Thema: fukushima

Immer mehr Atomkraftgegner in Japan – Fukushima-Film

„Hibakusha“, zu Deutsch „Explosionsopfer“ werden in Japan die Überlebenden der US-amerikanischen Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki genannt. „Hibakusha“ heißt auch der Film, den die Linken-Bundestagsabgeordnete Dorothée Menzner und der Journalist Ralph T. Niemeyer in der Region Fukushima drehten und der dieser Tage in Dannenberg Premiere hatte.

Am 11. März 2011 war Fukushima von einem Erdbeben heimgesucht worden, das auch die Atomreaktoren dort traf – eine nukleare Katastrophe begann. Die von ihr betroffenen Menschen seien „die neuen Hibakusha“, erläuterte Dorothée Menzner den Titel des Films. Um ihn zu sehen, waren viele Interessierte auf Einladung der „LINKEN im Wendland“ ins Hotel „Alte Post" gekommen, darunter nicht wenige aktive hiesige Atomkraftgegner.

Dorothee Menzner, energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, war nach Japan gereist, um dort über den deutschen Widerstand gegen Atomkraft und den Ausstieg aus ihr zu sprechen. Im Rahmen dessen fingen sie und Ralph T. Niemeyer mit der Kamera bewegende Eindrücke aus der Region Fukushima ein. Idyllisch sollen sie gewesen sein, die Dörfer dort. Den beiden Deutschen aber, deren Strahlenmessgerät auf der Fahrt zum Ziel immer höhere Werte zeigt, bieten sich Bilder der Ödnis und beklemmende Stille. In einem verlassenen Haus blicken Familienfotos lächelnd ins Leere, ein Kinderrad wartet vergeblich auf seinen kleinen Fahrer. Totenstille.

In Fukushima dagegen herrscht durchaus urbanes Leben, doch viele Einzelhandels-Geschäfte haben die Rollläden für immer herunter gelassen. Und die Wohnungen, sonst arg teuer in Japan, werden zu Billigstmieten angeboten. Auffallend jedoch, nicht nur in Fukushima, die auch abends und nachts hellen Straßen. Überall Leuchtreklamen. Auch in den Privathaushalten wird an Energie nicht gespart. Elektrisch beheizte Klobrillen etwa gehören zum Alltäglichen.

Inzwischen sind 53 der 54 japanischen Atomkraftwerke vom Netz genommen – und dennoch gibt es keine Probleme bei der Stromversorgung, geschweige denn Ausfälle. „Japan benötigt keine Atomkraft“, erfahren Menzner und Niemeyer von einem Experten. Die konventionellen Energiequellen reichen aus, auch wendet sich das Land immer mehr den erneuerbaren Energien zu.

Weshalb also, fragen die Filmemacher, ist Japan nicht gleich und ganz aus der Atomkraft ausgestiegen? In den Antworten aus kundigen Mündern ist etwas von der Macht der Konzerne zu hören, die direkt oder mittelbar von der Atomkraft profitieren und Druck auf die Regierung machen. Den Menschen in Japan gaukeln jene Großunternehmen vor, ohne Atomstrom seien Wirtschaft und Arbeitsplätze bedroht, seien hohe Strompreise zu befürchten. Mit dieser Lüge soll erreicht werden, dass die Bevölkerung vom derzeitigen Anti-Atomkurs ablässt – und die Konzerne den gewohnten Profit weiter einstreichen können. Nicht zuletzt müsse man wissen, dass Japan diejenigen Nuklearanlagen erhalten wolle, die für die Produktion von Atombomben nötig sind - „für den Fall der Fälle“. Noch hat das Land keine Atomwaffen.

Auf großen Demonstrationen wird sicht- und hörbar, dass die Mehrheit – man spricht von über 70 Prozent – der Japaner zu engagierten Atomkraftgegnern geworden sind, und es werden immer mehr. Sie sind wütend: auf eine Regierung, die den Konzernen hörig sei und zu wenig tue für die Betroffenen der Reaktorkatastrophe -etwa, indem die Evakuierungszonen um die Reaktoren erweitert werden. Sie sind wütend auf Medien, die vieles verschweigen und verharmlosen – und wütend auf die Profiteure. Wo diese zu finden sind? Die mit der Atomkraft verbandelten Unternehmen, so wissen Gesprächspartner des Film-Teams, sind verschachtelt und undurchschaubar wie die organisierte Kriminalität. Es sei so gut wie unmöglich, „im schwarzen Loch des Atomkapitalismus“ zu recherchieren. Doch wenn man es tue, stoße man auf bekannte Namen, auch auf die Deutsche Bank. Diese halte 12 Prozent der Anteile am Unternehmen „Tepco“, Betreiber der Skandalreaktoren von Fukushima.

Nur im kapitalistischen Wirtschaftssystem können die Atomprofitler dicke Gewinne einstreichen, sind sich viele Japaner bewusst. Sie streben Veränderungen an, wie sie nicht nur in Japan gewünscht werden. Doch: „Gegen globale Konzerne kommt man nur gemeinsam an“, sagt ein Gesprächspartner zu Menzner und Niemeyer. Vor diesem Hintergrund kommen Japaner im Herbst nach Deutschland. Ziel ist es, aus den Erfahrungen hiesiger Atomkraftgegner in Sachen Widerstand zu lernen und auch in puncto erneuerbare Energien. Die Atomkraftgegner, so ein Friedensforscher zu den Filmemachern, dass Atomkraft ein Verbrechen gegen die Menschheit sei – genauso, wie der Einsatz von Atomwaffen.

 

Foto: Hagen Jung ... Im Gespräch nach der Filmvorführung (von links) BI-Vorsitzende Kerstin Rudek, die LINKEN-Bundestagsabgeordneten Johanna Voß und Dorothée Menzner sowie Kurt Herzog, Landtagsabgeordneter der Linksfraktion




2012-04-18 ; von Hagen Jung (autor),

fukushima  

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