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Nachruf: Adi Lambke - "In Frieden gehen, wenn es Zeit ist"

Berühmt wurde Adi Lambke mit seinem Trecker. Die Bilder des blutüberströmten Landwirts, den die Polizei mit Schlagstöcken aus seinem Gefährt geprügelt hatte, gingen 1996 durch die Medien. In der vergangenen Woche starb der widerständige Landwirt im Alter von 82 Jahren. Herbert Waltke, langjähriger Freund und Hausarzt, würdigt Adi in einem Nachruf.

Es war ruhig geworden um Adi in den letzten Jahren. Im September 2010 habe ich ihn das letzte Mal dazu überredet, zu einer Veranstaltung mitzukommen. Das war die Podiumsdiskussion der BI mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Dannenberger Schützenhaus. Anschliessend sagte er zu mir: "Zu sowas brauchst Du mich zukünftig nicht mehr abzuholen!"

Klare Ansage, wie immer bei ihm. Für mich schwer zu begreifen, denn so kannte ich ihn bisher nicht. Ich kannte bisher nur den "anderen" Adi: "Diskutieren und Widerstand leisten, wo es wichtig ist." Der Adi, den ich immer bewundert habe. Der Bauer, der 1977, schon in seiner Lebensmitte, als viele andere satt, zufrieden und fortschrittsgläubig die Hände in den Schoß legten, in der Lage war, über den Tellerrand zu blicken und sich dem Lug und Trug der Atommafia mit allem, was er besaß, in den Weg zu stellen.

Der Adi, der wegen Gorleben der FDP den Rücken kehrte und dann als einer der ersten Grünen im Kreistag saß. Der Adi, der erst dann zufrieden war, wenn alle seine Trecker auf Demos oder Aktionen in Bewegung waren. Der Adi, der, wenn er dabei sein konnte, selbstverständlich als erster den Treckerzug anführte, unverwechselbar auf seinem Fendt, die Wendlandfahne auf der einen und die mit dem Bundschuh auf der anderen Seite. Der Adi, der bis zuletzt beharrlich um seinen Blockadetrecker kämpfte, den die Polizei sich rauszurücken weigerte, weil er von Justitia als "Wiederholungstäter" (wohlgemerkt: der Trecker, nicht Adi) eingestuft wurde, worüber er aber gar nicht lachen konnte.

Und natürlich der Adi, der 1996 , ohne zu zögern, mit seinem Trecker auf die Jamelner Kreuzung fuhr, um die Sitzblockierer vor dem anrückenden Wasserwerfer zu schützen und der sich dabei, von aller Welt beobachtet, eine blutende Nase holte. Der Adi, der mit dieser Aktion zwar ungewollt, aber dennoch verdientermassen eine Wende im Widerstand einleitete: Vielen Unbedarften wurde schlagartig klar, was für eine brutale und blutige Angelegenheit der "Atomstaat" in der Realität ist. Aber, und auch das ist letztendlich Adis Verdienst: Viele hatten keine Lust mehr, "nur" zu demonstrieren, hatten spätestens jetzt den letzten Respekt vor diesen "Ordnungshütern" verloren, waren gern und stolz das "unappetitliche Pack" und waren entschlossen, andere Aktionsformen zu beginnen.

Der Adi, der vor unseren Blockadeaktionen selbstverständlich trotz beidseitigen künstlichen Kniegelenken nur mit Isomatte auf Scheunenbeton übernachtete und der erst in den allerletzten Jahren mit vereinten Kräften und mit Zureden seiner Frau Elli dazu gebracht werden konnte, zu Hause zu schlafen- aber nur gegen das Versprechen, daß er es als erster erfährt, wenn die Aktion geklappt hat. Der Adi, der 2009 sofort Feuer und Flamme war, als ich ihm zögernd (wegen seines schon angeschlagenen Gesundheitszustandes) von dem Plan erzählte, kurz vor der Bundestagswahl zum Auftakt des Berlin-Trecks eine Familien-Pyramiden-Aktion vor dem Kanzleramt zu machen.

Der Adi, der unermüdlich und mit grossem finanziellen Einsatz erfolgreich gegen die Nachbau-Gesetze kämpfte. Der Adi, der .... und jetzt könnte ich problemlos weitermachen, ein Beispiel an das andere reihen, und viele andere, die ihn kannten, könnten das auch.

 "In Frieden gehen, wenn es Zeit ist."


Den anderen Adi lernte ich erst vor 3 Jahren im Krankenhaus kennen, als sein Leben nach schwerer Krankheit am seidenen Faden hing und ich immer mehr den Eindruck gewann, daß er gehen wollte. Als ich mich dann traute, die Frage zu stellen, sagte er "nein", er wolle noch bleiben. Ich bin mir im Nachhinein nicht mehr sicher, ob er vielleicht nur wegen seiner Lieben sich so entschieden hat. Aber es war eine Wende nach innen, die schon bald für alle sichtbar und spürbar wurde, die mit ihm zu tun hatten.

Zuerst verließ er seinen Platz am PC mit dem Riesen-Bildschirm, auf den er wegen seines immer schlechter werdenden Augenlichts schon seit Langem angewiesen war. Er ließ sich vorlesen. Die "EJZ", die grüne Zeitung und alles, was mit Nachbau und Gorleben zu tun hatte. Zuerst täglich, dann 2 Mal pro Woche und ganz zuletzt nur noch 1Mal . Er wurde stiller. Und ruhiger. Und, das war mein Eindruck, friedlicher und vielleicht sogar auch zufriedener. Die letzten Wochen war er ganz still.

Da wußten alle, daß er sich auf den Weg gemacht hat. Und so ging er auch seine letzten Schritte, ganz still, ohne Schmerzen, ohne Angst, in seinem Hause, und seine Elli war bei ihm.

Zum Castortransport 2005 hatte Greenpeace Adi Lambke gebeten, die Geschehnisse zu kommentieren ... hier! gehts zum Video.

Foto:
Andreas Schoelzel/ Adi Lambke im November 2006




Fotos

2013-02-05 ; von Herbert Waltke (autor),
in Jameln, Deutschland

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