Thema: salzstock

Meinung: Gorlebendialog - Tücken im System

23 Journalisten, 3 Bürgermeister, dazu ein Dutzend Vertreter von Behörden und Unternehmen, die mit  "Gorleben" befasst sind - Bürger fanden sich beim "Gorlebendialog" in Hitzacker nur auf der Hinterbank  - sie waren dort auch nicht ohne Funktion: sie waren für das Catering zuständig. Steuergelder in sechsstelliger Höhe für die Fragen von vier Interessierten? Ein Kommentar von Angelika Blank.

Eins muss zugegeben werden: die Diskussion auf dem Podium oder besser gesagt: die Antworten der vier Experten zum Thema waren von Offenheit geprägt. Keine absichernden Blicke nach links und rechts, keine Zwischenabstimmungen. Es entstand schon der Eindruck, dass drei Doktores relativ ungeschützt das sagten, was ihrem Wissensstand entsprach. Nur dieser war in Sachen "Gas- und Kohlenwasserstoffvorkommen" eben recht dünn.

Doch was das Verfahren "Gorlebendialog" angeht, so kann man ihn getrost als Flop bezeichnen - nicht nur durch politische Schwierigkeiten sondern auch durch handwerkliche Schnitzer.

Schon beim ersten Besuch in Lüchow, an dem noch viele Vertreter der Anti-Gorlebeninitiativen und -Parteien teilnahmen, zeichnete sich Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser, die sich damals als Zuständige für den Dialog vorstellte, nicht gerade durch kommunikative Kompetenz aus.

Fast patzig ihre Bemerkungen zur Kritik der Gorlebengegner, der von Minister Röttgen angeregte Gorlebendialog sei angesichts der Entscheidung für die Weitererkundung eine Farce. Fast trotzig ihre auch in Hitzacker vor laufenden Kameras vorgetragene Verteidigung des offensichlichen Flops des "Gorlebendialogs": "Wir bieten die Gespräche an, aber wenn keiner teilnehmen will ..."   Immerhin hatte die Staatssekretärin während des Fachgesprächs nicht dauernd etwas in ihr Handy zu tippen, wie bei der Veranstaltung in Lüchow geschehen.

Ist der Dialog überhaupt rechtmässig?

Die Internetseite "gorlebendialog.de" ist zwar inzwischen mit vielen Dokumenten gefüllt, die Jedermann/frau sich herunterladen und zu Hause durchforsten kann (wenn er/sie denn für die hochkomplexen Papiere die notwendige Sachkenntnis hat), aber von zahlreicher Beteiligung auch dort keine Spur. "In vier Wochen haben sich 1600 Besucher auf der Seite eingefunden", verkündete Mathias Trénel, der mit seiner Firma zebralog verantwortlich sowohl für den Internetdialog als auch für die Moderation der Veranstaltung zeichnet. Daraus resultierten gerade einmal etwas über 30 Fragen im Tool "mitreden".

Einer der Fragesteller, Michael Mehnert, der lange Jahre im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)arbeitete, kritisiert gar die Rechtmässigkeit dieses Dialogs. Nach seiner Ansicht hätte das BfS  als zuständig für die Endlagerung radioaktiver Abfälle und als "selbständige oberste Bundesbehörde" den öffentlichen Dialog einleiten müssen. Die Tatsache, dass das Bundesumweltministerium nun diesen Fachdialog führe, hält Mehnert für nicht verfassungsgemäß. Das BfS würde vom BMU dadurch massiv in seiner Selbständigkeit beschnitten, so Mehnert.

Außerdem kritisiert Mehnert, dass die "gorlebendialog.de" keine Aufbereitung der hochkomplexen technischen Daten zur Verfügung stellt, so dass auch einfache Bürger ohne große Sachkenntnis sich ein Bild des Prozesses machen können. Andere Unterlagen seien gar nicht zur Verfügung gestellt worden, da sie zwischenzeitlich anderne Urheberrechten unterliegen. "Hier hätte das BMU für die Freigabe der Rechte sorgen müssen", forderte Mehnert in Hitzacker.

