Geht es nach Dr.-Ing. Rudolf Breimeier, dann führt die neue
Eisenbahntrasse für den Güterverkehr aus den norddeutschen Häfen über
Dannenberg und Dömitz nach Wittenberge. Am Montag stellte der
pensionierte Bahnplaner seine "Trassenidee" dem Verkehrsausschuss vor. UPDATE!
Beim letzten Dialogforum Schiene Nord war der im Auftrag des
Verkehrsclub Deutschland (VCD) erarbeitete Vorschlag überraschend mit in
die Untersuchungen verschiedener Trassenmöglichkeiten aufgenommen
worden - wnet berichtete
. Nach diesem Vorschlag soll ein Teil des Güterverkehrs aus den
norddeutschen Häfen über Lüneburg, Dannenberg und Dömitz nach
Wittenberge laufen, um von dort aus Richtung Südosten weitergeführt zu
werden. Für die CDU im Kreistag war die Aufnahme in den weiteren
Dialogprozess Grund genug, die beiden Eisenbahnplaner Dr.-Ing. Rudolf
Breimeier und Carsten Hein in den Verkehrsausschuss einzuladen, um sich
Details der "Breimeier-Variante" erläutern zu lassen.
Hintergrund: Die Auswahl mindestens einer neuen Eisenbahntrasse für
den Gütertransport auf der Schiene ist nach Ansicht von Fachleuten
dringend notwendig, da die vorhandenen Strecken die ständige steigende
Güterlast kaum noch verkraften können.
Wie Breimeier darstellte, hat sich der Güterverkehr über die Schiene seit 2003 mehr als verdoppelt - auf der Strecke Lüneburg - Celle sei außerdem eine weitere Verdoppelung der Güterzüge zu erwarten (von jetzt 140 Zügen am Tag auf 290 Züge am Tag). "Die Kapazitätsaufstockung muss jetzt so schnell wie möglich erfolgen," warnte Breimeier vor einem möglichen Kollaps auf den beiden Hauptverkehrsadern, die von Nord nach Süd führen.
"Eine bereits vorhandene Strecke nutzen"
Für Dr. Rudolf Breimeier ist seine Idee, die Trasse zunächst gen
Osten zu führen, eine sinnvolle Lösung für eine Entlastung der
Hauptstrecken. "Zwischen Bremerhaven und Berlin gibt es bereits eine
historische Trassenverbindung, die zu 60 % noch existiert," so
Breimeier. Außerdem sei über diese Strecke auch die Anbindung nach
Hamburg bereits vorhanden. "Verkehrsstromtechnisch ist diese Strecke
optimal", ist Breimeier überzeugt. Hier seien nur wenige bis gar keine
(neuen) Zerschneidungseffekte in der Landschaft zu befürchten.
Nur auf wenigen Kilometern müssten völlig neue Strecken gebaut werden, ansonsten könne die gesamte Strecke bis Wittenberge durch Ausbau oder Reaktivierung still gelegter Trassen für den Güterverkehr verfügbar gemacht werden. Selbst beim Bau einer neuen Eisenbahnbrücke über die Elbe würden die Kosten laut Breimeier nicht höher ausfallen als bei den anderen in der Diskussion befindlichen Trassenvorschlägen.
Auch der weitere Verlauf der Strecke von Wittenberge Richtung Süden
sei bis nach Bayern aus alten Planungen bereits vorhanden, so Breimeier.
"Für die Region eröffnen sich durch die Anbindung bisher nicht an das Schienennetz angeschlossener Orte auch für den Personennahverkehr völlig neue Möglichkeiten," so Breimeier. So könnte zum Beispiel von Dannenberg aus die Strecke nach Ludwigslust wieder aktiviert werden oder die Strecke Dannenberg - Lüchow - Salzwedel. Des weiteren würden sich die Fahrzeiten von Dannenberg nach Hamburg von 1 Stunde 50 Minuten auf 1 Stunde 10 Minuten minimieren. Berlin sei von Dannenberg aus dann sogar in 1 Stunde 20 Minuten zu erreichen - im Moment dauert diese Fahrt über drei Stunden, da es von Dannenberg aus keine direkte Anbindung nach Wittenberge gibt.
Eine Einschätzung, die von Dr. Carsten Hein, beratender Ingenieur im
Eisenbahnwesen, etwas einschränken musste. Der Ingenieur hatte
Breimeiers "Trassenidee" für den VCD in einer Studie präzisiert. Was die
Erweiterung des Personenverkehrs in der Region angeht, so wies Hein
darauf hin, dass es verstärkte Anstrengungen der interessierten
Landkreise bedarf, um verbesserte Zugverbindungen zu erreichen. Denn den
Betrieb und den Erhalt von Personenverkehrsstrecken müsse das Land
finanzieren. Derzeit seien keine Gelder für zusätzliche Strecken in die
Landeshaushalte eingestellt. "Da müssen Sie rechtzeitig vorsprechen, um
die notwendigen Gelder bewilligt zu bekommen," warnte Hein die
Kreistagsabgeordneten.
