Neustart bei der Suche nach einem Atommüllendlager: Chance oder großer Bluff?

Veranstaltung in der Kulturbrauerei IV im Rahmen der Kulturellen Landpartie 2012, WendlandBräu, 29459 Kussebode. Am   Samstag, 19. Mai 2012, 19 Uhr.

Ihre Fragen beantworten:

- Rebecca Harms (B'90/Die Grünen, MdEP)
- Dr. Ulrich Wollenteit (Rechtsanwalt, Atomrechtsspezialist)
- Mathias Edler (Greenpeace)

Einen Neustart bei der Endlagersuche hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) versprochen: "fair, transparent, ergebnisoffen". Eine "weiße Landkarte" soll es nun geben, alle Regionen in Deutschland würden jetzt "gleichberechtigt" auf ihre Tauglichkeit als Endlager für die giftigsten Industrieabfälle aller Zeiten geprüft. Und das, nachdem alle Vorgängerregierungen seit 1977 allein auf den Salzstock in Gorleben im Wendland gesetzt haben - trotz aller zu Tage getretenen geologischen Mängel.

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg spricht sich ebenso für diesen Neustart aus, wie der ehemalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Der Parteienkonsens in der Endlagerfrage scheint geschafft, der gesellschaftliche Konsens über dieses Thema, das seit drei Jahrzehnten die Republik im wahrsten Sinne des Wortes spaltet, ist das erklärte Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs zu einer neuen Standortsuche, der noch in diesem Sommer im Bundestag verabschiedet werden soll. Unisono erklären alle (Partei-) Politiker, dass sie das Atommüllproblem endlich "lösen" wollen.

Während der Kulturellen Landpartie 2012, die 1989 von Atomkraftgegnern in Lüchow-Dannenberg ins Leben gerufen wurde, um den anreisenden Besuchern aus den Städten zu zeigen, was sie in diesem dünnbesiedelten Landstrich zwischen Elbe und Drawehn bei Verwirklichung der aberwitzigen Atompläne in Gorleben alles an Lebensqualität zu verlieren haben, während der diesjährigen Landpartie wollen sich die Fraktionschefs der Parteien im Bundestag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin treffen und das Gesetz "eintüten".

Das neue Gesetz, die weiße Landkarte, Ergebnisoffenheit, Fairness und Transparenz hören sich erstmal gut an nach Jahrzehnten der Mauschelei und Manipulation in Gorleben.

- Doch was bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf für den Atomstandort Gorleben? Wird es einen echten Neustart bei der Endlagersuche geben?

- Ist die Landkarte wirklich weiß und das Verfahren fair und ergebnisoffen?

- Führen die zahlreichen geologischen Sicherheitsmängel des Salzstocks in Gorleben zwangsläufig zum Ausschluss des Standortes aus dem Verfahren?

- Sollen die Bürger diesmal über Informationsveranstaltungen hinaus bei der Suche nach einem Atommüllendlager beteiligt werden? So, wie es in anderen Ländern längst üblich ist. Oder ist die einzige Modernisierung in Sachen Bürgerbeteiligung das geplante "Internetportal"?

Gorleben ist überall! Dieser alte Slogan der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Anfang der 1980er Jahre von Robert Jungk abgeleitet von "Hiroshima ist überall", ist mit dem jetzt vorliegenden Endlagersuchgesetz so aktuell wie nie zuvor.

Ihre Gesprächspartner:

Rebecca Harms (B'90/Die Grünen, MdEP)

... hat sich von Beginn an im Widerstand gegen die Gorlebener Atomanlagen engagiert. Sie saß 1979 auf einem der 15 Trecker, die in Lüchow zum legendären Hannover-Treck in die Landeshauptstadt aufbrachen und aus denen dann binnen einer Nacht über 300 Schlepper wurden, weil die Abendnachrichten einen GAU im US-amerikanischen Atomkraftwerk Harrisburg vermeldeten. Sie war im Sommer 1980 bei der Räumung des größten Hüttendorfes in der Geschichte der Bundesrepublik dabei, der Republik Freies Wendland. Seit dem hat sie als Abgeordnete der Grünen von Landes- bis Europaparlament die Atommüllfrage kritisch begleitet und die Interessen ihrer Heimat-Provinz vertreten. Als Grüne musste sie schon einmal einen angeblichen Atomkonsens vertreten, der nicht lange Bestand gehabt hat. Was sagt sie zum neuen Versuch, die Frage nach einer möglichst sicheren Lagerung von tödlich strahlenden Abfällen für mehrere hunderttausend Jahre endlich anzugehen?

Dr. Ulrich Wollenteit (Rechtsanwalt)

... ist Jurist und Spezialist für Verwaltungsrecht in Hamburg. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit dem Atomgesetz und seinen Folgen. Als die damalige Bundesumweltministerin und heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel 1997 die ehemalige DDR-Atommüllkippe im Salzstock Morsleben (Sachsen-Anhalt) für die Einlagerung von noch mehr Atommüll erweitern wollte, war es Ulrich Wollenteit, der diese Pläne vor Gericht im Namen von Greenpeace und dem BUND durchkreuzte: Das Endlager Morsleben musste geschlossen werden. Wollenteits Gegenspieler war damals Angela Merkels Hausjurist Gerald Hennenhöfer. Er hielt Morsleben für sicher. Und verlor vor Gericht. Gott sei Dank: Wenige Jahre später fielen tonnenschwere Brocken Salzgestein von der Grubendecke. Inzwischen droht das Grubengebäude einzustürzen. Gerald Hennenhöfer ist heute wieder Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit und Autor des vorliegenden Gesetzentwurfes zum Neubeginn einer Endlagerstandortsuche. Honi soit qui mal y pense ...

 

Foto (Angelika Blank): Unter Tage im Salzstock Gorleben




2012-05-14 ; von pm (autor),
in Kussebode, 29459 Clenze, Deutschland

endlager_gorleben   salzstock   endlagersuche  

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