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"Genosse Schaf" ist gegründet

Über vierzig Menschen gründeten am Samstag im Ostbahnhof Dannenberg die Genossenschaft "Genosse Schaf". Die neue Gesellschaft will die tonnenweise in dieser Region anfallende Schafwolle zu vielfältigen Produkten verarbeiten - und gleichzeitig Schafe stärker für die Landschaftspflege nutzen.

Für wendländische Verhältnisse ungewöhnlich: Über 40 Menschen diskutierten am Samstag Vormittag die Gründungssatzung der neuen Genossenschaft - ohne Bedenken, Beschwerden oder andere "Unwuchtungen" wie Vorstandsmitglied Antje Scharmer es nannte. Am Ende waren es - inklusive der bereits hinterlegten Vollmachten 44 Interessierte, die sich verbindlich an der "Genosse Schaf" e.G. (eingetragene Genossenschaft) beteiligen werden.

"Unser Ziel von 60 Genossen haben wir zwar noch nicht erreicht. Aber wir können jetzt mit der Genossenschaft arbeiten," freute sich Scharmer nach der Sitzung. Mit ihren Geschäftsanteilen bringen die frisch gebackenen Genossen insgesamt rund 13 000 Euro auf. Ein gutes Startkapital, mit dem die Gesellschaft geschäftsfähig ist.

Den grundsätzlichen Sinn der Genossenschaft beschreibt Antje Scharmer so: "Wir legen alle zusammen, damit wir das finanzieren können, was der Einzelne sich nicht leisten kann." Auslöser für die Idee war die Erkenntnis, dass die Wolle der rund 10 000 in der Region lebenden Schafe (ca. 10 - 15 Tonnen Rohwolle/jährlich) bisher weitesgehend auf dem Kompost landete. Des wegen will jetzt die Genossenschaft der Wolle "wieder Wert geben", wie es in eigenen Publikationen heißt.

Insbesondere Schafhalter werden deshalb von "Genosse Schaf" profitieren: Eine Wollwasch- und Kämmanlage sowie eine Maschine zur Vorbereitung des Wollflieses für die Garnherstellung soll über die Genossenschaft finanziert werden. Reichen die Finanzen aus, soll auch eine Spinnanlage angeschafft werden, um die Wollgarne regional herstellen zu können. Bisher gibt es derartige Angebote nur im europäischen Ausland, wie Stefan Reinsch, ebenfalls Mitinitiator der Genossenschaft, erläuterte. Die Fliese, Garne und andere Wollprodukte stehen dann der Gesellschaft zur Verfügung.

Des Weiteren organisiert die Genossenschaft Unterstützung, Beratung und ganz konkrete Hilfe für Schafhalter. So richtet z.B. Claudia Volkmann auf ihrem Archebetrieb in Prezier eine Wollsammelstelle ein. Außerdem können Schäfer bei ihr Lämmer aufgenommen werden, die mit der Flasche gefüttert werden müssen - gerade für kleine Schäfereien oft eine unleistbare Aufgabe. Des Weiteren sollen Zuchtböcke gemeinsam angeschafft, teilweise auch gemeinsam gehalten und Fleischüberschüsse gemeinsam vermarktet werden.

Antje Scharmer, Textildesignerin und Weberin, liegt am Herzen, hochwertige Produkte herzustellen. Neben Teppichen und Kissen will sie mit den Eigenschaften der verschiedenen Wollarten experimentieren, um möglichst feine Gewebe gestalten zu können.

Und nicht zuletzt soll durch die Förderung der Schafhaltung in der Region auch die Landschaftspflege und der Naturschutz erweitert werden, wie Stefan Reinsch, Initiatordes Landschaftspflegehofs auf dem Höhbeck (Artenreich Höhbeck ) erläuterte. Insbesondere Magerrasen und Heideflächen bräuchten die regelmäßige Beweidung durch Schafe, um ihre Artenvielfalt zu erhalten.

Durch die Arbeit der Genossenschaft entstehen hochwertige Produkte, die alle Wollbegeisterten interessieren dürften: Wolle, hochwertige Garne, kunstvoll gestaltete Wohnaccessoires und Kleidung aber auch effektive Düngepellets gehören zur jetzt schon geplanten Produktpalette. Und nicht zuletzt wird auch Lammfleisch über die Genossenschaft zu beziehen sein.