Aber auch Hein unterstützt die von Dr. Breimeier entwickelte
Trassenidee, sieht für die Landkreise durchaus Vorteile, da eine
attraktivere Verkehrsanbindung an die Region geschaffen würde.
Ungeklärte Fragen: Lärmschutz, Naturschutz, örtliche Problemlagen
Bei den Kreistagsabgeordneten kam der positive Vortrag der beiden Eisenbahnplaner nur bei den CDU-Abgeordneten gut an. Christian Carmienke und David Beecken betonten den unverzichtbaren Nutzen für die Region. Carmienke war gar davon überzeugt, dass durch die neue Vekehrsanbindung der dann mögliche Berufspendelverkehr viele Hamburger nach Lüchow-Dannenberg locken werde.
Für die VertreterInnen der anderen Parteien blieben jedoch noch viele Fragen offen. Kurt Herzog (SOLI) wies auf ungeklärte Landschafts- und Naturschutzprobleme hin, desweiteren sei der Lärmschutz nicht geklärt. Außerdem wies Herzog darauf hin, dass sich bei dem von Breimeier immer wieder gern zitierten Modellprojekt die Kosten sich im Laufe des Planungsverfahrens um das Achtfache erhöht hätten. Udo Sperling war schon einen Schritt weiter: er interessierte sich dafür, wie denn die komplizierte Lage der Gleise im Ort Jameln in die später mögliche Strecke von Lüchow nach Dannenberg eingebaut werden könnte.
Doch Dr. Breimeier und Carsten Hein blieben konkretere Antworten
vorerst schuldig. "Wir haben jetzt erst einmal eine Grobplanung
vorgelegt, die konkrete Problemlagen nicht berücksichtigt," so die
beiden Planer. Lärmschutzvorgaben seien gesetzlich geregelt und bei der
präzisen Feinplanung dementsprechend zu berücksichtigen, ebenso verhalte
es sich mit Naturschutzbelangen und konkreten Ortsproblemen. "Alle
diese Fragen können wir erst beantworten, wenn diese Trassenführung in
die Detailplanung genommen wird," so Breimeier und Hein. Und: natürlich
könnten Kostenschätzungen, die zu diesem Zeitpunkt vorgenommen würden,
nur grobe Anhaltspunkte sein.
Wenn das Dialogforum seine Trassenvorschläge eingereicht habe, werde
das Bundesverkehrsministerium nach einem "standardisierten
Bewertungsverfahren" die Trassenvarianten u.a. auf die Kostenfrage hin
durchprüfen. In diesem Verfahren würden dann wesentliche detailliertere
Planungsfragen geprüft als es zum jetzigen Zeitpunkt möglich sei, so die
beiden Planer.
"Letztendlich wird dann ein förmliches Raumordnungsverfahren mit den
darin vorgesehenen Beteiligungsverfahren eingeleitet," betonten
Breimeier und Hein. An dieser Stelle komme dann wieder der Landkreis ins
Spiel, der seine konkreten Einwendungen vorbringen könne.
Insgesamt
wird das gesamte Verfahren wohl mindestens rund 20 Jahre dauern, bevor
bei Dannenberg Güterzüge vorbeirollen - wenn es denn jemals dazu kommt.
Denn wie gesagt: wenn das Dialogforum die "Breimeier-Variante" verwirft,
hat sie nach allgemeiner Einschätzung keine Chancen auf Durchsetzung.
Übrigens: am Freitag, dem 24. April, findet die nächste Sitzung des Dialogforums statt. Sie wird im Internet live übertragen. An der Sitzung werden als stimmberechtigte neben VertreterInnen der betroffenen Samtgemeinden ein Vertreter des Landkreises sowie einer regionalen Bürgerinitiative teilnehmen. Ein weiterer Zuschauerplatz ist ebenfalls für eine/n VertreterIn örtlicher Bürgerinitiativen reserviert.
UPDATE 23.4.2015: noch während in Lüchow der Vorschlag des VCD diskutiert wurde, veröffentlichte das Dialogforum Schiene Nord ein Gutachten, in dem der Trasse in einer "ersten gesamtwirtschaftlichen Einschätzung" wirtschaftliche Sinnlosigkeit attestiert wird. Nun wird das Dialogforum Schiene Nord entscheiden, wie es mit diesem Gutachten umgehen wird. Das Beteiligungsforum kann sowohl entscheiden, die sogenannte "VCD-Variante" jetzt schon aus dem Rennen zu nehmen als auch das Gutachten anzuzweifeln und neue Berechnungen einzufordern.
Grafik: Allein die geplante Durchfahrt von Dömitz (pinkfarbene Linie) bzw. deren südliche Umfahrung (blaue Linie) zeigt beispielhaft die Probleme des Trassenfindungsverfahrens: zwischen Dannenberg und Dömitz führt die vorgeschlagene Trasse durch das Biophärenreservat Niedersächsische Elbtalaue, teilweise sogar durch den höchsten Schutzstatus C.