Thema: castor2011

Castortransport: Reaktionen auf die Entscheidung des Umweltministeriums

Mit scharfer Kritik reagieren Gorlebengegner und Oppositionsparteien im Landtag auf die Ankündigung des Umweltministeriums, den für November geplanten Castortransport genehmigen zu wollen. Hier eine Zusammenstellung ...

 

DIE LINKE: Castorgenehmigung willkürlich, fahrlässig und rechtswidrig

Die Linksfraktion im Niedersächsischen Landtag kritisierte massiv die im Umweltausschuss verkündete Entscheidung des Niedersächsischen Umweltministeriums (NMU), die Einlagerung von weiteren Castoren im Zwischenlager Gorleben zu genehmigen. „Damit rollt die Landesregierung einen roten Teppich aus für den Castortransport Ende November“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Kurt Herzog.

Anstatt insbesondere die verschiedenen Berechnungen und Messungen in die Entscheidung mit einzubeziehen, die von einer Überschreitung des Eingreifswertes von 0,27 mSv/Jahr ausgehen, habe das NMU alles dafür getan, den Castortransport zu ermöglichen. „Die Atomaufsicht ignoriert falsche Annahmen im Messverfahren und interpretiert vorliegende Werte willkürlich so, dass man noch gerade an dem Wert vorbeischrammt, ab dem keine weitere Verbringung von Castorbehältern mehr möglich wäre“, so Herzog.

Eine Aufsichtsbehörde habe aber nicht Werte im Sinne der Atomindustrie schön zurechen, bis es passe, sondern müsse im Sinne der Bevölkerung aus Sicherheitsgründen besonders vorsichtig zu Werke gehen. „Das bedeutet, dass Unwägbarkeiten, Messfehlerspannen und so simple Dinge wie ein strahlender Schotterweg neben dem Lager in die Betrachtungen eingehen müssen“, forderte Herzog. Man halte an dem Trick fest, die Gamma-Strahlung auf Null festzulegen, obwohl die eigene autorisierte Messbehörde, das NLWKN, durchaus einen Beitrag an Gamma-Strahlung festgestellt habe.

Darüber hinaus verfälschten unzulässige Mittelwertbildungen das Ergebnis zu Gunsten des Betreibers GNS. „All dies ist nicht nur fahrlässig, sondern aus meiner Sicht rechtswidrig, weil nicht nur das Minimierungsgebot für ionisierende Strahlung mißachtet wird, sondern trotz Grenzwertüberschreitungen das Zwischenlager Gorleben weiter betrieben und gefüllt wird“, so Herzog.

Jochen Stay, Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt!:

"Hans-Heinrich Sander trickst und täuscht die Öffentlichkeit, wie wir es in den letzten Jahrzehnten Gorleben-Geschichte immer wieder bitter erleben mussten: Was nicht passt, wird passend gemacht.

Die zuständige Landesbehörde stellte fest, dass die Grenzwerte überschritten werden und jetzt wird die Strahlung einfach weggerechnet. Es drängt sich der Vergleich mit einer analogen Badezimmerwaage auf, bei der mit einem kleinen Rädchen der Nullwert verändert werden kann. So zieht Sander jetzt von den Messergebnissen in Gorleben überhöhte Werte für die natürliche Hintergrundstrahlung ab, so dass am Ende für Gammastrahlung nichts mehr übrig bleibt – ganz so, als wäre der Inhalt der Castor-Behälter gar nicht radioaktiv, sondern würde die natürliche Strahlung absorbieren.

Die Glaubwürdigkeit von Behörden und Politik ist mit dieser Entscheidung auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Entsprechend groß ist unsere Empörung. Und wir befürchten, dass der weitere Ausbau des undichten Salzstocks in Gorleben zu einem Atommüll-Endlager mit ähnlichen Tricksereien durchgesetzt werden soll.

Wir werden deshalb die nächsten Wochen nutzen, um mit aller uns zur Verfügung stehenden Kraft zur Großdemonstration am 26.11. nach Dannenberg und zu den Aktionen rund um den Castor-Transport zu mobilisieren. Nach Fukushima haben wir gesehen, was politisch möglich ist, wenn viele auf die Straße gehen. In Biblis, Krümmel und anderen Standorten gingen lang umstrittene AKW vom Netz. Jetzt wollen wir Gorleben kippen.“

Luise Neumann-Cosel, X-tausendmal-quer:

„Die Landesregierung misst so lange, bis die Strahlenwerte niedrig genug sind und die Castoren rollen dürfen. Doch die Messwert-Mauschelei wird für Widerstand gegen den Castor-Transport sorgen. Wenn die Behörden bei den Grenzwerten nur tricksen, vertuschen und schönrechnen, dann muss sich die Regierung nicht wundern, wenn viele Menschen aus Empörung auf die Straße gehen. Das Vertrauen ist verspielt.

Die Informationspolitik in Niedersachsen ist um nichts besser als in Fukushima oder Tschernobyl: Wir sollen für dumm verkauft werden. Das lassen wir uns nicht gefallen. Aus dem Slogan der Anti-Atom-Bewegung der 80er Jahre 'Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht' wird nun 'Wenn Strahlung weggerechnet wird, wird Widerstand zur Pflicht'.

