Thema: kunst

Ausstellung: Klingende Räume und tönende Skulpturen

Eine interessante Ausstellung präsentieren die Wendischen Dialoge noch bis zum 9. Juli in Trebel: klingende Objekte bieten nicht nur neue Reize fürs Ohr sondern auch für das Auge. Eine Ausstellung, die zum Spielen anregt.

Mitten im Raum stehen drei weiße Papiertüten. Bunte Kabel schlängeln sich in verschiedene Richtungen davon. Tritt man dicht an die papiernen Objekte heran, so dringt leises Knistern an das Ohr – die Tüten scheinen in ihrer eigenen Sprache miteinander zu wispern.(Klangobjekt von Ulrich Eller )

An einem alten Küchentisch aus den 60er Jahren klemmt eine mindestens ebenso alte Schreibtischlampe. Keine ungewöhnliche Kombination. Drückt man jedoch auf den Einschaltknopf, so leuchtet die Lampe nicht auf, sondern gibt Schreibgeräusche von sich – es klingt, als schreibe jemand mit Kohle auf einem rauen Papier. (Klangobjekt von Tilman Küntzel )

Dies sind nur zwei Objekte der neuen Ausstellung „Klangkunst – a german sound “ im Atelier von Ernst von Hopffgarten in Trebel. Der Verein „Wendische Dialoge“ holte die Wanderausstellung des Deutschen Musikrates nach Trebel, um diese Kunstform, die sich auf der Nahtstelle von (neuer) Musik und Bildender Kunst bewegt, zu präsentieren – und zu diskutieren.

Zusammengestellt haben diese kleine Ausstellung Stefan Fricke, Redakteur für neue Musik und Klangkunst beim Hessischen Rundfunk und der Klangkünstler Johannes S. Sistermanns. Fricke war nach Trebel gekommen, um in die Ausstellung einzuführen.

Bevor er interessante Details zur Geschichte der Klangkunst in Deutschland erzählte, ließ Fricke die (wenigen) BesucherInnen zunächst die insgesamt zehn Objekte erforschen. Nach Herzenslust durfte ausprobiert, gespielt und untersucht werden. Für Fricke, der die Ausstellung schon mehrfach präsentiert ist es immer wieder eine interessante Erfahrung, wie unterschiedlich die Besucher mit den Klangobjekten umgehen.

Da ist zum Beispiel die klingende Bank – der „Klangsurfer“ von Frauke Eckhardt : eine schlichte weiße Polsterbank, auf der ein Kopfhörer liegt. Der Klang, eine Erinnerung an Meeresrauschen, ist erst zu hören, wenn Mensch sich auf die Bank setzt. Jede Bewegung löst eine Veränderung des Klangs aus.

Während die einen leicht erschreckten, als sie realisierten, dass ihre eigene Bewegung den Klang verändert, spielten andere begeistert mit den Möglichkeiten, die der „Klangsurfer“ ihnen bietet. Hin und her schwingend kreierten sie ihre eigene „Musik“.

Optische Wirkung und Klangerfahrung

Allen Objekten gemeinsam ist die Verbindung von visueller Kunst und Klang. Klangkunst bietet gleichermaßen Reize für das Auge wie für das Ohr. „In der Klangkunst ist Klang nicht nur Klang, sondern verbindet sich mit Sichtbarem,“ so Fricke. „Dabei gehen die einzelnen Künstler sehr unterschiedlich vor.“

Während den einen die optische Wirkung des Objektes wichtiger ist (z.B. Christina Kubisch „Standgefäß mit Stimme“) steht bei Anderen der Klang im Vordergrund. „Das ist die Schwierigkeit bei der Entwicklung von Klangkunst: kaum jemals steht der visuelle Eindruck und der Klang in wirklich ausgewogenem Verhältnis zueinander“, so Fricke.

Die beiden Kuratoren der Ausstellung die Besten ihres Genres gebeten, kleine Objekte für diese Ausstellung zu entwickeln, die gemeinsam eine optische wie klangliche Symphonie ergeben. So ist eine Wanderausstellung entstanden, die in einen Flugzeug-Transportkoffer passt – und vor Ort als Rauminstallation auch auf kleinstem Raum funktioniert.

Die Emanzipation der Klänge

In der Diskussion über die Ausstellung war schnell spürbar, dass so mancher Besucher Schwierigkeiten damit hat, die Schreibgeräusche aus der Lampe, das Rauschen des „Klangsurfers“ oder das Knistern der Papiertüten als Musik wahrzunehmen.

Ein Phänomen, dass Fricke aus vielen Diskussionen kennt. Er weiß, dass der „Geist der Neuen Musik“ bereits in den 30er Jahren entstand, als Arnold Schönberg mit seiner Zwölftonmusik die gewohnten Kompositionsstrukturen durchbrach - ungewohnte Klangstrukturen aber bis heute für die Rezipienten schwer akzeptierbar sind.

„Seit Jahrzehnten haben wir es auch im Bereich der Musik mit Emanzipation zu tun,“ so Fricke. „Emanzipation der Geräusche, der natürlichen Klänge … inzwischen stehen die 'geräuschhaften Klänge' gleichwertig neben dem Klang von Instrumenten.“

Doch die Hörgewohnheiten trennen auch heute noch häufig „Musik“ von „Geräusch“. Dies war auch in der Diskussion in Trebel spürbar. Die Veränderung des Raums durch die Klangsymphonie der zehn Objekte konnte kaum jemand wahrnehmen.

„Neue Musik wird zwar zunehmend gesellschäftsfähiger, findet aber längst nicht so großen Anklang wie „klassische“ Instrumentenmusik,“ ist auch Frickes Erfahrung. Vielleicht mit ein Grund, warum die Klangkunst sich in den letzten Jahren kaum weiter entwickelt hat.

„Klangkunst – a german Sound“

Der Untertitel der Ausstellung „a german Sound“ ist kein zufälliger gewählter Titel. Denn Klangkunst im Sinne von auch visuell erfahrbaren Klangobjekten ist laut Fricke eine spezifische deutsche Kunstform – wenn auch einige englische und französische Künstler Grundlagen für diese Kunstform schufen. Nicht zuletzt war auch die Erfindung des Tonbands eine deutsche Entwicklung. Das Gru ndprinzip der magnetischen Tonaufzeichnung wurde zwar schon 1899 von dem dänischen Ingenieur Valdemar Poulsen erfunden. Doch erst in den 1930er Jahren brachte die BASF das erste Kunststoff-Tonband auf den Markt – und machte damit den Siegeszug des Tonbandgerätes möglich.

Die Audiotechnik entwickelte sich immer weiter und bot zunehmend die Möglichkeit, Interpreten durch elektronische Klangerzeuger sowie Schnitt- und Übertragungstechnik zu ersetzen.

Ein anderer "Emanzipations"-Aspekt der „Klangskulpturen“ ist immer wieder, dass die Klangfolgen sich durch äußere Reize wie Licht oder Bewegung verändern (lassen). Es ist also nicht mehr ausschließlich der Komponist, der fertige Klangwerke zur Verfügung stellt - Klänge entwickeln sich durch Umwelteinflüsse oder die Einwirkung des Menschen.

Auch in Trebel ist das so: Jede/r Besucher/in hört – zumindest bei einigen Objekten - die Klänge, die er/sie selbst produziert. Anfassen, ergründen und spielen ist also nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.











2017-06-10 ; von
in Hauptstraße 3, 29494 Trebel, Deutschland

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