Thema: ratskeller

Tschernobyl – Kein Thema zur Belustigung

Sie ist ein Ärgernis, ein Schandfleck: Die Ruine des Ratskellers in Dannenberg. Verständlich, dass Bürgerinnen und Bürger auch mit den Mitteln der Satire und mit Häme ihrem Ärger über die steinerne Scheußlichkeit Luft machen. Dieser Tage nun hat ein Spötter die Bretterwand vor der Ruine mit kleinen Plakaten bepflastert, in denen er anregt, den „Ratskeller“ so wie das einstige Atomkraftwerk von Tschernobyl mit einem Betonsarkophag zuzugießen.

Die Ratskeller-Ruine ist kein GAU mit internationalen Auswirkungen

Was auf den ersten Blick wie ein Spaß anmuten mag, hat einen bitteren Beigeschmack, ja, ist geschmacklos. Die Tschernobyl-Katastrophe von 1986 hat vielen Menschen unsägliches Leid gebracht: Tod, Krebs- und andere Erkrankungen, Verlust der Heimat. Solches Unglück kann und darf auch nicht im Geringsten in die Nähe eines Kleinstadt-Ärgernisses gerückt werden, in die Nähe einer Ruine, die wohl hässlich ist, aber beileibe keine Katastrophe. Irgendwann werden die Gemäuerreste verschwunden sein.

„Gefährliche Rückstände von Küchendämpfen“

Was der „Spötter“ zu Papier gebracht hat? Er hämt auf seinem Schrieb, während der Essenzubereitung in der ehemaligen Ratskeller-Küche hätten sich im Gebäude über Jahrzehnte „aggressive Speisedämpfe von Kohlrouladen, Sauerkraut und Labskaus in sehr hohen Konzentrationen gebildet und abgelagert“. Ein „Bundesamt für lokale Esskultur BfEss“, geleitet von „Dr. Peter Unfug“, habe Aktivitätsmessungen in den Gebäudetrümmern durchgeführt und „besorgniserregend hohe Werte“ festgestellt. Das „hoch belastete Gebäude“ müsse - „ähnlich wie radioaktive Brennelemente in den bekannten Castor-Behältern“ noch mindestens 35 bis 40 Jahre „abklingen, bis die gefährlichen Rückstände der Küchendämpfe unterhalb der Grenzwerte liegen“.

„Abschirmender Sarkophag ratsam“

Zurzeit prüfe auch der „Gaststätten-Neutralisierungs-Service (GNS)“, ob die Errichtung eines abschirmenden Sarkophags aus Beton ratsam und notwendig sei, damit die Ruine sicher eingeschlossen werden könnte. „Das Prinzip hat sich bereits in Tschernobyl erfolgreich bewährt und könnte sich architektonisch reizvoll in das Stadtbild einfügen“. Garniert hat der Unterzeichner des Pamphlets, „Dr. S.C. Handfleck – Direktor für Öffentlichkeitsbelustigung“ seine Plakatchen mit Fotos von der Dannenberger Ruine, vom Tschernobyl-Sarkophag und mit einer Zusammen-Montage aus beiden Bildern.

Es gab mehr als Kohl und Labskaus

Tschernobyl und alles, was damit zusammenhängt, taugt nicht zur Belustigung. Auch haben es die früheren Wirtsleute des Ratskellers nicht verdient, dass ihrem Lokal „aggressive Speisedämpfe“ vorgeworfen werden. Viele Gäste werden sich an manch schmackhaftes Mahl im Ratskeller erinnern, dessen Speisekarte weitaus mehr bot als Kohlrouladen und Labskaus.

Foto: Hagen Jung

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2010-08-01 ; von Hagen Jung (autor),

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