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Wolfsabschuss: eine Maßnahme der Gefahrenabwehr

Am frühen Nachmittag informierte der Niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel persönlich über die Gründe für die Tötung eines männlichen Wolfs aus dem Munsteraner Rudel. "Kurti" wie ihn Medien getauft hatten, war am Mittwoch Abend von einem Polizeibeamten erschossen worden.

Wie der Minister in Hannover vor der Landespressekonferenz informierte, wurde "Kurti" am Mittwoch Abend kurz nach 20 Uhr erschossen. Eine vorherige Betäubung sei nicht möglich gewesen, da es dem ausführenden Polizeibeamte nicht möglich war, nah genug an den Wolf heranzukommen.

Die Tatsache, dass der Wolf sich am vergangenen Woche Spaziergängern bei Celle so sehr genähert hatte, dass er durch eine Menschengruppe sogar hindurchlief, um einen angeleinten Hund zu beißen, war für das Ministerium Anlass, die Entnahme des Tieres vorzubereiten, so Wenzel.

Zuerst sei allerdings geplant gewesen, den betäubten Wolf in ein Gehege nach Springe zu bringen. Naturschutzverbände wie z.B. der WWF hätten allerdings protestiert, da sie die Haltung eines Wildtieres in einem Gehege für eine noch größere Tierquälerei hielten. Letztendlich hatte dann auch der BUND (Bund für Naturschutz Deutschland) die Tötung des Wolfes unterstützt, wenn auch unter der Voraussetzung, dass das Tier vorher betäubt wird.

"Nichts, worüber man sich freuen kann"

"Nach den Ereignissen am Wochenende mussten wir feststellen, dass die Vergrämungsmaßnahme nicht den gewünschten Erfolg gezeigt hat," begründete Wenzel die Entscheidung für die Entnahme. "Über den Ausgang der Maßnahme kann sich niemand freuen," bedauerte Wenzel die letztendliche Entscheidung für den Abschuss. "Aber um Gefahren für die Menschen abzuwehren, haben wir uns dazu entschieden. Wir wollen nicht, dass Menschen Angst vor Wölfen haben müssen." Das gehöre auch zum Wolfsmanagement, derartige Entscheidungen zu treffen. 

Bevor es zum Abschuss kommen konnte, musste zunächst die Ausnahmegenehmigung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten-, und Naturschutz (NLWKN) als zuständiger Fachbehörde eingeholt werden. Zudem mussten diverse Abstimmungen nach dem Artenschutzgesetz mit den unterschiedlichsten Behörden und Naturschutzverbänden durchgeführt werden. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber letztendlich so entschieden, um auch die Akzeptanz für die Rückkehr der Wölfe in Niedersachsen hoch zu halten," so Wenzel.

Der Abschuss von "Kurti" hat auch historische Bedeutung: es ist in Deutschland der erste Abschuss seit langer, langer Zeit, der wegen Gefährdung von Menschen bewusst durchgeführt wurde. Bisher waren Wölfe in Deutschland lediglich nach Verletzungen oder wegen Krankheit erschossen worden. "In Europa ist das allerdings schon öfters vorgekommen," so Wenzel. Der Umweltminister hofft nun, dass sich nach der langen Beobachtung ("Kurti" war seit Mitte letzten Jahres besendert) mehr Wissen über die Lebensweise von Wölfen gewinnen lässt. 

Warum kein weiterer Versuch der Vergrämung?

Eine zweite Vergrämungsmaßnahme habe nach Aussage des schwedischen Experten Jens Karlsson vom Swedish Wildlife Dammage Centre wenig Sinn gemacht, da der Wolf sich auf weniger als 30 m den Menschen genähert habe.

Experten sind der Ansicht, dass der jetzt abgeschossene Wolf in seiner Jugend gelernt hatte, dass die Nähe von Menschen förderlich sein kann - zum Beispiel weil Jäger Jagdabfälle im Wald liegen lassen, Waldbesucher Essensreste liegen lassen oder die Wölfe gar gezielt anfüttern. Deshalb galt Wenzels Appell allen, die sich im Wald aufhalten, dort keine Essensreste oder Abfälle liegen zu lassen. Auch die Jäger sollen die Abfälle von ausgeweideten Tieren nicht mehr - wie so oft üblich - im Wald liegen lassen.  "Wir müssen davon ausgehen, dass es in der Jugend dieses Tiere solche Anlässe gegeben hat, die ihn die Scheu vor Menschen haben verlieren lassen," so Wenzel.

Niedersachsen hat laut Wenzel die Anwesenheit des schwedischen Experten genutzt, um eigene Leute in der Vergrämung fortzubilden. "Wir werden uns bei den nächsten Gelegenheiten zwar zunächst wieder des schwedischen Experten bedienen, aber parallel dazu unsere Kompetenz weiter aufbauen, damit wir bald autark sind," kündigte Wenzel an.

Gibt es weitere "Problem"wölfe?

Nach Kenntnis des Ministers gibt es zur Zeit in Niedersachsen keinen weiteren Wolf, bei dem sich eine solch radikale Maßnahme rechtfertigen ließe. "Die Tierrisse haben in der Regel nur in Gehegen stattgefunden, die keine wolfssicheren Zäune aufwiesen - das ist kein Grund für eine Entnahme," so Wenzel. Aber es sei von Fall zu Fall zu beobachten, wie das jeweilige Tier sich verhält und welche Maßnahme dann sinnvoll ist. "Ich hoffe, dass es ein Einzelfall bleibt, aber ausschließen kann man es natürlich nicht, dass ein weiterer Wolf auffällig wird. Nach dem Artenschutzgesetz ist auf jeden Fall zunächst das mildeste Mittel anzuwenden," so Wenzel weiter. Bei den insgesamt rund 70 Tieren in Niedersachsen sieht der Minister derzeit keinen Wolf, der ähnlich dicht an die Menschen herankommt wie "Kurti" es tat.

Kurtis Schwester "FT10" scheint sich jedenfalls bisher gut zu benehmen, sprich: sie bleibt dem Menschen fern. Befürchtungen, "Kurti" könnte seine Neigung für Menschen in der Familie gelernt haben, bisher unbegründet erscheinen.

"Das Beispiel des Wolfs MT 6 zeigt, dass der Umgang mit Wildtieren im Verhältnis von Mensch und Natur immer wieder auch zu Konflikten führen kann," so Wenzel. "Die Diskussion über die Rückkehr der Wölfe wird sowohl politisch als auch in der Bevölkerung zum Teil mit großer Emotionalität geführt. Alle Beteiligten sind gut beraten, sich beim Wolfsmanagement auch in Zukunft mit großem Respekt vor der Natur und streng an den Maßgaben der gesetzlichen Vorschriften orientiert zu verhalten."

Der tote Wolf wird nun in einem Institut in Berlin untersucht. Über den Verbleib des Körpers ist noch nicht entschieden worden.

Foto / Kenny Kenner (Wolfsberater in der Göhrde):
Wölfe leben auch in der Göhrde (dies ist KEIN Foto von "Kurti")



2016-04-28 ; von asb (autor), pm (autor),
in Hannover, Deutschland

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