Positive Signale vom Genossenschaftsverband

Dass die Genossenschaft auf dem Boden der wirtschaftlichen Tatsachen bleibt, sichert der Genossenschaftsverband ab. Denn in Deutschland wird eine Genossenschaft nur eingetragen, wenn sie vorher durch einen Prüfungsverband betreut und für gut befunden wurde. Für die "Genosse Schaf" ist Hans-Wolfgang Richter vom Genossenschaftsverband in Hannover zuständig. Im Gründungsverfahren - welches nach Richter voraussichtlich einige Monate dauern wird - erstellt er ein Gutachten über die Wirtschaftlichkeit der Genossenschaft. Nur mit seinem positiven Votum kann die "Genosse Schaf" dann ins Genossenschaftsregister eingetragen und somit als juristische Person voll geschäftsfähig werden.

Auch im Gründungverfahren müssen die Akteure sich streng an die am Samstag verabschiedete Satzung halten. Die Haftung ist auch in diesem Stadium schon auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Hat die Genossenschaft ihren Betrieb aufgenommen, so wird der Genossenschaftsverband alle zwei Jahre eine Prüfung durchführen, ob die Geschäfte ordnungsgemäß geführt wurden.

Am Samstag gab es von Hans-Wolfgang Richter positive Signale, dass die Genossenschaft gute Chancen auf Eintragung hat.

Mit 300 Euro sind neue Genossen dabei

Nachdem die Genossenschaft am Samstag gegründet wurde, können sich nun weitere Interessierte an der Gesellschaft beteiligen. In der Satzung festgelegt wurde ein Geschäftsanteil in Höhe von 150,00 Euro. Jeder Genosse wird verpflichtet, zwei Geschäftsanteile zu zeichnen - richtig Engagierte können aber auch bis zu insgesamt 10 Geschäftsanteile übernehmen. Die Anzahl der Geschäftsanteile ändert jedoch nichts daran, dass ein Genosse nur eine Stimme hat - eine Spezialität des Genossenschaftsrechts. Eine Nachschusspflicht gibt es nicht. Von den Einnahmen müssen nach den Gesetzesvorgaben 10 % der Jahresüberschüsse in die Rücklage überführt werden. Zusätzlich ist in der Satzung festgelegt, dass weitere 10 % der Jahresüberschüsse zurückgelegt werden. Damit sollen u.a. Bilanzverluste ausgeglichen werden.

Den Vorstand von "Genosse Schaf" bilden Stefan Reinsch und Antje Scharmer. In den Aufsichtsrat wurden Dirk Gehrke (Vorsitzender), Elke Gehrke, Claudia Volkmann, Hannah Wilimzik und Renate Curth gewählt. Der Betriebswirt Stephan Sempert steht der Genossenschaft in der Gründungsphase als Berater zur Seite.

Drei Monate hat die Genossenschaft in Gründung nun Zeit, um das Gesellschaftskapital noch etwas "anzufüttern", wie es Antje Scharmer ausdrückte. Denn eigentlich möchten die Genossen gerne erreichen, dass die Gesellschaft es auf 60 Genossen bringt, um die Gegenfinanzierung für Anträge besser ausgestalten zu können.

Geplant sind Anträge u. a. bei dem Niedersächsischen Förderprogramm "Landschaftswerte". Klappt die Förderung kann das Geschäftsguthaben der Genossenschaft quasi verdoppelt werden. Zusätzlich sind weitere Fördertöpfe im Visier der Aktiven.

Der Geschäftsbetrieb von "Genosse Schaf" wird wohl erst nächstes Jahr aufgenommen werden können, da sowohl die Eintragungsphase als auch die Antragstellungen einige Monate beanspruchen werden. Mit Bewilligungen rechnen die Genossen frühestens Anfang nächsten Jahres.

Interessenten können sich über die Website genosse-schaf.de über das Projekt und Teilnahmemöglichkeiten informieren.

Foto / Angelika Blank: Mehr als 40 Interessierte nahmen am Samstag an der Gründungsversammlung von "Genosse Schaf" teil.



2017-05-07 ; von Angelika Blank (autor),
in Am Ostbahnhof, 29451 Dannenberg (Elbe), Deutschland

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