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Auf der Suche nach dem guten Leben - Andrang beim Tiny Living Festival

Tausende Besucher strömten am Wochenende auf das Tiny Living Festival in Prießeck. Jung und alt, aus dem Wendland und von außerhalb - das Publikum war außerordentlich gemischt. Genauso wie die Präsentationen und die Interessen.

Es ist ein richtiger Hype, der das Land erfasst hat. Bei Google ergibt der Begriff "Tiny House" 658 Millionen Treffer. Selbst Tchibo bot vor einiger Zeit Tiny Houses zum Schnäppchenpreis an. Ist es nur der Spaß am Häuschen-Bau oder steckt mehr hinter dieser immer größer werdenden "Community"?

Auf dem Prießecker "Tiny Living Festival" wurde deutlich, dass Bewegung mehr will als nur günstige, kleine Häuschen zu bauen und zu bewohnen.

Es geht um Nachhaltigkeit, um Reduzierung im Verbrauch, um einen "zeitgemäßen Lebensstil", wie es die Veranstalter des Festivals nennen. Ganz bewusst hatten sie das dreitägige Event "Festival" genannt. "Spaß am Lernen" wolle man befördern und "Offenheit für inspirierende Ideen" hieß es bei den Eröffnungsreden am Freitag.

Zu Lernen gab es denn auch Einiges. In mehreren Zelten ging es von morgens bis abends um die verschiedensten Themen, die es im Zusammenhang mit Tiny Houses zu diskutieren gibt. Von den rechtlichen Voraussetzungen über innovative Baumaterialien bis hin zur Vorstellung komplexer Projekte wie das Tiny-House-Dorf Lilleby konnten die Besucher sich rundum informieren.

Hinter allem stand immer wieder die Frage: wie wollen wir in Zukunft leben?

Wohnen und Arbeiten 5.0

Wohn- und Lebenskonzepte für die Zukunft beziehen längst auch die Möglichkeiten der Digitalisierung ein. Verschiedene Projekte sehen hierin Chancen für die Entwicklung einer nachhaltig orientierten Ökonomie. Das von der Heinrich-Böll-Stiftung protegierte Projekt "Coworkland" will z. B. nichts weniger als die "Region digital". Die Idee dahinter ist, dass sich in einer digitalisierten Welt Arbeiten und Wohnen grundsätzlich verändern werden. "Dann werden Menschen in Zukunft – ständig oder temporär – dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. An den Küsten, Buchten und Seen des Nordens. Dann werden die innovativen Energien der creative class der Metropolen und der Pioniere im ländlichen Raum gemeinsam neue Impulse für eine neue nachhaltige Ökonomie setzen ," heißt es in einer Projektbeschreibung der Heinrich-Böll-Stiftung. Inzwischen gibt es einige Coworking-Projekte, die sich als Genossenschaft zusammengetan oder zumindest Coworking-Spaces gegründet haben.

Auch das Projekt "LÜDIA" (Lüchow-Dannenberg im Aufbruch) nutzt digitale Medien, um einen Kooperations- und Engagementwettbewerb in die Gänge zu bringen. Ziel ist es, gemeinnützige Projekte so zu entwickeln, dass sich damit auch Geld verdienen lässt.

Inspirationen für Häusle-Bauer

Wenn es um Häuser geht, dann ist natürlich auch die Architektur gefragt. Sebastian Voigt hat zum Beispiel an der HAWK Hildesheim ein modulares Bausystem - Dockit -entwickelt, welches verschiedenen Wohnbedürfnissen gerecht wird - und sich problemlos erweitern oder umbauen lässt.

Neben vielfältigen Konzepten und Baumaterialien waren natürlich auch die verschiedensten Modelle von Tiny Houses zu sehen. Minimalistisch streng, bunt-verspielt, nüchtern-pragmatisch oder einem Zeltlager nachempfunden - wer Gestaltungsideen suchte, konnte hier problemlos fündig werden.

Was trieb über 5000 Besucher nach Prießeck?

Schon auf dem Parkplatz wurde deutlich, dass diese Veranstaltung überregionale Anziehungskraft hatte. Anders als sonst üblich, waren zumeist Kennzeichen aus anderen Regionen zu sehen, näher gelegenen wie Gifhorn und Uelzen, aber auch Hamburger, Hannoveraner und sogar Münchner Kennzeichen waren zu sehen. Genau konnte es keiner der Organisatoren sagen, aber geschätzt wird, dass zwischen 5000 bis 6000 Interessierte das Festival besuchten.

So unterschiedlich wie die präsentierten Projekte waren auch die Interessen der Besucher. Aus Stade kam ein Mann, der die Utopiekonferenz an der Universität Lüneburg vorbereitet und in Prießeck nach Themen und womöglichen Teilnehmern suchte. Eine junge Familie mit Baby aus der Nähe Lüneburgs interessierte sich für den Bau von Tiny Houses. Mit einer Familie auf 7,2 qm (die Standard-Grundfläche eines 10-Fuß-Containers) wohnen? Nein, soweit wollte das junge Paar nicht gehen - zwei bis drei kleine Häuser müssten es dann schon sein. Grundsätzlich suchte das Paar alternative Wohnmodelle, die sowohl nachhaltig ausgerichtet sind, aber auch soziales Miteinander möglich machen. Aus der Altmark kam eine kleine Gruppe, die sich "schon immer für das einfache Leben" interessiert hatte.

Für die meisten der Befragten waren hauptsächlich Gestaltungsideen für das eigene kleine Häuschen im Garten interessant - als Gäste- oder Gartenhaus. Als Wohnhaus konnten sich die meisten so ein kleines Haus nicht vorstellen. Ein anderes Interessengebiet waren innovative Baumaterialien jenseits von Holz oder neue Lösungen für die sanitäre Entsorgung.

Wieder andere nutzten das Festival als Kontakt- und Netzwerkbörse. In den über 30 Workshops und Vorträgen gab es denn auch genügend Möglichkeiten, Gleichgesinnte zu entdecken.

Letztendlich war immer wieder die Sehnsucht nach einem Leben zu hören, das nicht in den Hamsterkäfig des Geld-Verdienens zwingt und den eigenen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich hält.

Nach dem großen Erfolg denken die Veranstalter über eine Wiederholung des Festivals im nächsten Jahr nach.

Fotos | Angelika Blank: Impressionen vom Tiny Living Festvial




Fotos

2019-09-02 ; von Angelika Blank (autor),
in Priesseck, 29459 Clenze, Deutschland

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