Thema: flüchtlinge

Abschiebehaft für zwei Geflüchtete - Kritik an der Ausländerbehörde

Am Montag wurden zwei Asylbewerber aus Liberia bei ihrem Besuch im Kreishaus verhaftet. Das Vorgehen löst bei Flüchtlingsinitiativen heftige Kritik aus. Hier ein offener Brief der KURVE Wustrow.

Hintergrund: der liberianische Moussa D. und ein weiterer Asylbewerber besuchten am Montag das Kreishaus, um dort behördliche Angelegenheiten zu regeln. Sie wurden dort von mehreren Polizeibeamten erwartet, die beide in Abschiebehaft nahmen. 

Wie zu hören war, sollen beide nach dem Dublin-Abkommen nach Italien abgeschoben werden. Warum die beiden Männer, die wegen regulärer Behördengänge ins Kreishaus gekommen waren, dort bereits von Polizisten erwartet wurden, ist bis jetzt unklar.

Als diese Verhaftung bekannt wurde, versammelten sich mehrere Dutzend Flüchtlingsunterstützer am Kreishaus und protestierten lautstark gegen dieses Vorgehen.


Jetzt schrieb die Kurve Wustrow, als Bildungs- und Begegnungsstätte lange aktiv in der Friedensarbeit, einen offenen Brief an Landrat Jürgen Schulz, den wir hier abdrucken:

"Offener Brief zum Umgang mit Geflüchteten
Sehr geehrter Herr Landrat Schulz,

die Verhaftung unseres Hospitanten Moussa D. aus Liberia am Montag, den 30.09.2019 in den Räumen des Kreishauses hat uns schwer irritiert. Laut Haftbefehl hatte Ihre Ausländerbehörde die Abschiebung von Herrn Moussa D. schon seit langem für den 10. Oktober geplant – ein Abschiebeflug war/ ist für diesen Termin gebucht.

Wie kann es sein, dass dieselbe Behörde eine Hospitation bei uns in der KURVE Wustrow bis zum 18. Oktober bewilligt hat? Wir hatten uns zunächst sehr über die Flexibilität Ihrer Behörde gefreut, wenigstens eine Hospitation zu erlauben – Arbeit oder sogar Praktikum ist Menschen mit seinem Aufenthaltsstatus ja leider gänzlich verwehrt.

Jetzt fühlen wir uns getäuscht – ja sogar instrumentalisiert, um Herrn Moussa D. in Sicherheit zu wiegen. Wir sind fassungslos darüber, dass Sie die Abschiebung nach Italien aufgrund der Drittstaatenregelung des Dublin III‐Abkommens ausführen wollten. Dublin III war niemals kluge Politik, wurde faktisch ausgesetzt und darf nicht wieder belebt werden.

Wie kann es sein, dass Sie und Ihre Behörde sich zu Gehilfen des Dublin III‐Systems machen? Warum nutzen Sie nicht Ihren Ermessensspielraum weise und human? Im konkreten Fall des Moussa D. ist es für uns unverständlich, dass ihm vor dem Hintergrund der politischen Lage in Liberia sowie seinem persönlichen Schicksal seit Jahren ein angemessener Schutzstatus verwehrt wird.

Ist diese Bedrohungslage von Ihnen und Ihrer Behörde wahrgenommen worden? Welche Schlüsse haben und werden Sie daraus für Ihr Handeln ziehen? Die Umstände der Verhaftung des anderen Geflüchteten, der am selben Tag unabhängig von Moussa D. ins Kreishaus kam, werfen große Fragen auf. Der Geflüchtete begegnete der Polizei zufällig und laut dessen Begleiter fiel der Satz: „Da ist noch einer.“ Der Geflüchtete wurde sofort verhaftet, ohne dass seine Personalien festgestellt wurden und ohne dass ein Haftbefehl vorgelegt wurde. Wir bewerten dies als Rassismus.

Wie wollen Sie Menschen mit nicht‐weißer Hautfarbe im Kreishaus und in unserem Landkreis vor willkürlicher Verhaftung schützen? Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit sich Menschen aller Hautfarbe in unserem Landkreis sicher fühlen und ohne Angst die öffentlichen Behörden besuchen können?

Es geht uns konkret um das Schicksal von Herrn Moussa D. und das des in Abschiebehaft befindlichen anderen Geflüchteten, aber es geht uns auch um die Frage, inwiefern Sie als Landrat und Ihre Ausländerbehörde sich der Humanität verpflichtet fühlen.

Wir bitten um eine Stellungnahme zu unseren Fragen und um ein deutliches Signal, dass Humanität Ihr Ermessen und das Ihrer Behörde leitet.

Mit freundlichen Grüßen

Doris Hertle, Erika Jennerjahn‐Meyer und Dieter Schaarschmidt
Vorstand der KURVE Wustrow e.V."




2019-10-04 ; von asb/pm (text),
in 29439 Lüchow, Deutschland

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