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Neue Analyse von Greenpeace: Falsche Berechnungen in Gorleben

Das Niedersächsische Umweltministerium (NMU) hat nach Ansicht von Greenpeace erhebliche Fehler bei der Berechnung der Strahlenmessungen am Atommüll-Zwischenlager Gorleben gemacht. Mit einer aktuellen Analyse wies die unabhängige Umweltschutzorganisation am Mittwoch nach, dass der zulässige Jahresgrenzwert von 0,3 Millisievert am Zwischenlager bis Jahresende überschritten werden kann.

Die Strahlenmessungen bilden die Grundlage für die Ende Oktober anstehende Entscheidung des Ministeriums über den diesjährigen Castortransport. Die Greenpeace-Berechnungen ergeben eine mögliche diesjährige Strahlendosis von 0,305 Millisievert. Das NMU hatte hingegen einen Strahlenwert von 0,233 Millisievert errechnet.

"Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, der Castortransport muss für dieses Jahr abgesagt werden", so Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. "Bei der Bewertung des Ministeriums handelt es sich um klare Berechnungsfehler, bei denen es keinen Interpretationsspielraum gibt. Es scheint, als hätte Umweltminister Sander die Messwerte heruntergerechnet, um den geplanten Castortransport nicht zu gefährden."

Die aktuellen Berechnungen von Greenpeace beweisen erneut, dass keine Castoren mehr in das Zwischenlager eingelagert werden dürfen. Voraussichtlich am letzten Novemberwochenende sollen elf Castorbehälter aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague nach Gorleben transportiert werden. Jeder Castor beinhaltet vier Mal so viel Radioaktivität wie beim Super-GAU in Fukushima ausgetreten ist.

Hintergrund: Wie hat das Niedersächsische Umweltministerium gerechnet?

Um die aus der Castorhalle austretende Strahlung zu berechnen, werden in der Umgebung des Zwischenlagers zunächst Neutronen- und Gammastrahlung gemessen. Von diesen Werten wird danach die dauerhaft vorhandene natürliche Hintergrundstrahlung abgezogen. Anschließend werden die Werte addiert.

Für seine Berechnung des niedrigeren Strahlenwertes hat das NMU die Messdaten zweier Behörden kombiniert: Für das erste Halbjahr 2011 zieht das NMU die Messergebnisse des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) heran. Für das zweite Halbjahr 2011 stützt sich das NMU auf neue Messungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die Anfang September in nur vier Tagen durchgeführt wurden. Die Aufteilung in Jahreshälften begründet das NMU mit einer Ende Juni erfolgten Umstellung von Castoren innerhalb der Lagerhalle. Diese habe die Strahlenbelastung rund um die Anlage gesenkt.

Bei der Berechnung hat das NMU allerdings drei erheblich Fehler gemacht, die zu der niedrigeren Prognose führten: Das NMU hat für das erste Halbjahr rückwirkend einen höheren Neutronen-Hintergrundwert angenommen. Da der höhere Hintergrundwert abgezogen wurde, fällt das Ergebnis entsprechend niedriger aus. Außerdem wurde unzulässigerweise im ersten Halbjahr eine Gammastrahlung von Null angenommen. Dabei liegen behördliche Messungen des NLWKN für diesen Zeitraum vor. Auch für das zweite Halbjahr wurde die Gammastrahlung nicht berücksichtigt, obwohl der TÜV-Bericht Werte liefert.

Grüne: Berechnungsverfahren manipuliert

Für die Grünen im niedersächsischen Landtag belegt die Greenpeace-Analyse eindeutig, dass die Berechnungsverfahren manipuliert wurden. Der anstehende Castor-Transport nach Gorleben werde die Grenzwerte klar überschreiten, sagte der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel in Hannover. In der Genehmigung des Transportbehälter Zwischenlagers in Gorleben sei festgelegt, dass die "maximale Dosis am ungünstigsten Aufpunkt am Zaun des Betriebsgeländes" für die Berechnung des Grenzwertes ausschlaggebend sei. "Unter diesen Bedingungen darf die Landesregierung den für Ende November geplanten Castor-Transport nicht genehmigen", sagte der Grünen-Politiker.

Wenzel kritisierte scharf, dass sich Staatssekretär Birkner (Anmerkung d. Redaktion: Birkner gilt als der zukünftige niedersächsische Umweltminister) weigere, die radioaktiven Dosiswerte des Landesamtes NLWKN aus den Vorjahren im Internet zu veröffentlichen. Eine entsprechende Forderung des Grünen-Politikers hat der designierte Sander-Nachfolger mit Verweis auf "schutzwürdige Interessen Dritter" abgelehnt. "Wenn Birkner damit die Atomindustrie meint, hilft er den Verursachern. Schutzwürdige Interessen bestehen aber in erster Linie bei der Bevölkerung im Wendland. Die hat das elementare Recht, über die Strahlenbelastung informiert zu werden", sagte Wenzel. Die Atomaufsicht müsse die Bevölkerung vor unerlaubten radioaktiven Belastungen schützen und nicht die Atomindustrie.

 

Quelle: greenpeace

Foto: Wärmefoto aus einer Greenpeace-Messung am Zwischenlager / zum Artikel




2011-10-26 ; von asb (autor),

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