Thema: gesundheit

Kostenlose medizinische Hilfe für „Illegale“

Auch "illegal" in Lüchow-Dannenberg lebende Flüchtlinge müssen nicht sterben, bloß weil sie keine Krankenversicherung haben können. In der "Praxis ohne Krankenschein" können sie sich kostenlos behandeln lassen.

Es ist leider eine wahre Geschichte, die der Facharzt für Allgemeinmedizin Karlheinz Pralle aus Lüchow zu erzählen hat: Anfang des Jahres starb ein „Illegaler“ im Landkreis Lüchow-Dannenberg an einem eitrigen Zahnabszeß, weil er sich nicht zu einem Arzt traute. Die Folge war, dass die Entzündung ins Gehirn wanderte und so zum Tode führte. Der Flüchtling wurde in letzter Sekunde zwar noch im Dannenberger Krankenhaus behandelt - es war aber schon zu spät, um sein Leben noch retten zu können.  „Hätte er zuvor das Angebot der „Praxis ohne Krankenschein“ in Lüchow wahrgenommen, könnte er noch leben“, steht für den Mediziner aus Lüchow fest.

Seit nunmehr 18 Monaten gibt es die Praxis ohne Krankenschein, die jeden behandelt, ohne Geld oder persönliche Daten zu verlangen. „Wir behandeln auch anonym und melden niemanden weiter - garantiert!", beteuert Pralle.

Doch der Allgemeinmediziner bedauert, dass das großzügige Angebot immer noch zu wenig bekannt ist. Um das zu ändern, veranstaltet der Freundeskreis der Praxis ohne Krankenschein nächste Woche eine Soli-Party im Kulturverein Platenlaase: Am Samstag, 28. März spielt um 20:30 Uhr „Der hearte Kern“ jenseits vom Mainstream Eigenkompositionen mit Saxophon, Querflöte, Gitarre und Gesang. Anschließend lädt AnDJ zur Soli-TanzNachtTotal.

Karlheinz Pralle: „In Deutschland besitzt etwa ein Prozent der Bevölkerung keinen Krankenversicherungsschutz, das heißt, dass eines der reichsten Länder der Welt es sich „leistet“, 800.000 Menschen von einer medizinischen Versorgung auszuschließen, sofern sie diese nicht selbst bezahlen können.“

Die Betroffenen sind unter anderem in Insolvenz geratene Selbständige, die sich die Kosten ihrer privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten können oder Arbeitsimmigranten, die von ihren Arbeitgebern hier nicht gemeldet wurden. „In fast jeder Praxis laufen solche „Fälle“ auf“, berichtet Karlheinz Pralle. Um diesen Menschen eine medizinische Versorgung zukommen zu lassen, hat der Facharzt aus Lüchow, zusammen mit dem AWO-Regionalverband Lüneburg/Uelzen/Lüchow-Dannenberg e. V. und anderen ehrenamtlichen Helfern in Lüchow die „Praxis ohne Krankenschein“ gegründet. Spenden finanzieren die hilfreiche Einrichtung.

Allen bedürftigen Menschen unabhängig von Nationalität, Religion, Alter und Geschlecht werden in der Praxis medizinische Hilfe und auf Wunsch eine fachkundige Sozialberatung angeboten. Am Mittwoch nahm eine Patientin das Angebot an - und konnte nach kurzer Zeit die Praxis wieder verlassen. Begleitet wurde sie von Dolmetscherin Serbez Heindorf.

Sprechzeiten - auch anonym - sind jeden Mittwoch, 15 bis 17 Uhr in der Tarmitzer Straße 9 in Lüchow.

Foto / Björn Vogt: Bei seiner Praxis ohne Krankenschein wird Allgemeinmediziner Karlheinz Pralle (zweiter von rechts) von einem Team ehrenamtlicher Mitarbeiter unterstützt. Von links: Renate Schweig, Judith Dankers und Gustav Mewes. Foto: Björn Vogt  




2015-03-20 ; von Björn Vogt (autor),
in 29439 Lüchow, Deutschland

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