X-tausendmal quer bereitet momentan mit Hochdruck eine große gewaltfreie Sitzblockade in Gorleben vor. Wenn der Castor-Transport trotz überhöhter Strahlenbelastung im Zwischenlager tatsächlich rollen sollte, sorgt das nicht nur für zusätzliche Brisanz im Streit um Gorleben, sondern auch für großen Zulauf zum Widerstand im Wendland.

Wenn die Regierung keine Massenproteste riskieren will, muss sie den Atommüll-Transport absagen.“

Bäuerliche Notgemeinschaft: mit Notlügen aus der Affäre gezogen

Bezeichnenderweise wurden die Abgeordneten im Atomausschuss des Kreistages Lüchow-Dannenberg nicht über die lt. Staatssekretär Birkner (Nds. Umweltministerium) angeblich "klare Strahlensituation" informiert. Ihre Sitzung fand letzte Woche statt. Als Experten eingeladen waren die Betreiberin des Zwischenlagers, die GNS (Gesellschaft für Nuklearservice), die Messbehörde NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz), die Genehmigungsbehörde BfS (Bundesamt für Strahlenschutz) und die Aufsichtsbehörde – und auch das Niedersächsische Ministerium für Umwelt. Alle sagten ab, aus unterschiedlichen Gründen.

Das waren Notlügen, glaubt die Bäuerliche Notgemeinschaft, die darauf hindeuten, dass die Darstellung des Umweltministeriums einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten könne. Die Bauern gehen davon aus, dass Minister Sander unter höchstem Zeitdruck steht, weil die Castoren noch in diesem Monat nach Gorleben rollen sollen. Bis dahin sei eine Klärung der realen Strahlensituation unmöglich.

"Wie auch immer das hastig zusammengestoppelte Bild des Umweltministerium von der "Strahlensituation am Zwischenlager" aussieht: Wir können es in eine Reihe mit all den Kunstwerken der letzten dreissig Jahre hängen, die die Propagandisten der Atomkraft mit goldenen Pinseln für uns gemalt haben," findet die Bäuerliche Notgemeinschaft. "Sie alle waren das Papier nicht wert."

UPDATE 1.11.2011:BI Umweltschutz erweitert die Strafanzeige gegen niedersächsischen Umsweltminister

Gerade noch hatte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) an den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) appelliert, den kommenden Castor-Transport nach Gorleben wegen der erhöhten Strahlenwerte abzusagen, da folgte postwendend dessen Ansage, der Transport könne stattfinden. Die Gorleben-Gegner haben mit Empörung auf die Genehmigung des nächsten Castor-Transports nach Gorleben reagiert. Sie erweitern die Strafanzeige, die sie gegen den Betreiber, die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) gestellt haben, jetzt gegen Sander.

Die BI kritisiert die Berechnungsmethoden des Ministeriums. Der Grenzwert für Radioaktivität in Gorleben könnte „nur mit Schmu und Betrug niedrig gehalten werden“, sagte die BI-Vorsitzende Kerstin Rudek. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte nach Messungen in Gorleben prognostiziert, dass der zulässige Strahlenwert von 0,3 Millisievert mit der Einlagerung weiterer 11 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen überschritten würde. "Eigentlich ein klarer Fall, doch durch das Abziehen von Werten einer Hintergrundstrahlung, die erst nach der Einlagerung von bis zu 40 Castoren ermittelt wurden, rechnet Sander den Wert runter, bis es passt", kritisiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

Die Gorleben-Gegner, die wegen unerlaubter Freisetzung ionisierender Strahlen Strafanzeige gegen die GNS gestellt hatten, kündigten an, die Strafanzeige werde nun auf den Umweltminister wegen Beihilfe zu einer Straftat ausgedehnt (Az 5101 Js 25256/11 / Staatsanwaltschaft Lüneburg).

Die BI sieht als Hintergrund für die Rechentricks das Bemühen, den vorerst letzten Castorkonvoi aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage Cap de La Hague durchzuwinken, obwohl das Castor-Konzept kläglich gescheitert ist. Mit in der Verantwortung stehe auch das Bundesamt für Strahlenschutz, das ursprünglich die Einlagerung von 420 Behältern genehmigt hat. "Nun zeigt sich, dass schon 102 Behälter reichen, um die Rechenkunststücke des BfS als Genehmigungsbehörde ad absurdum zu führen", sagte Ehmke. Die Empörung über dieses durchsichtige, unlautere Treiben der Behörden sei ein Treibsatz für die Mobilisierung für die heiße Phase ab dem 24. November, dem voraussichtlichen Start des Transports in Frankreich.

Foto: Karin Behr / publixviewing.de - Am Sonntag blockierten Musiker die Zufahrt zum Erkundungsbergwerk mit einem Konzert ... die ganze Fotostrecke der gorleben365-Aktion gibts hier!




2011-10-31 ; von asb (autor),

castor2011  

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