Thema: bauen

Kulturgut bewahren – mit historischen Bauteilen sanieren

Wer mit alten Bauteilen sein Haus saniert, wird an vielen Stellen die Spuren der Vergangenheit entdecken - was das Haus zu etwas Besonderem macht. Nicht umsonst entscheiden sich viele Besitzer alter Fachwerkhäuser, mit möglichst originalgetreuen Materialien zu arbeiten.
Ein altes Haus zu bewohnen, bedeutet immer auch, sich mit der (Bau)Geschichte des Hauses auseinanderzusetzen. Doch viele Hausbesitzer machen es sich einfach: zunächst wird alles eliminiert, was das Besondere des Hauses ausmacht. Der moderne Stil wird in das Haus hineingezwungen.
Glücklicherweise gibt es mehr Besitzer von Fachwerkhäusern, die ihr Haus sensibel sanieren wollen. Zunächst wird erkundet, wie das ursprüngliche Gesicht des Gebäudes war. Durch zahlreiche Um- und Ausbauten ist es oft kaum noch erkennbar. Vor allem in den 50er und 60er Jahren sind viele Fachwerkhäuser ihres Gesichts beraubt worden - nicht nur durch ökologisch und optisch fragwürdige Fassadenverkleidungen. Auch im Landkreis lassen sich solche Bausünden aufspüren.

Verzapft und nicht genagelt

Seit einigen Jahren ist bei Fans von Fachwerkbauten der Wunsch wieder größer geworden, mit historischen Bauteilen und althergebrachten Handwerkstechniken zu sanieren. Zahlreiche Zimmerleute, in der Region haben wohl ihren Anteil daran, dass das Kulturgut "Fachwerkbau" wieder mehr Würdigung findet. Ganz bewusst haben sie sich dafür entschieden, beim Fachwerkbau traditionelle Techniken anzuwenden, sprich ein Fachwerk ohne Nägel, Schrauben oder metallische Verbindungen aufzubauen.

Die Bauweise lässt sich auch nach hundert Jahren noch nachvollziehen: jeder eingesetzte Balken wurde individuell behauen und eingepasst. Damit am Ende nachzuvollziehen ist, wo jeder Balken hingehört, wurden sie mit verschiedenen Zeichen und römischen Ziffern  gekennzeichnet. Mit Holzzapfen werden sie miteinander verbunden ("verzapft"). So entsteht ein komplettes Haus mit Innenfachwerk und Dach, welches ohne jegliche Wandauffüllung steht.

Diese Kunst beherrschen nicht mehr viele Zimmerleute. Im Wendland haben sich jedoch schon vor Jahrzehnten zahlreiche HandwerkerInnen niedergelassen, die aus Überzeugung mit traditionellen Techniken arbeiten.

Jedes Haus hat einen Charakter

Der Aufwand wird mit einem architektonischen Schmuckstück belohnt. Wer hinschaut, wird schnell feststellen, dass ein moderner, industriell hergestellter Deckenbalken nicht die Lebendigkeit eines alten Eichenbalkens hat. Dieser ist nie völlig gerade, seine Kanten nicht hundertprozentig rechtwinklig, sondern grob behauen und beschliffen. Eingeritzte Markierungen aus der Bauzeit machen außerdem jeden Fachwerkbalken zu einem Unikat. Diese Originalität lässt sich mit einem aus der Massenproduktion stammenden Balken nicht herstellen.

Bei Türen, Fenstern und Beschlägen spielt die Individualität eine besondere Rolle. Die angewandten Schmuckelemente sind oft so individuell, dass sie einer eng begrenzten Region zugeordnet werden können.

Auch ein Stück Klimaschutz

Neben der ästhetischen Wirkung ist es auch eine Frage der Nachhaltigkeit, historische Bauteile einzusetzen. „Mit bereits genutzten Materialien zu arbeiten, ist auch ökologisch sinnvoll,“ so Dr. Dirk Wübbenhorst, Hausforscher und Mitglied der Interessengemeinschaft Bauernhaus. „Dafür muss kein Baum gefällt werden. Das CO2 bleibt gespeichert und wird nicht freigesetzt.“ Altes zu erhalten und wiederzuverwenden schont also natürliche Ressourcen.

Doch wo sind historische Bauteile zu finden? Im normalen Baustoffhandel sind sie nicht erhältlich. Wer es ernst meint, dem steht oft eine langwierige Recherche bevor. Es macht Sinn, in der eigenen Region, die Augen offenzuhalten, wo ein altes Haus abgerissen wird. Hier könnten Bauteile abfallen, die für die eigenen Zwecke noch sehr gut zu gebrauchen sind. Auch im Internet gibt es diverse Angebote für alte Bauteile, die allerdings über ganz Deutschland verteilt sind.

Hilfestellung bietet die Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB). Sie berät Menschen, die ein altes Haus besitzen und mehr darüber wissen wollen. (https://wendland.imwandel.net/seite/interessengemeinschaft-bauernhaus-igb/ )

Dem Verein BauWerk Wendland (https://www.bauwerk-wendland.de/) mit seinen rund 20 Mitgliedern aus Handwerk und Baubereich, ist es wichtig, dass diese Kulturschätze nicht verloren gehen und zur weiteren Nutzung weiter zur Verfügung stehen. Deshalb baut der Verein derzeit eine Bauteilbörse (https://www.alte-bauteile-wendland.de/) auf, über die sich Suchende und Anbieter finden können. So soll ein Beitrag zur Baukultur und Nachhaltigkeit geleistet werden. Noch ist die Website im Aufbau, aber wer Interesse hat, kann sich jetzt schon an das Bauwerk Wendland wenden. Kontakt: 05841/973 13 95, email: info@bauwerk-wendland.de.

Dieser Artikel erschien zuerst im Wipperaukurier.

Foto | Angelika Blank: In und an diesem Fachwerkhaus ist seine Geschichte noch lebendig.




 


Fotos

2022-04-17 ; von Angelika Blank (text),
in 29439 Lüchow, Deutschland

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