Gutachten: Gesundheitliche Schäden durch Hähnchenmastanlagen

Mit einem offenen Brief hat die Bürgerinitiative Alvesse/Üfingen sich an Ministerpräsiedent David McAllister gewandt. In der Region südwestlich von Celle ist mit 84 000 Tieren eine der größten Hähnchenmastanlagen geplant. Nun liegt der BI eine Analyse vor, die gesundheitliche Schäden für die Bevölkerung durch Großmast-Anlagen nachweist.

In der Literaturstudie, die von drei Ärzten aus der Region (Dr. med. Thomas Fein; Dr. med. Kaiser; Dr. med. Burkhard Kursch) zusammengestellt wurde, kommen die Autoren im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass Hähnchenmastanlagen eine erhebliche Quelle für Bakterien wie Staphylokokken, Endotoxine sowie für Schimmelpilze sind, die mit der Stallabluft in die Umgebung abgegeben werden. Desweiteren gibt es eine starke Abhängigkeit der Keimemissionen vom Tierbesatz, wobei die höchsten Emissionen in den letzten beiden Mastwochen erreicht wurden.

Darüber hinaus zeigen die Messergebnisse nach Ansicht der Autoren, dass Keime über mehr als 500 Meter verfrachtet werden können und widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen sind. Der Studie liegen Messergebnisse eines 50 000-Hähnchen-Maststalles in Ankum nördlich von Osnabrück zugrunde, wo im Juli 2006 gemessen wurde.

Weiterhin stellten die Autoren fest, dass die Endotoxin-Messungen außerhalb des Maststalles im Mittel nur gering über der zu erwartenden Hintergrundkonzentration lagen. Mit einer Ausnahme: an einem Messtag lagen die Konzentrationen mit 27 und fast 39 EU/m3 weit über den übrigen Messergebnissen. Eine Auswertung dieses Ausreißers ergab, dass hohe Windgeschwindigkeiten, wie sie zum Beispiel in Küstenregionen auftreten, offensichtlich zu einer erhöhten Endotoxin-Immission führen.

Nicht nur direkte Emissionen sind gesundheitsgefährlich

Die Sichtung der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur ergab ausserdem, dass Endotoxinkonzentration in der Umgebung von Geflügelställen höher waren als in der Umgebung von Schweinemastställen, was auf tierartspezifische Unterschiede zurückgeführt wurde.

Die direkten Emissionen aus dem Stall seien aber nicht die einzige Gefahrenquelle, so die Autoren der Studie. Der Kot der Tiere stellte demnach nachweislich eine der stärksten Quellen für luftgetragene Endotoxine dar. Diese Feststellung ist für die Autoren insofern bemerkenswert, als im Falle der geplanten Hähnchenmastanlage in der Westermarsch festgelegt wurde, dass die Verwertung des Einstreu-Kot-Gemisches auf betriebseigenen Flächen nach Düngeverordnung ausgebracht werden darf. Da das Einstreu-Kot-Gemisch flächig ausgebracht wird und im Falle des Stalles in der Westermarsch erheblichen Windeinflüssen ausgesetzt ist, besteht nach der Studie die hohe Wahrscheinlichkeit einer weiträumigen Belastung der Umgebung mit Endotoxinen besteht.

Umweltbelastungen auch durch Tiertransporte

Eine Untersuchung beschäftigt sich mit einem weiteren, bislang vernachlässigten Aspekt, und zwar der Belastung der Umwelt durch den Transport der Tiere nach Ablauf der Mastzeit. Die Autoren weisen darauf hin, dass Transportfahrzeuge während des Tiertransportes hochgradig mit Ausscheidungen und Bakterien kontaminiert werden. Sie untersuchten die Freisetzung verschiedener aerober Bakterien und Enterokokken aus Transportfahrzeugen. Sie fanden erhöhte Konzentrationen dieser Bakterien in PKWs, die hinter den Transportfahrzeugen fuhren. Von den Enterokokken waren zwölf Isolate resistent gegen drei auch in der Humanmedizin benutzte Antibiotika. Diese Antibiotika werden ebenfalls zur Therapie in der Geflügelmast eingesetzt.

Insgesamt kommen die Autoren, zu dem Schluß, dass sich ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Atemwegserkrankungen im Umfeld von Tiermastanlagen feststellen lässt, dass mit zunehmender Entfernung vom Maststall abnimmt. Dies sei in einer Entfernung von 500 m zum Stall noch nachweisbar und für Personen, die sich in der unmittelbaren Umgebung des Stalles und natürlich auch im Stall selber aufhalten, am höchsten.

Offener Brief an Ministerpräsident McAllister

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Studie, die am 01. Februar auch Thema in einem FRONTAL 21-Beitrag sein wird, wandte sich die BI Alvesse-Üfingen mit einem offenen Brief an Ministerpräsidenst David McAllister, in dem sie ihn an seine Verantwortung für die Gesundheit der Bürger im Land erinnern.

Mit dem Brief wollen die Unterzeichner nachweisen, dass das Grundrecht der Bevölkerung auf Gesundheit und Wahrheit durch die niedersächsische Landesregierung nicht eingehalten wird.

Nun fordern die Bürger "einfache" Antworten auf einige Fragen. So fordern sie zum Beispiel vom Ministerpräsidenten, dass er die Bevölkerung über die schon lange bekannten Studien zur Gesundheitsgefährdung (siehe oben) aufzuklären.

Desweiteren wollen sie wissen, ob McAllister sich dafür einsetzen werde, dass wirksame Filter gegen die Keimverbreitung zum Stand der Technik erklärt werden und ob er keine Ställe mehr ohne Keimgutachten genehmigen werde.

Und die Bürgerinitiative stellt klar: "Wir stellen hiermit klar, dass Sie spätestens mit diesem Brief offiziell über die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch Hähnchenmastställe informiert sind und ab jetzt die volle Verantwortung dafür tragen. Wir fordern Sie auf, die kürzlich erteilte Genehmigung für die Hähnchenmastanlage Alvesse zu überprüfen."

Hier ist der gesamte offene Brief nachzulesen ... und ...
hier findet sich die vollständige Gesundheitsanalyse.

 

Foto: Die BI Wietze, wo ebenfalls eine Geflügelschlachtanlage geplant ist, auf der Großdemo "Wir haben es satt!" gegen industrielle Massentierhaltung am 22. Januar 2011 in Berlin




2011-01-31 ; von Angelika Blank (autor),

landwirtschaft   hähnchenmast   massentierhaltung  

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