Umweltschützer sind schon lange der Ansicht, dass die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager in Brunsbüttel rechtswidrig sei. Ihre Ansicht bestätigte am Freitag das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nun fragen sich die Verantwortlichen, welche Konsequenzen der Beschluss für andere Zwischenlager hat.
Schon das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hatte die Genehmigung des Zwischenlagers in Brunsbüttel aufgehoben. Das Gericht war damals der Ansicht, dass die Gefährdung durch den Einsatz moderner Waffensysteme oder die Benutzung zum Beispiel eines Airbus 380 für gezielte Terrorangriffe bei den Sicherheitsbetrachtungen ungenügend berücksichtigt worden waren. Auch waren nach Ansicht des Gerichts Fehler bei der Berücksichtigung möglicher Gefahren aus einem Flugzeugabsturz gemacht wurden.
Eine Revision gegen das Urteil hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig nicht zugelassen, weswegen das Bundesamt für Strahlenschutz beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegte. Damit hatte das BfS jedoch keinen Erfolg: Das Bundesverwaltungsgericht wies das Anliegen, eine Revision einlegen zu dürfen ab. Somit ist das Urteil des OVG Schleswig jetzt rechtskräftig.
Reaktionen auf den Beschluss
Beim Niedersächsischen Umweltministerium ist man nun damit beschäftigt, zu prüfen, inwieweit das Urteil Auswirkungen auf niedersächsische Zwischenlager hat.
Für Atomkraftgegner ist die Sache jedoch längst klar, wie .ausgestrahlt!-Sprecher Jochen Stay am Freitag mitteilte: "Das Urteil hat nicht nur Folgen für diesen einen Standort. Die Zwischenlager an den anderen Atomkraftwerken sind baugleich und damit genau so gefährdet wie Brunsbüttel," so Stay. Nach seiner Ansicht ist mit dem Beschluss des BVerwG das ganze Entsorgungskonzept für die deutschen AKW in sich zusammengebrochen. "Es gibt weder einen sicheren Platz für die langfristige Lagerung noch einen sicheren Platz für die Zwischenlagerung," so Stay weiter.
Die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg hatte bereits nach Bekanntwerden des
OVG-Urteils den niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne)
aufgefordert, das Brennelement-Zwischenlager in Gorleben unter die Lupe
zu nehmen. "Versprochen wurde eine gründliche Prüfung des Urteils,
praktisch und faktisch geschehen ist nichts", erinnert BI-Sprecher
Wolfgang Ehmke.
Brunsbüttel komme nach Ansicht der BI auch auf lange Sicht nicht als Ausweichplatz für die
Einlagerung der 26 Castor-Behälter in Frage, die nach einer Novelle des
Atomgesetzes nicht mehr nach Gorleben gebracht werden können. Lediglich die Länder Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg
hatten angeboten, die Behälter mit den hochradioaktiven Abfällen
aufzunehmen, unionsgeführte Länder hatten sich kategorisch geweigert.
Überprüfung anderer Zwischenlager notwendig?
Weder das Niedersächsische Umweltministerium noch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) können zur Zeit sagen, ob der BVerWG-Beschluss Auswirkungen auf andere Zwischenlager hat.
Das BfS betont in einer ersten Stellungnahme, dass "weder das ursprüngliche Urteil des OVG Schleswig vom 19. Juni 2013 noch
die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wegen
einer unzureichenden Sicherheit des Zwischenlagers erfolgten." Die Gerichte hätten
sich zur Frage der tatsächlichen Sicherheit etwa gegen Terrorangriffe
nicht geäußert. Bemängelt worden sei der Umfang der Ermittlungen im
Genehmigungsverfahren, so das BfS weiter.
"Der Betreiber des Zwischenlagers ist nun in der Verantwortung, eine neue
Genehmigung für die Lagerung der Castorbehälter in dem Zwischenlager zu
beantragen," heißt es in der Mitteilung des BfS weiter. "Für das Genehmigungsverfahren wird in Abstimmung mit dem
Bundesumweltministerium zu prüfen sein, wie die Anforderungen des OVG
Schleswig in das Genehmigungsverfahren einfließen können." Mehr Informationen zum Hintergrund des Verfahrens gibt es auf den Internetseiten des BfS - click hier!.
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit, der das Verfahren beim BVerwG begleitete, hatte im September vergangenen Jahres vor dem Atomausschuss des Landkreises darauf hingewiesen, dass, sollte das OVG-Urteil rechtskräftig werden, es dazu führen wird, dass
die Ermittlungs- und Bewertungskriterien bei allen Genehmigungsverfahren
für derartige Atomanlagen zu überprüfen sind. Die Betonung liegt hier allerdings auf "Genehmigungsverfahren". Denn auch dies erläuterte Rechtsanwalt Dr. Wollenteit vor dem Ausschuss: In dem Verfahren vor dem BVerwG ging es um Verfahrensfehler in einem akutellen Genehmigungsverfahren, welches anderen Kriterien unterliegt als die Betriebserlaubnis für schon lange existierende Zwischenlager.
"Erstmalig ist eine atomrechtliche Genehmigung wegen eines nicht ausreichenden
Schutzes vor terroristischen Angriffen aufgehoben worden," so Wollenteits Reaktion auf den aktuellen Beschlusss. "Das Atomgesetz hat bereits 1959 gefordert, dass alle Nuklearanlagen wirksam vor Störmaßnahmen und Einwirkungen Dritter zu schützen sind. Die Aktualität einer solchen Forderung in der heutigen Zeit liegt auf der Hand. Die Entscheidung hat auch Konsequenzen für den gesamten Bereich des Atomrechts, denn auch Atomkraftwerke weisen empfindlich Schutzlücken auf, z.B. in Bezug auf den in terroristischer Absicht herbeigeführten Flugzeugabsturz nach dem Vorbild des 11. September 2001. "
Foto / smial/raymond : Das Zwischenlager am AKW Brunsbüttel hat seit Freitag keine Betriebsgenehmigung mehr.