Widerstandsparty: Zwischen Familienfest und Kundgebung

Am Freitag war Widerstandsparty am Erkundungsbergwerk. Mit tausenden Besuchern wurde die Anti-Gorleben-Proklamation der Kulturellen Landpartie zu einem bunten Familienfest mit Politinformationen, Kitsch, Kult und Kommerz.

Ein bißchen ist es am Freitag nahe des Erkundungsbergwerks so wie früher, als die Castortransporte noch mitten im Sommer stattfanden und aus allen Ecken der Republik bunte Grüppchen nach Gorleben zogen, um sich in den Wäldern häuslich einzurichten und von dort aus gegen die Transporte zu demonstrieren.

Rings um die "Beluga II", dem ehemaligen Greenpeace-Aktionsschiff, geht es genauso bunt zu wie in den "Castorcamps" vergangener Jahre. Handbemalte alte Busse, improvisierte Sitzmöglichkeiten, Essen aus der "Volxküche", Anti-Atomwaffeln vom selbst gebauten Waffeleisen mit Holzbefeuerung. So mancher fühlt sich in der Zeit versetzt - 30 Jahre zurück, als die Haare noch lang und die Kleider bunt waren. 

Hängematten, Räucherzubehör, Reikiangebote oder kraftbringende Mineralien sind die Accessoires moderner "Hippies" - durchaus interessiert wahrgenommen vom überwiegend bürgerlichen, überwiegend "mittelalterlichen" Publikum, das sich aber genauso für die Produkte der rund 30 Künstler und KunsthandwerkerInnen interessiert, die ihre Stände in Gorleben aufgebaut. 

Irgendwie ist es eine Mischung aus Markt, Kunstausstellung und Politmesse, die sich in Gorleben als "Widerstandsparty" präsentiert.

Vom "Flugblatt" zum "Roll Up"

Doch bei den meisten Infoständen wird deutlich, dass sich die Zeiten sehr geändert haben: statt handgeschriebener Flugblätter gibt es professionell gedruckte Flyer und Broschüren sowie ausgefuchste Merchandising-Artikel. Hier die Pfefferminz-Tabletten gegen einen Grohnde-Störfall (im Anklang an die Empfehlungen der 60er Jahre, rechtzeitig Jodtabletten zu essen), robuste Streichhölzer zur Erinnerung an den Anti-Gorleben-Protest oder nachgebildete Atomfässer in Dosenform - gefüllt mit Wildkräutersalz. Von Salinas natürlich, dem aus dem Gorlebenwiderstand geborenen Salzabbaunternehmen. Das sein Salz aber bis heute aus einer kleinen niedersächsischen Saline bezieht - der gerade erst bestätigten Veränderungssperre für den Untergrund rings um das Erkundungsbergwerk geschuldet, die sämtliche untertägigen Arbeiten verbietet.

Auch die Campaigner von Greenpeace sind natürlich mit in Gorleben. Sie haben längst gelernt, wie Menschen zu agitieren sind: mit hochmotivierten "Streeetworkern", die ihre Botschaften per Direktkontakt weitergeben. Dieses Mal sind es Postkarten, an die japanische Botschaft in Berlin gerichtet, die den japanischen Premierminister bitten, seine Pläne für den Neustart der Atomreaktoren aufzugeben.

Mit Zeitleiste und Faßschaukeln für mehr Aufklärung

Hintergrund der Widerstandsparty ist der unbedingte Wille der Kulturellen Landpartie-Organisation, auf die politischen Wurzeln der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe hinzuweisen. Nach langen und heftigen internen Debatten einigte man sich schließlich auf den Freitag als gemeinsamen Aktionstag - den für Besucher günstigeren Samstag mochte niemand der Aussteller als "geschlossenen" Tag hergeben. Eigentlich sollen an diesem Tag alle KLP-Punkte geschlossen sein - aber schon in der nahen Umgebung von Gorleben zeigt sich, dass dieser Anspruch nicht wirklich durchgängig eingehalten wird.

Letztendlich sind es rund 30 der über 600 teilnehmenden Aussteller der Kulturellen Landpartie, die sich an der Widerstandsparty konkret beteiligen. Die meisten beschränken sich auf die Präsentation ihrer Produkte. Einige haben sich jedoch die Mühe gemacht, mit eigenen Installationen auf die Problematik der Endlagerung hinzuweisen. So zum Beispiel Rolf Kobernuss und Andreas Scheffer, die eine Zeitleiste aufgebaut haben, anhand derer sie die Zeitdimensionen bis zum Halbwertszerfall der radioaktiven Isotope verdeutlichen wollen. Doch dieses Ansinnen stellt sich schnell als kaum darstellbar heraus. Denn selbst das relativ kurzlebige Uranium 234 hat eine Halbwertszeit von 245.500 Jahren. Bei einer Annahme von 3 mm, die ein Jahr repräsentieren sollen, müsste das Schild, dass den Zeitpunkt der Halbierung der radioaktiven Zerfalls markiert, in über 7 km Entfernung aufgestellt werden.

Mit einer Installation von Faßschaukeln weist der Wasserexperte Erich Bäuerle auf die Unsicherheit angeblich so sicherer Behälter hin.

Wie wichtig es zu sein scheint, Besuchern immer noch und immer wieder die Problematik mit dem Atommüll und einem womöglichen Endlager in Gorleben nahe zu bringen, ist mehrfach von den in Gorleben Aktiven zu hören. "Immer wieder sind Besucher bass erstaunt, wenn sie hören, dass die Castorbehälter gar nicht unter der Erde liegen, sondern in einer dünnwandigen oberirdischen Halle untergebracht sind," so einer der Aussteller. Bei vielen Besuchern ist auch spürbar, dass sie die Auswirkungen der jahrzehntelangen Debatte um ein Endlager auf die Bevölkerung im Wendland bisher nicht einschätzen konnten.

Wieviel die mehrere tausend zählenden Besucher der Widerstandsparty letztendlich wirklich von der Endlagerproblematik wissen wollten, bleibt im Dunkeln. Tatsache ist, dass die endlos langen Schlangen von am Straßenrand parkenden Autos sich vom Ort Gorleben bis nach Gedelitz zogen - und viele, viele auswärtige Kennzeichen hatten - von Mainz über Kleve oder Lübeck bis Freiburg schienen Besucher aus der ganzen Republik nach Gorleben gekommen zu sein.

Tatsache ist auch, dass es der gemeinsam Aktion von Kultureller Landpartie und Bürgerinitiative gelungen ist, ein richtig gutes Fest zu präsentieren, dass sich mit Theateraufführungen und Konzerten bis in den Abend zog. Die Kombination von (teilweise schrägen) Marktständen, Theater, Musik und Mitmachaktionen gab dem Ganzen eine Leichtigkeit, die die geballte Power von rund zwanzig Infoständen von ihrer Inhaltsschwere befreite.

Fotos / Angelika Blank: Als buntes Familienfest mit Marktcharakter entpuppte sich die Widerstandsparty im Gorlebener Wald.





Fotos

2015-05-23 ; von Angelika Blank (autor),
in Gedelitzer Straße, 29475 Gorleben, Deutschland

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