"Die Renaissance der Atomkraft ist eine Chimäre", so Mycle Schneider bei der Vorstellung des diesjährigen Berichts über die Situation der internationalen Atomindustrie. Erneuerbare Energien haben nicht nur in China die Atomenergie längst überflügelt.
90prozentige Börsenverluste, langanhaltende Verzögerungen beim Bau neuer Reaktoren und vor allem die exponentiell zunehmende Konkurrenz Erneuerbarer Energien machen der Atomindustrie schwer zu schaffen. So das Kurz-Resümee des "World Nuclear Industrie Status Report 2017", den der Energie-und Atomberater Mycle Schneider am Samstag Abend in Trebel vorstellte.
Schneider war auf Einladung von Rebecca Harms nach Trebel gekommen. Die Grüne Fraktion im Europäischen Parlament finanziert den Report schon seit zehn Jahren gemeinsam mit anderen Institutionen.
ERNEUERBARE ENERGIEN AUF DEM VORMARSCH
FINANZEN
Das britische Reaktorprojekt Hinkley
Point C sei ein Beispiel dafür,
wie entgegen des
weltweiten Trends und entgegen jeglicher wirtschaftlicher Überlegungen
ein überhöhter Strompreis über Jahrzehnte in Kauf
genommen wird, weil sich die konservative Regierung politisch festgelegt
hat, stellte die Moderatorin des Abends, die Grüne Europaabgeordnete
Rebecca Harms, fest. "Österreich und Luxemburg klagen am Europäischen
Gerichtshof gegen das britische Vergütungskonzept, mit zweifelhafter
Aussicht auf Erfolg. Denn die Atomenergie genießt durch den
Euratomvertrag eine
Sonderstellung, die Subventionen ermöglicht, die für andere Technologien
ausgeschlossen ist. Wir fordern deshalb eine Überarbeitung des Vertrags.
Die Sonderstellung der Atomenergie
muss beendet werden."
Trotz der sich im freien Fall befindlichen Investitionen in den Neubau
von Atomkraftwerken (AKWs) laufen aber weltweit offiziell immer noch
über 400 AKWs. "Doch viele von ihnen sind seit längerer Zeit nicht mehr
gelaufen," so Schneider in seinem Vortrag. In Statistiken würde die
Atomindustrie aber alle als "laufend" geltende AKWs nennen, um ihr Image
aufzupolieren.
Schon Jahre vor dem Fukushima-GAU sind international die Börsennotierungen für die Atomindustrie massiv gesunken. Hier das Beispiel der E.ON:
Wie aus der Grafik deutlich wird, ist der Börsenpreis für die E.ON Deutschland vom Spitzenpreis von 45,60 Euro/Aktie im Jahre 2008 auf 8,31 Euro im Juli 2017 gefallen.
GEFAHR DURCH ÜBERALTERTE KRAFTWERKE
Die finanzielle Misere der AKW-Betreiber ist aber für Mycle Schneider nicht
unbedingt ein Grund zur Freude. "Derzeit beträgt das Durchschnittsalter
der als in Betrieb gemeldeten AKWs 29,3 Jahre," so Schneider. Diese
Tatsache bereitet Schneider Unbehagen. "Ich befürchte, dass die
Sicherheit leidet, je älter die laufenden
Atomkraftwerke sind," so Schneider in Trebel. So hatte zum Beispiel der
ehemalige USA-Präsident Barack Obama eine Laufzeitverlängerung bis zu 60
Jahren zugelassen. Rebecca Harms
betonte, dass es ihr auch wegen dieses Sicherheitsrisikos darum gehe,
ähnlich dem WNISR einen Statusbericht für Atommüll zu initiieren. "Wenn
Länder, die heute noch überlegen, in die Risikotechnologie einzusteigen,
nicht nur sehen, was es kostet, die Resaktoren zu bauen, sondern auch
Klarheit darüber bekommen, was am Ende die Entsorgung kostet, dann würde
sich das ein Land wie Polen vielleicht nochmal überlegen."
Der gesamte Statusbericht ist unter www.worldnuclearreport.org (auf englisch) nachzulesen.
Foto / Gerhard Ziegler: