Thema: endlagersuche

Bund schließt Erkundungsbergwerk Gorleben

Seit Mittwoch Nachmittag ist es offiziell: die Bundesregierung schließt das Erkundungsbergwerk Gorleben und lässt auch das Planfeststellungsverfahren nicht weiter durchführen. Kritiker monieren jedoch, dass damit ein womögliches Endlager in Gorleben längst nicht vom Tisch ist.

Für die Wendländer war es keine große Überraschung, was Jochen Flasbarth (Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMUB)) am Mittwoch Nachmittag im Gildehaus verkündete. Bereits vor vier Wochen hatte ein Kollege von ihm dem Gartower Samtgemeinderat zu dessen mehrheitlicher Unzufriedenheit erläutert, welche Pläne das BMUB mit dem Salzstock Gorleben hat: der Erkundungsbereich I wird geräumt und alle Anlagen, Maschinen und Versorgungseinrichtungen aus diesem Bereich entfernt. Lediglich die Schächte sowie die aus bergbaulichen Gründen notwendigen Teile des Infrastrukturbereiches für Wetter und Fluchtwege werden weiterbetrieben. Hierzu gehört auch eine begehbare Verbindung zwischen den Schächten.

Detailfragen zum Offenhaltung konnte der Vertreter des BMUB in Gartow allerdings nicht benennen, da das Bundesministerium sich mit dem Niedersächsischen Umweltministerium über konkrete Details der Ausgestaltung des sogenannten "Offenhaltungsbetriebes" noch nicht geeinigt hatte. Die letzten offenen Fragen hierzu waren erst am Morgen während und nach einer Besichtung des Bergwerks zwischen Wolfram König (Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz), Stefan Wenzel und Jochen Flasbarth endgültig geklärt worden.

Eine Überraschung gab es am Mittwoch aber doch: die von Gorleben-Kritikern immer wieder angemahnte Rücknahme des Antrags auf Planfeststellung für den Salzstock Gorleben wurde vom BMUB für erledigt erklärt. Ein Punktsieg für Stefan Wenzel, dem es wichtig war, dass der Offenhaltungsbetrieb auf das absolut Notwendige reduziert wird. Mit der Erledigung des Planfeststellungsverfahrens sowie des Abbaus der Sicherungsanlagen rings um das Erkundungsbergwerk konnte er sich beim Bundesministerium durchsetzen.

Die Stacheldrahtzäune und sonstigen Sicherheitseinrichtungen um das Erkundungsbergwerk werden also innerhalb der nächsten zwei Jahre verschwinden und durch Anlagen ersetzt wie sie dem Stand einer "normalen industriellen Anlage" entsprechen. Besuchergruppen im Schacht wird es ebenfalls demnächst nicht mehr geben: der Besucherverkehr im Erkundungsbergwerk wird eingestellt.

Alle drei Behörden bzw. Ministeriumsvertreter zeigten sich sichtlich erleichtert, dass dieser Kompromiss gelungen war. "Dies ist ein wichtiger Tag für die Glaubwürdigkeit in Sachen Endlagersuche," so Staatssekretär Flasbarth in Lüchow. "Die Debatte um den Standort Gorleben ist damit beendet." Der Geist der Vereinbarung, die am Morgen unterschrieben war, sei in dem Geist entstanden, dass alles was verzichtbar sei, auch in Zukunft nicht mehr stattfinden solle.

Stefan Wenzel betonte ebenfalls, dass diese Vereinbarung vor allem unter dem Vertrauensaspekt wichtig sei. "Sie soll zeigen, dass es uns ernst ist mit einem Neubeginn der Endlagersuche," so Wenzel. "Damit kommen wir dem, was mit dem Standort-Suchgesetz gemeint ist, sehr nahe."

Das Bundesamt für Strahlenschutz wird nun die konkreten Details des Offenhaltungsbetriebs weiter ausarbeiten und bis zum 30. September 2014 einen Hauptbetriebsplan ausarbeiten. Vor dem reinen Offenhaltungsbetrieb sind Übergangarbeiten durchzuführen, die sich über zwei Jahre erstrecken werden. In dieser Zeit, so BfS-Präsident König, werden keine Mitarbeiter entlassen. "Es könnte im Gegenteil sogar sein, dass wir zeitweise noch mehr Personal brauchen, um die Rückbauarbeiten abzuschließen," so König. Danach allerdings wird das Personal der DBE deutlich zurückgefahren. Auf Zahlen mochte sich König allerdings am Mittwoch nicht festlegen lassen. 

Der Betriebsrat des Erkundungsbergwerks ist naturgemäß nicht glücklich über die Entscheidung des Ministeriums. Am Vortag waren bereits aus dem Kreis der Mitarbeiter Klagen zu hören, dass Gorleben "nun endgültig begraben werde." Staatssekretär Flasbarth zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass mit der Überführung in den künftigen Offenhaltungsbetrieb auch für die Beschäftigten des Bergwerks eine sozialverträgliche Lösung gefunden wird.    

Gorleben-Kritiker schwanken zwischen Zustimmung und Skepsis

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative .ausgestrahlt! bleibt skeptisch: "Gorleben behält seinen Vorsprung gegenüber alternativen Standorten. Weil die wesentlichen Bestandteile des Bergwerks erhalten bleiben, werden bei zukünftigen Vergleichen mit anderen Salzstöcken immer auch die in Gorleben bereits geschaffenen Fakten eine Rolle spielen und nicht alleine die Frage, welches ein geeigneter Ort für die möglichst sichere Lagerung von Atommüll ist," so Stay. "Nur die unbedeutenden Teile des Bergwerks sollen zukünftig nicht mehr instandgehalten werden. Verfüllt wird nichts. Schächte und Infrastrukturbereiche bleiben erhalten. "

Die BI Lüchow-Dannenberg reicht die Reduzierung des Offenhaltungsbetriebs nicht aus. Sie fordert weiter die Verfüllung der Schächte. "Wir hatten vorgeschlagen, die Strecken und Gruben unter Tage sukzessive mit dem über Tage aufgehaldeten Salz zu verfüllen und durch die Evaluation des Standortauswahlgesetzes (StandAG) die rechtlichen Voraussetzungen für den Rückbau bis zur grünen Wiese zu schaffen," so Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI. "Wenn Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth sagt, dass Gorleben nicht unbrauchbar gemacht werden solle, so dokumentiert er damit, das Gorleben also möglicherweise über 15 bis 20 Jahre lang als potentielles Endlager offen gehalten wird. Deshalb kommt bei uns keine rechte Freude auf. Ein bisschen weniger Gorleben reicht uns nicht", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

Die Beendigung des Planfeststellungsverfahren verbucht die BI als ihren Erfolg. Sie mahnt aber an, dass auch die Veränderungssperre in Gorleben nicht über das Jahr 2015 hinaus verlängert werden dürfe. 

Für Miriam Staudte, grüne Landtagsabgeordnete ist bemerkenswert, dass der Planfeststellungsantrag von 1977 endlich vom Tisch ist. "Der 37 Jahre alte Planfeststellungsantrag Gorleben wurde heute von Bund und Land für nichtig erklärt. Das ist ein echter Erfolg. Nun muss noch die Benachteiligung durch die nur für den Standort Gorleben geltende Veränderungssperre beendet werden," so Staudte.

Rebecca Harms,
Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, die seit Jahrzehnten gegen Gorleben als atomares Endlager kämpft, hält die Vereinbarung für richtig. "Das ist ein wichtiger Schritt, der zeigt, dass man die Kritik aus der Region ernst nimmt," so Harms. "Aber sie nimmt den Standort nicht aus dem Rennen. Die Möglichkeit, dass Gorleben wirklich herausfällt, wird erst dann überzeugend, wenn ernsthaft ein neues Standortsuchverfahren eingeleitet wird. Jetzt kommt es auf die Arbeit der Atommüll-Kommission an und später auf die Entscheidung des Gesetzgebers."

UPDATE: Nach Redaktionsschluss meldete sich auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zu Wort. Sie erklärte anlässlich der Verständigung: „Mit der Einigung geben wir ein klares Signal für den
Neubeginn bei der Suche nach einem Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle. Ich hoffe, dass dieser Schritt vor allem bei den Menschen in der Region Vertrauen schafft. Wir wollen die Suche transparent und ergebnisoffen gestalten, d.h. es gibt keine Vorfestlegungen. Kein Standort ist gesetzt, aber auch keiner von vornherein ausgenommen. Die Auswahl soll einzig und allein nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen, die noch festgelegt werden müssen.“  

Foto / Angelika Blank: Erleichtert über die am Morgen getroffene Vereinbarung in Sachen Gorleben (von links): Wolfram König (Präsident Bundesamt für Strahlenschutz), Stefan Wenzel (Niedersächsischer Umweltminister), Jochen Flasbarth (Staatssekretär im Bundesumweltministerium).





2014-07-29 ; von Angelika Blank (autor),
in Gedelitzer Straße, 29475 Gorleben, Deutschland

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