Thema: politik

Versammlungsrecht in der Diskussion

Verschärfte Anforderungen an Organisatoren von Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen, erweiterte Dokumentationsrechte der Polizei und erhöhte Bußgelder - das geplante neue Versammlungsgesetz bietet einiges, was von Gegnern des Gesetzes als verfassungswidrig eingestuft wird. Am Freitag informiert Rechtsanwältin Ulrike Donat über die Details des Gesetzentwurfs.

 

Die CDU/FDP-Koalition in Hannover will das Versammlungsrecht novellieren. "Verfassungswidrig, demokratiefeindlich, bürokratisch, aufgeplustert und unverständlich", so benotet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung den Entwurf der Regierungsmehrheit.

Inwieweit tangieren die geplanten Änderungen tangieren den Gorleben-Widerstand bei einem Castor-Transport? Die Hamburger Rechtsanwältin Ulrike Donat hat die Gesetzesnovelle unter die Lupe genommen und referiert auf Einladung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg am kommenden Freitag (26.2.) um 19 Uhr im Schützenhaus Dannenberg. Der Eintritt ist frei.

Schünemanns Sicht der Dinge

Und so begründet Innenminister Uwe Schünemann seinen Gesetzesentwurf: (Auszug aus einer Rede im Landtag am 19.01.2010):

"... Die Möglichkeit zur eigenen Gestaltung eines Niedersächsischen Versammlungsgesetzes ist den Ländern seit der Föderalismusreform eröffnet. Die Landtagsfraktionen der CDU und der FDP haben nunmehr einen Entwurf für ein Niedersächsisches Versammlungsgesetz eingebracht, für dessen parlamentarische Unterstützung ich ausdrücklich werben möchte, denn mit diesem Gesetzentwurf gestalten wir ein besseres und moderneres Versammlungsrecht für Niedersachsen.

Die Versammlungsfreiheit ist für eine lebendige und offene Demokratie unentbehrlich. Ein niedersächsisches Versammlungsgesetz muss dieses Grundrecht entsprechend seiner herausragenden Bedeutung schützen. Daraus folgt für mich zweierlei: Einerseits ist die Durchführung friedlicher Versammlungen weitestgehend zu garantieren und zu schützen.

Andererseits sind wirksame Instrumente vorzusehen, die unfriedliches und vom Schutz der Versammlungsfreiheit nicht mehr umfasstes Verhalten unterbinden, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und insbesondere für die Rechte Dritter abwehren zu können. Denn auch dies zählt zu unserem verfassungsrechtlichen Auftrag: Wer friedlich demonstrieren will und dabei befürchten müsste, im Zusammenhang mit der Versammlung auftretenden Gewalttätigkeiten schutzlos ausgeliefert zu sein, wäre faktisch in der Ausübung der Versammlungsfreiheit erheblich beeinträchtigt.

Daher muss ein niedersächsisches Versammlungsgesetz beides berücksichtigen: den umfassenden Schutz friedlicher Versammlungen und das angemessene, aber entschlossene Abwehren unfriedlicher und gewalttätiger Aktionen. Diese Grundphilosophie sehe ich im vorliegenden Gesetzentwurf in gelungener Weise umgesetzt.

Die inhaltlichen Einzelheiten des vorliegenden Gesetzentwurfs sind bereits vorgetragen worden. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, drei aus meiner Sicht bedeutsame Neuregelungen zu benennen:

Die Gebote der Friedlichkeit und Waffenlosigkeit von Versammlungen werden strikt umgesetzt. Sie gelten ohne Einschränkung für öffentliche wie nichtöffentliche Versammlungen. Insbesondere stellt der Gesetzentwurf klar, dass pseudomilitärische Aufmärsche mit einschüchternder Wirkung, mit dem Friedlichkeitsgebot nicht in Einklang zu bringen sind. Im Zusammenhang mit dem Gebot der Friedlichkeit steht, dass auch die Versammlungsleitung im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf einen friedlichen Verlauf der Versammlung hinzuwirken hat.

Für rechtsextremistische Versammlungen sind ausdrückliche Verbots- und Beschränkungsmöglichkeiten eröffnet, wenn eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu befürchten ist. Insoweit werden zum einen Versammlungen erfasst, die an Tagen oder Orten stattfinden sollen, denen im Hinblick auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft ein hoher Symbolgehalt zukommt. Die Gesetzesbegründung enthält Beispiele für entsprechende Orte und Tage. Ich halte es für richtig, im Gesetz keinen abschließenden Katalog aufzuführen. Es ist immer eine Wertung des Einzelfalls, inwieweit eine Versammlung an einem bestimmten Ort oder Tag eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer befürchten lässt. Dies wird durch die Fassung des vorliegenden Entwurfs deutlich gemacht. Zum anderen setzt die Würde der Opfer des Nationalsozialismus auch eine Grenze für Inhalte von Versammlungen: Versammlungen, die eine Volksverhetzung zum Gegenstand haben, werden nicht geduldet.

Die Regelungen zu den Bild- und Tonaufzeichnungen sind unter Beachtung der Versammlungsfreiheit auf das für die Polizei notwendige Maß begrenzt und zugleich gegenüber dem bisherigen Bundesgesetz deutlich präzisiert worden.

In der Gesamtbewertung bin ich der Überzeugung, dass der vorliegende Gesetzentwurf zum einen dem hohen Wert der Versammlungsfreiheit gerecht wird und zum anderen die richtige Grundlage schafft, um die aktuellen Herausforderungen beispielsweise durch extremistische Versammlungsgeschehen zu bewältigen.

Mit diesem zeitgemäßen und anwenderfreundlichen Gesetz verbessert sich die versammlungsrechtliche Situation in Niedersachsen maßgeblich. Dies gilt für die Versammlungsbehörden und die Polizei, vor allem gilt dies aber für alle, die friedliche Versammlungen veranstalten, leiten oder an ihnen teilnehmen wollen."

Der vollständige Gesetzentwurf wurde vom Bündnis gegen das neue niedersächsische Versammlungsgesetz veröffentlicht und findet sich hier.

Foto: aus einem Plakat der BI

 

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2010-02-25 ; von asb (autor),

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