"Das war jetzt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt"

Monika Tietke, Bio-Bäuerin und ehemalige Geschäftsführerin des Biokartoffel-Erzeuger Vereins kann die Wut der Landwirte verstehen. Der Protest sei die Folge von über 40 Jahren verfehlter Agrarpolitik.

Drastische Bauernproteste sind nicht neu. 2021 verschenkten wütende Bauern Bio-Kartoffeln vor einem Supermarkt - der ägyptische Bio-Frühkartoffeln verkaufte, obwohl in einheimischen Lagern noch genügend Kartoffeln zur Verfügung standen. Und im Mai vergangenen Jahres badeten Milchbauern in dem weißen Nahrungsmittel. Damit protestierten sie gegen Milchpreise, die deutlich unter den Produktionskosten liegen.

Das sind nur einige der vielfältigen Probleme, mit denen es Landwirte zu tun haben: Preise, die nicht die Produktionskosten decken, ein Handel, der es vorzieht, günstigere Ware aus dem Ausland zu beziehen oder übermäßige Bürokratie.

Monika Tietke, Biobäuerin und ehemals langjährige Geschäftsführerin des Biokartoffel-Erzeuger e.V., hat Verständnis für die Wut der Landwirte. "Es geht nicht nur um Agrardiesel und Kfz-Steuer. Das ist nur ein kleiner Teil der Probleme," sagt sie. "Die allermeisten Landwirte sind abhängig von Subventionen. Doch seit Jahren werden diese immer wieder gekürzt oder gestrichen oder neue Regeln aufgestellt". Das gebe den Bauern keine Planungssicherheit. "Wer heute einen Stall auf 20 Jahre Finanzierung bauen will, weiß nicht, ob seine Kalkulation morgen noch funktioniert", so Tietke. "Die aktuellen Kürzungen sind da nur ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt". 

Nach Recherchen von Agrarheute machen die Subventionen zwischen 30 und 50 % des Hofeinkommens aus. "Ich würde liebend gerne auf die Subventionen verzichten und sogar etwas zurückzahlen, wenn ich für meine Produkte auskömmliche Preise bekommen würde".  Sprich: Preise, die nicht unter den Produktionskosten liegen.

Was ist von dem Vorwurf zu halten, die Bauern würden doch genug verdienen, da könnten sie die aktuellen Kürzungen doch verkraften? "Das immer wieder veröffentlichte bäuerliche Durchschnittseinkommen von durchschnittlich 60 000 Euro ist zwar richtig, aber dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Subventionen dabei eingerechnet sind. Außerdem gehen davon noch viele Kosten ab - wie zum (Pflicht)Versicherungen, die zum Beispiel bei uns rund 7000 Euro ausmachen", so Tietke. "Oft müssen von dem Einkommen auch noch Altenteiler mitfinanziert werden".

Der Frust der Bauern ist letztendlich auf eine seit Jahrzehnten verfehlte Agrarpolitik zurückzuführen. Förderung nach Flächengröße, Aufhebung der Milchquote, Letztendlich sei es eine seit Jahrzehnten verfehlte Agrarpolitik, die nach dem Prinzip "Wachsen oder weichen" gestaltet wurde, die vor allem den kleineren Betrieben zu schaffen macht. "Das war auch lange die Parole des Bauernverbandes", beklagt Tietke den mangelnden Rückhalt des Verbandes. "Aber was will man von einem Verband erwarten, dessen Präsident in mehr als einem Dutzend Unternehmen der Agrarindustrie im Vorstand sitzt?" Damit spielt sie auf Werner Hilse an, der von 2006 bis 2018 Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes war.

Mit der seit 1. Januar 2023 geltenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) wird zwar ein Stück weit von der pauschalen Flächenförderung ohne jegliche Kriterien abgerückt, aber die Hauptfrage bleibt ungeklärt: Wie sollen Preise durchgesetzt werden, die die Landwirte unabhängig von Subventionen machen? Da sind auch die VerbraucherInnen gefragt. Und womöglich ein koordiniertes Vorgehen der Discounter und Supermarktketten, sich auf angemessene Verkaufspreise zu einigen. 

"Sagt uns, was Ihr von uns erwartet, dann können wir uns darauf einstellen, aber so geht es nicht", fordert Tietke.

Monika Tietke hat viel Verständnis für die Proteste, aber sie macht sich Sorgen, dass der nach ihrer Ansicht nur allzu berechtigte Protest von radikalen Kräften aus dem rechten Spektrum diskreditiert wird.

Foto | Angelika Blank: Bereits im Oktober 2019 zogen hunderte Trecker durch den Landkreis, trafen sich zu einer Protestkundgebung. Damals protestierten die Landwirte gegen die neue Düngeverordnung sowie gegen die Agrarpolitik von Land und Bund. 




2024-01-07 ; von Angelika Blank (text),
in Lüchow-Dannenberg, 29, Deutschland

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