Mit Hubschraubern gegen die giftige Raupe

Seit über zehn Jahren kämpft die Samtgemeinde Gartow jährlich aufs Neue gegen den Befall durch Eichenprozessionsspinner an - weitestgehend erfolglos. In diesem Jahr soll das Bekämpfungsmittel nun aus der Luft aufgebracht werden.

Seit 2008 lässt das Thema Eichenprozessionsspinner die Samtgemeinde Gartow nicht los. Vor allem am Elbe-Radweg bei Schnackenburg und im Elbholz drohen immer mehr Eichen den jährlichen Befall durch die in Massen wandernden Raupen nicht zu überleben.

Und alljährlich klagen viele Menschen über Juckreiz, rote Pusteln bis hin zu asthmatischen Anfällen - ausgelöst durch die Nesseln der unscheinbaren Raupen. Alljährlich versucht die Samtgemeinde, durch Besprühen vom Boden aus, der Raupenplage Herr zu werden. Mit mäßigem Erfolg.

Am Dienstag Abend informierte nun die Samtgemeinde darüber, dass in diesem Jahr die Bekämpfung durch eine großflächige Befliegung durchgeführt werden soll. Bei den rund 20 Anwesenden im Gartower Rathaus stieß dieses Vorhaben auf gegensätzliche Reaktionen: Den Einen ging es um den Schutz der Bäume, den Anderen um den Gesundheitsschutz und den Dritten um den Schutz von Biotopen und anderem Kleingetier. Ein Grundkonflikt, der sich auch im Zuständigkeitswirrwarr der beteiligten Behörden spiegelt.

Eingesetzt wird das Bekämpfungsmittel Foray ES, Nachfolger des früher eingesetzten Dipel ES. Auch Foray ES ist ein Bazillus, der an und für sich als unschädlich für andere Insekten und/oder Gewässer gilt. Jedoch -so erläuterte Dorothée Rößler, Fachdienstleiterin Untere Waldbehörde im Landkreis, das Mittel ist in einer Ölsuspension gelöst und diese könnte sich schädlich auf die Fauna sowie Gewässer auswirken. Könnte - denn bisher lassen sich die Auswirkungen auf die Umwelt nicht prognostizieren. Auch das war auf der Informationsveranstaltung zu hören.

Warum wird erst jetzt geflogen?

Über zehn Jahre läuft die Diskussion über die sinnvollste Bekämpfungsmöglichkeit schon. Die Befliegung war dabei immer eine umstrittene Methode. Lediglich im Jahre 2010 hatte die Gräflich Bernstorffsche Forstverwaltung als einer der größten Waldbesitzer in der Region, eine flächige Bekämpfung aus der Luft durchgeführt. Danach traute sich kein Samtgemeinde-Bürgermeister, kein Landkreis und auch keine Landesbehörde, eine Befliegung zu gestatten bzw. anzuordnen. Stattdessen versuchten die zahlreichen am Verfahren beteiligten Behörden und Institutionen , sich die Zuständigkeit gegenseitig zuzuschieben.

Auf die Initiative von Umweltminister Olaf Lies hatte es zwar im vergangenen Jahr einige Koordinationssitzungen mit Vertretern verschiedener Ministerien und Behörden sowie Gemeindevertretern gegeben - aber ohne Ergebnis. So zeigten sich am Dienstag sowohl Samtgemeindebürgermeister Christian Järnecke als auch das Ratsmitglied Asta von Oppen (Grüne) und Gemeindebürgermeisterin Magda Geldmacher (UWG) enttäuscht vom Verhalten des Landes.

Auf die Resolution des Samtgemeinderates, die die Samtgemeinde-Verwaltung im vergangenen Sommer sowohl an Landesgremien als auch an den Landkreis geschickt hatte, gab es nach Aussagen von Järnecke bisher keine Reaktion. Lediglich die Bitte, dass der Landkreis die flächendeckende Befliegung veranlassen solle, wurde von dort abgelehnt. Gartow sei Gefahrenabwehrbehörde und deswegen zuständig, hieß es aus Lüchow.

Aber auf die Forderungen nach finanzieller Unterstützung durch das Land oder die Forderung nach einer Höherbewertung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung als den Naturschutz gabs bis heute nicht einmal eine Antwort.

Nun hat Samtgemeinde-Bürgermeister Christian Järnecke die Verantwortung übernommen und die Bekämpfung aus der Luft in Angriff genommen. Für ihn birgt die Anordnung ein gewisses Risiko, verklagt zu werden. Jedoch: ""Weil keiner das Risiko auf sich nehmen wollte, ist bis jetzt nichts geschehen," so Järnecke. "Jetzt ist aber der Leidensdruck so groß, dass ich das im Sinne des Gesundheitsschutzes unter Abwägung der Risiken anordne."

Alle Beteiligten warnten am Dienstag jedoch, zu hohe Erwartungen zu hegen. Augrund von gesetzlichen Bestimmungen müssen bestimmte Abstände zu Gewässern, Biotopen oder FFH-Gebieten eingehalten werden, so dass die Befliegungsflächen einem "witzigen Flickenteppich" gleichen, wie es eine Bürgerin ausdrückte. Gerade am stark befallenen Deich zwischen Schnackenburg und Pevestorf, gibt es große Lücken im Befliegungsplan.

Alle Informationen zur aktuellen Bekämpfungsaktion sind auf der Website der Samtgemeinde Gartow nachzulesen. Dort werden in Kürze auch Übersichtskarten mit den Befliegungsflächen einzusehen sein. Wer als Bürger interessiert an einer Bekämpfung auf seinem Privatgrundstück ist, findet hier auch das entsprechende Anmeldeformular.

Die Kosten der Befliegung in Höhe von rund 380 Euro/ha wird zunächst die Samtgemeinde tragen. Järnecke plädierte allerdings an alle Privateigentümer, die eine Bekämpfung in Anspruch nehmen, sich freiwillig an den Kosten zu beteiligen.

Unterdessen sterben die Eichen

Die diesjährige Bekämpfungsaktion wurde unter dem Stichwort "Gesundheitsschutz" genehmigt, was bedeutet, dass die Bäume, die in menschenfernen Gebieten stehen, nicht besprüht werden. Das löste in der Versammlung starken Unmut aus, denn eine der ältesten Eichenalleen - die Elbholzallee bei Gartow - wird aus diesem Grunde nicht bearbeitet. Dabei stünden hier die wertvollsten und ältesten Eichenbestände in der Region, hieß es aus der Runde. Diese seien nun massiv gefährdet.

Förster Ulrich von Mirbach bestätigt die Befürchtung, dass dort die Eichen absterben. "Dort wird es heftige Verluste geben, wenn die Eichen dieses Jahr wieder so kahlgefressen werden wie die Jahre zuvor. Schon jetzt sind einige Bäume ausgefallen."

Foto | Angelika Blank: In den vergangenen Jahren versuchte die Samtgemeinde, den Befall durch Eichenprozessionsspinner vom Boden aus zu bekämpfen - mit mäßigem Erfolg.




2019-04-10 ; von Angelika Blank (text),
in 29471 Gartow, Deutschland

eichenprozessionsspinner   gesundheit   umwelt  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können