), Miriam Staudte (Grüne), Grupe (FDP)





2017-12-03 ; von Angelika Blank (text),
in Tannenbergstraße 1, 29439 Lüchow, Deutschland

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