Kulturelle Landpartie: Artenreich Höhbeck - zwischen Naturidyll und Kunstbunker

Wo die Deutsche Telekom bis vor einigen Jahren deutsche Funk- und Fernsehgeschichte schrieb, sind Ökologen und Künstler eingezogen: der Verein "Artenreich Höhbeck" hat sich auf der ehemaligen Funkstelle eingenistet und lädt zu vielfältigen Erlebnissen ein.

Einer der seltsamsten Orte in der Kulturellen Landpartie dürfte das "Artenreich" auf dem Höhbeck sein. Nach einem kurzen Fußweg durch einen idyllischen Naturwald, an dessen Wegrändern immer wieder wilde, skurrile, aber auch schlichte Skulpturen auftauchen, öffnet sich der Wald auf das ehemalige Betriebsgelände der Deutschen Telekom. Ein altes Betriebsgebäude, ein Funkturm sowie ein futuristisch anmutender Bunker - alles verbunden mit Industriecharme versprühenden Betonplatten - erinnern daran, dass hier seit Anfang der 60er Jahre Funk- und Fernsehgeschichte geschrieben worden war. Denn die "Funkübertragungsstelle" auf dem Höhbeck sorgte dafür, dass West-Berlin mit Funk- und Fernsehdaten versorgt wurde. Dadurch profitierten auch diverse DDR-Bürger entlang der Funkstrecke von den Anlagen auf dem Höhbeck - sie konnten "West"-Fernsehen empfangen. (Die Geschichte der Funktürme ist hier! nachzulesen). Was in der offiziellen Geschichte nicht steht: Mitarbeiter der amerikanischen Armee spähten vom Höhbeck aus jahrelang für die National Security Agency (NSA) Ziele im Osten Deutschlands aus.

Der Höhbeck blieb von diesem Geschehen unberührt. In all den Jahrzehnten schlief das mehrere Hektar große Waldgelände rings um die abgesperrte Funkstelle einen heilsamen Dornröschenschlaf. So konnte es dazu kommen, dass sich dort eine Artenvielfalt entwickelte wie sonst kaum woanders. Nach NABU-Zählungen sollen hier 2300 Arten beheimatet sein. neben Silbergras wächst auf den Trockenwiesen am Südhang Karthäusernelke oder Feldmannstreu ebenso wie die seltene Wiesenküchenschelle. Nicht zu reden von all den seltenen Tieren, die sich auf dem Höhbeck tummeln. Nachtigallen zum Beispiel sind am Höhbeck oft zu hören - und Grau- und Silberreiher sind an den Flussufern ebenfalls keine Seltenheit.

Artenreich Höhbeck - mit vergessenen Methoden für den Erhalt arbeiten

Der Verein "Artenreich Höhbeck" hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, diese Artenvielfalt zu erhalten und durch eigene Anpflanzungen auch für Nachzucht zu sorgen. Der befreundete Landschaftspflegehof von Stefan Reinsch bedient sich hierfür beinahe vergessener Methoden, die noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts gebräuchlich waren: Typisch für den Höhbeck waren z.B. die offenen Flächen, wie Sandtrockenrasen, Heideflächen und Streuobstwiesen. Zum Einsatz kommen daher Schafe, Sensen und kleine, leichte Trecker.

Das Betriebsgelände dient daneben mit über 90% Flächenanteil als Anlage einer Wildpflanzengärtnerei, mit der der Genpool der heimischen Flora bewahrt und vermehrt werden soll. Mit der Rekultivierung von Wiesen, Obstplantagen und Kräuterbeeten will Reinsch in Zusammenarbeit dem "Artenreich Höhbeck" Verein zudem die Grundlage für die Produktion einer Vielzahl eigener, regionaler Produkte wie Gemüse, Obst, Most oder Bier geschaffen.

Zur Kulturellen Landpartie öffnet sich das "Artenreich" für Besucher und bietet zehn Tage lang Erlebnisse der besonderen Art an. So kann zum Beispiel der Höhbeck und seine vielfältige Flora und Fauna zu Fuß erkundet und vom Wasser aus (auf Mannschaftskanadiern) betrachtet werden. Bei geführten Wanderungen über die in der Eiszeit entstandene Erhebung lässt sich viel über essbare und heilende Wildpflanzen lernen. Und ein "Rendezvous mit dem Sensenmann" lädt dazu ein, auszuprobieren, wie eine Wiese mit der Handsense statt mit dem Rasenmäher geschnitten wird.

Für Kletterfreaks gibt es auf dem Höhbeck ein ganz besonderes Angebot: unter Profianleitung + komplettem Sicherheitsequipment kann der auf dem Gelände stehende ca. 40 m hohe Funkturm beklettert werden. Bei klarem Wetter wird die Kletterpartie mit einem Ausblick weit in die Prignitz hinein belohnt.

Die Termine für diese und weitere Veranstaltungen können hier! als pdf-Datei heruntergeladen werden. 

Werner Götz im Kunstbunker

Im ehemaligen Bunker auf dem Betriebsgelände hat die Werksammlung des im Mai 2013 verstorbenen Gartower Malers und Bildhauers Werner Götz eine (vorläufige) Heimstatt gefunden. zur Kulturellen Landpartie hat Götz' Tochter Anna Lilly Götz rund ein Dutzend Skulpturen an die Luft gesetzt. Präsentiert am Wegesrand, der durch den Naturwald zum Betriebsgelände führt, wirken die teils fragilen, teils kräftigen Holz- und Metallskulpturen, als hätten sie endlich ihren natürlichen Standort wieder gefunden.

Täglich um 16.00 Uhr führt Anna Lilly Götz durch die Sammlung ihres Vaters, erzählt über sein Leben, informiert über seine Methoden und Herangehensweisen. Der wnet-Nachruf zum Tode des Künstlers lässt sich hier! nachlesen.



Fotos

2015-05-16 ; von Angelika Blank (autor),
in Funkstelle 1, 29478 Höhbeck, Deutschland

kulturelle landpartie  

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