Öffentlichkeit ohne Einladung

Auch der Ablauf im Vorfeld des Fachdialogs zeugt nicht gerade von einem echten Interesse, die Öffentlichkeit einbinden zu wollen. So wurden die Fragesteller zwar zu dem Fachgespräch eingeladen, aber wie wnet erfahren hat, wurde ihnen in der ersten Einladung weder Ort noch Zeit der Veranstaltung mitgeteilt. wnet liegt eine email an einen Fragesteller vor, die am Freitag, dem 7. Oktober 2011 bei diesem kurz vor 15.00 Uhr eingegangen war, in der erstmalig ein konkreter Ort und eine Uhrzeit genannt wurde.

Auch die Öffentlichkeit hatte bis zu diesem Freitag, der immerhin nur fünf Tage vor der Veranstaltung lag, keine Möglichkeit zu erfahren, wo und wann das Fachgespräch stattfinden würde. Auf "gorlebendialog.de" fand sich nur der Terminhinweis "Freitag, 12. Oktober" - ohne Ort und Uhrzeit. Auch wnet konnte diese Frage vom BMU bis zum Freitag Nachmittag nicht beantwortet werden - "wir wissen auch nicht mehr" hieß es in der Pressestelle noch Freitag Mittag. Andere Zuständige waren über zwei Tage hinweg nicht zu erreichen. (siehe Artikel "Gorlebendialog - ein Dialog unter Ausgewählten") Muss noch erwähnt werden, dass die regionale Presse bis zum heutigen Tage keine Einladung zu dem Fachgespräch erhalten hat? Und die teuren Anzeigen, die zum Beispiel in der "Hannoverschen Zeitung" erschienen waren, sind in Lüchow-Dannenberger Zeitungen nie gesichtet worden.

Erst ein harscher Artikel von wnet setzte die Pressestelle des BMU in Bewegung. Freitag abend wurde der Ort im Internet bekanntgegeben, Samstag früh waren dann auch genaue Uhrzeit und eine Anmeldemöglichkeit online geschaltet.

Alles nur juristische Absicherung?

Seltsam auch: die Fragesteller wurden persönlich eingeladen und sollten vorher aber entscheiden, welche Fragen ihnen am wichtigsten waren und diese dem BMU mitteilen. Ein Fragesteller, Ulrich Flöter, stellte sich dann in der Veranstaltung als stellvertretender Bürgermeister (CDU) von Gartow heraus - im Internetforum ist er jedoch nicht zu identifizieren. Der Verdacht liegt nahe, dass er gezielt eingeladen wurde, um sicherzustellen, dass auch "genehme" Fragen gestellt werden.

Während alle anderen Fragesteller mit ihrer Funktion bzw. ihrem Hintergrund vorgestellt wurden, blieb Flöter der einzige, der schlicht als "Bürger" vorgestellt wurde. Die Presse konnte dies nicht hinters Licht führen, denn Ulrich Flöter ist als stellvertretender Bürgermeister der Standortsamtgemeinde Gartow bei den Medien nicht nur als Mitunterzeichner diverser Gorlebenfreundlicher Schreiben bekannt. Auch den sogenannten "Ansiedlungsvertrag" mit der umstrittenen "Wohlverhaltensklausel" hat er mit unterschrieben. By the way: seitdem bezieht die Samtgemeinde Gartow jährlich rund 850 000 Euro als Ausgleich für die Belastungen durch die Existenz des Zwischenlagers.

Unter dem Strich bleibt der schale Eindruck, dass dieser - von Minister Röttgen vielleicht sogar ernsthaft gewünschte - Dialog mindestens unprofessionell umgesetzt wird. Angesichts der groben handwerklichen Schnitzer ist noch nicht einmal anzunehmen, dass strategischer politischer Wille dahinter steckt.

Wie sagte kürzlich ein Kommunalpolitiker aus Lüchow-Dannenberg: "Das dient doch alles nur dazu, sich gegenüber einem eventuell kommenden juristischen Verfahren wegen fehlender Bürgerbeteiligung zu wappnen."

Foto: Bernd Ebeling / publixviewing.de / Zu einem Freizeitpark umgebauter Salzstock in Rumänien




2011-10-13 ; von Angelika Blank (autor),

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