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Fukushima - in Europa unmöglich?

Allerorten bemühen sich derzeit Politiker und AKW-Betreiber zu betonen, dass die europäischen Reaktoren sicher seien, da es hierzulande ja nicht zu derartigen schweren Erdbeben und Tsunamis kommen könne. Doch die Wissenschaft warnt bereits seit Jahren vor diesem Trugschluss.


Kurz nach der Tsunami-Katastrophe in Thailand (Dezember 2004) warnte Professor Dr. Friedemann Wenzel von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vor der "trügerischen Illusion", dass Europa von Riesenwellen nicht bedroht sei.

"Dass wir uns in Sicherheit wiegen, ist eine trügerische Illusion", so Wenzel damals im Rahmen einer Veranstaltung an der Tulla-Universität in Karlsruhe. "Auch Europa ist von Naturkatastrophen bedroht, wir leben keineswegs in einer geologisch ruhigen Zone, wie ein Blick in die Geschichte zeigt."

So zerstörte zum Beispiel der Vulkanausbruch von Santorin die minoische Kultur auf Kreta und blieb in unserem kulturellen Gedächtnis als der Untergang von Atlantis haften. Der Ausbruch des Vesuv zerstörte 79 n.Chr. Pompeji und Herculaneum, das Erdbeben von Lissabon vor 250 Jahren tötete 60.000 Menschen - die meisten durch den ausgelösten Tsunami; das Erdbeben nahe Istanbul im Jahre 1999 forderte 25.000 Menschenleben und vernichtete Werte in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar. Historische Tsunamis wurden auch im östlichen Mittelmeer beobachtet.

Die Wiederholung solcher Ereignisse würde in der Gegenwart aber auf wesentlich dichter besiedelte Regionen treffen und damit erhebliche Schäden anrichten. "Wir bleiben - auch in Europa - heute noch weit hinter unseren Möglichkeiten zurück", so das Resümee von Wenzel zum Thema Frühwarnung. Wenzel ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs "Starkbeben und Ingenieurmaßnahmen", damals Mitglied im Leitungsgremium der EMI (Earthquakes and Megacities Initiative) sowie Mitarbeiter des Karlsruher Exzellenz Zentrums CEDIM (Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology). Heute arbeitet er am Karlsruher Institut für Technologie im Bereich Geophysik. Er fordert von der Politik, Lehren aus der Tsunami-Katastrophe von 26. Dezember 2004 zu ziehen und europaweit ein Frühwarnsystem einzurichten. Denn nur wenn jetzt Maßnahmen getroffen würden und man konsequent bestehendes Knowhow nütze, könne man im Ernstfall auch effektives Katastrophenmanagement betreiben.

Auch der Spiegel hatte bereits im Jahre 2001 davor gewarnt, dass ein Riesen-Tsunami Europa treffen könnte. So könnte zum Beispiel von der Insel La Palma eines Tages ein Unglück ersten Ranges ausgehen, wenn dort der Vulkan Cumbre Vieja explodiert. Dann würden mächtige Tsunamis Küstenstriche rund um den Atlantik verwüsten, so der Geologe Simon Day vom University College of London damals.

Mit einem ähnlich gearteten Horrorszenario erregte der Brite bereits im vergangenen Jahr Aufsehen: Damals wies er erstmals auf die instabile Westflanke des Vulkans hin, die bei einer Eruption abgesprengt werden könnte. Der viele Kubikkilometer große Felsbrocken könne beim Sturz in den Atlantik eine mächtige Flutwelle vor der Ostküste Amerikas verursachen, warnten Day und seine Kollegen.

So könnten etwa die Küsten Großbritanniens, Frankreichs, Portugals und sogar Spaniens - das eigentlich auf der Gegenseite des Vulkans liegt - getroffen werden.

Bei Wikipedia.de finden sich allein im 20. Jahrhundert folgende Ereignisse:

  • 15. Januar 1905: Bei einer durch einen Felsabsturz des Ramnefjell in den Lovatn-See (Norwegen) verursachten 40 m hohen Flutwelle starben am 10 km entfernt gegenüberliegenden Ufer 63 Einwohner der Dörfer Bodal und Nesdal.
  • 28. Dezember 1908: Die Stadt Messina in Italien wurde fast vollständig durch ein Erdbeben und einen darauffolgenden Tsunami zerstört. Mehr als 75.000 Menschen fanden den Tod (siehe Erdbeben von Messina 1908).
  • 18. November 1929, der Neufundlandbank-Tsunami forderte 28 Tote und mehr als 10.000 Obdachlose
  • 1936: Bei einem erneuten Felsabsturz des Ramnefjell in den Lovatn-See (Norwegen) entstand eine 70 m hohe Flutwelle und zerstörte wiederum zwei Dörfer. Ein Ausflugsschiff wurde 350 m weit ins Land getragen. Die Dörfer wurden daraufhin aufgegeben, so dass bei einem weiteren Erdrutsch mit Flutwelle im Jahre 1950 keine Opfer zu beklagen waren.

Und am 21. Mai 2003 tötete ein Erdbeben vor Algerien mehr als 2000 Menschen und löste einen kleinen Tsunami aus, der auf Mallorca und Ibiza zu lokalen Überschwemmungen führte.


- Dank an Dr. Sibylle Plogstedt für die Recherchearbeit -

Foto: zeitgenössischer Kupferstich über das Erdbeben in Lissabon im Jahre 1755, bei dem fast 60 000 Menschen durch die nachfolgende Tsunami getötet wurden.




2011-03-14 ; von Angelika Blank (autor),

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