Thema: wirtschaft

Erneuerbare Energien zwingen die Atomindustrie in die Knie

"Die Renaissance der Atomkraft ist eine Chimäre", so Mycle Schneider bei der Vorstellung des diesjährigen Berichts über die Situation der internationalen Atomindustrie. Erneuerbare Energien haben nicht nur in China die Atomenergie längst überflügelt.

90prozentige Börsenverluste, langanhaltende Verzögerungen beim Bau neuer Reaktoren und vor allem die exponentiell zunehmende Konkurrenz Erneuerbarer Energien machen der Atomindustrie schwer zu schaffen. So das Kurz-Resümee des "World Nuclear Industrie Status Report 2017", den der Energie-und Atomberater Mycle Schneider am Samstag Abend in Trebel vorstellte.

Schneider war auf Einladung von Rebecca Harms nach Trebel gekommen. Die Grüne Fraktion im Europäischen Parlament finanziert den Report schon seit zehn Jahren gemeinsam mit anderen Institutionen.


Demnach kam es ab 1992 zu einem rapiden Abfall im Neubau von AKW - seitdem haben die Bauaktivitäten nie wieder auch nicht annähernd das Level der 1980er Jahre erreicht. Lediglich in China wird die Atomkraft noch massiv ausgebaut. 1976 waren es noch 44 Atomkraftwerke, deren Bau begonnen wurde, im Jahre 2017 war es gerade noch ein einziges in Indien.  Insgesamt befinden sich derzeit 52 Reaktoren im Bau - 20 davon alleine in China.

ERNEUERBARE ENERGIEN AUF DEM VORMARSCH

Schneider hatte in seinem Vortrag zahlreiche Grafiken parat, die zeigten, wie sehr die Produktionsschere zwischen Erneuerbaren Energien und Atomkraft inzwischen auseinanderklafft. Weltweit hat demnach die Produktion von Windenergie bereits 2010 die Menge des produzierten Atomstroms erreicht. Seitdem hat sich die Menge von Strom aus Wind mehr als vervierfacht - im Gegensatz zur Atomkraft, die sich seit 2010 auf dem Sinkflug befindet. Auch die Kapazitätszuwäche von Solarstrom liegen weltweit deutlich über denen von Atomstrom.  

FINANZEN


Das britische Reaktorprojekt Hinkley Point C  sei ein Beispiel dafür, wie entgegen des weltweiten Trends und entgegen jeglicher wirtschaftlicher Überlegungen ein überhöhter Strompreis über Jahrzehnte in Kauf genommen wird, weil sich die konservative Regierung politisch festgelegt hat, stellte die Moderatorin des Abends, die Grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms, fest. "Österreich und Luxemburg klagen am Europäischen Gerichtshof gegen das britische Vergütungskonzept, mit zweifelhafter Aussicht auf Erfolg. Denn die Atomenergie genießt durch den Euratomvertrag eine Sonderstellung, die Subventionen ermöglicht, die für andere Technologien ausgeschlossen ist. Wir fordern deshalb eine Überarbeitung des Vertrags. Die Sonderstellung der Atomenergie muss beendet werden."  

Trotz der sich im freien Fall befindlichen Investitionen in den Neubau von Atomkraftwerken (AKWs) laufen aber weltweit offiziell immer noch über 400 AKWs. "Doch viele von ihnen sind seit längerer Zeit nicht mehr gelaufen," so Schneider in seinem Vortrag. In Statistiken würde die Atomindustrie aber alle als "laufend" geltende AKWs nennen, um ihr Image aufzupolieren. 

Schon Jahre vor dem Fukushima-GAU sind international die Börsennotierungen für die Atomindustrie massiv gesunken. Hier das Beispiel der E.ON: 


Wie aus der Grafik deutlich wird, ist der Börsenpreis für die E.ON Deutschland vom Spitzenpreis von 45,60 Euro/Aktie im Jahre 2008 auf 8,31 Euro im Juli 2017 gefallen.

GEFAHR DURCH ÜBERALTERTE KRAFTWERKE

Die finanzielle Misere der AKW-Betreiber ist aber für Mycle Schneider nicht unbedingt ein Grund zur Freude. "Derzeit beträgt das Durchschnittsalter der als in Betrieb gemeldeten AKWs 29,3 Jahre," so Schneider. Diese Tatsache bereitet Schneider Unbehagen. "Ich befürchte, dass die Sicherheit leidet, je älter die laufenden Atomkraftwerke sind," so Schneider in Trebel. So hatte zum Beispiel der ehemalige USA-Präsident Barack Obama eine Laufzeitverlängerung bis zu 60 Jahren zugelassen. Rebecca Harms betonte, dass es ihr auch wegen dieses Sicherheitsrisikos darum gehe, ähnlich dem WNISR einen Statusbericht für Atommüll zu initiieren. "Wenn Länder, die heute noch überlegen, in die Risikotechnologie einzusteigen, nicht nur sehen, was es kostet, die Resaktoren zu bauen, sondern auch Klarheit darüber bekommen, was am Ende die Entsorgung kostet, dann würde sich das ein Land wie Polen vielleicht nochmal überlegen."

Für Schneider und die Mitautoren des Statusberichts ist klar, dass über die Zukunft der Atomindustrie nicht mehr debattiert werden muss. Sie sei am Ende - wie schon der ehemalige Boss des öffentlichen amerikanischen Stromunternehmens TVA, David Freeman, festgestellt hatte.   "Es geht jetzt darum, die Sicherheit der noch laufenden Atomkraftwerke genau im Auge zu behalten," resümierte Schneider am Ende der Veranstaltung.    

Der gesamte Statusbericht ist unter www.worldnuclearreport.org (auf englisch) nachzulesen. 

Foto / Gerhard Ziegler:



2017-09-17 ; von Angelika Blank (text),
in Hauptstraße, 29494 Trebel, Deutschland

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