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Habeck: Der Grünen-Star kommt auch im Wendland gut an

Er gilt als Star der BundesGrünen und hat sogar Angela Merkel auf der Beliebtheitsskala überholt. Und auch im kritischen Wendland kam Robert Habeck gut an.

Von dem angekündigten "Gegenwind" war am Donnerstag Abend in den Trebeler Bauernstuben wenig zu spüren. Mit freundlichem Applaus wurde Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Saal empfangen. Nicht nur der Saal der Trebeler Bauernstuben auch die angrenzende Gaststube war voll besetzt. Es waren wohl rund 300 Interessierte, die Habeck erleben wollten.

Der "Star der Grünen", wie er derzeit gerne tituliert wird, machte nicht den Eindruck, dass er sich von dem kritischen Unterton in der Einladung des Kreisverbandes (KV) der Grünen hat irritieren zu lassen. Lässig nahm er neben Moderatorin Asta von Oppen (KV Grüne) Platz und harrte der Diskussion, die da folgen sollte.

Allerdings hatte der (Mit)Architekt des Standortauswahl-Gesetzes zu diesem Zeitpunkt auch schon zwei Stunden Gespräch mit der Führungsriege der hiesigen Grünen, Vertretern der Bäuerlichen Notgemeinschaft, der Bürgerinitiative sowie der Kirche hinter sich. Wie aus Teilnehmerkreisen zu hören war, waren hier schon detailliert Kritikpunkte der wendländischen Gorlebengegner am Standortauswahl-Gesetz besprochen worden. Als die öffentliche Veranstaltung begann, war der größte Dampf also schon raus.

"Ihr habt Macht, nutzt sie konstruktiv - dann kann Gorleben verhindert werden"

Hauptsächlich wegen der Kritik am Standortauswahlverfahren für ein nukleares Endlager hatte der Kreisverband Habeck eingeladen. So war denn auch der "Atomkomplex" zunächst Schwerpunktthema.

Michael Schemionek, Sprecher des Kreisverbands von Bündnis 90/Die Grünen, machte am Anfang des Abends deutlich, dass der Kreisverband in Sachen Atommüllpolitik nicht auf dem Bundeskurs mitschwimmt. "Unsere Kritik ist immer noch gerechtfertigt. Das Standortortauswahlgesetz (StandAG) ist keine weiße Landkarte, denn Gorleben ist nicht aus dem Verfahren genommen worden."

Vertreter der Gorlebengegner formulierten ebenfalls ihre Kritik: das Verfahren sei zu schnell, die Kriterien für ein geeignetes Wirtsgestein seien nicht klar und die Öffentlichkeitsbeteiligung zu vage formuliert. Das größte Misstrauen gegen die Grünen war bei Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) hörbar: "Die Grünen sind einmal angetreten, Gorleben zu verhindern. Jetzt sind sie zufrieden damit, dass die Vorfestlegung auf Gorleben raus ist. Das ist ein Schlag in die Magengrube." Für Ehmke ist klar, dass ein möglicher Endlagerstandort Gorleben mindestens bis in die nächste Runde weitergetragen wird. Und alle Kritiker des StandAG eint die große Befürchtung, dass man sich am Ende doch aus Bequemlichkeit für Gorleben entscheidet, weil das bisherige Erkundungsbergwerk Gorleben sozusagen "Stand by" fertiggestellt sei.

Habeck wollte die Kritikpunkte nur teilweise nachvollziehen und gab den Ball geschickt zurück. "Danke, dass Ihr über das Thema über Jahrzehnte so sehr nach vorne gebracht habt. Danke dafür." Im Endlagersuchverfahren sei kein Ort ausgeschlossen - auch nicht potenzielle Standorte in Bayern und Baden-Württemberg. Auch das sei ein Riesenerfolg, den der Gorleben-Widerstand erreicht habe. 

"Das Misstrauen kann ich verstehen," so Habeck. " Es wird kein einfacher Weg bis zum Endlager. Aber jetzt geht es darum, die Details des Verfahrens in unserem Sinne zu gestalten." In diesem Sinne plädierte Habeck intensiv dafür, dass der Gorleben-Widerstand sich dem Verfahren nicht verweigert, sondern sich konstruktiv beteiligt, damit ein Endlagerstandort Gorleben wirklich verhindert wird. "Ihr habt mit Eurem hartnäckigen Widerstand einen Riesenerfolg erzielt, auf den Ihr stolz sein könnt. "

Habeck machte allerdings auch keinen Hehl daraus, dass nicht sicher ist, wie die Standortsuche letztendlich ausgeht. "Kein Ort ist außen vor. Alle ernsthaft in Frage kommenden Orte müssen sich der Herausforderung stellen, womöglich Endlagerstandort zu werden."

Der Bundesvorsitzende räumte allerdings ein, dass auch er Kritik am StandAG hat. "Auch mir sind die Zeiträume zu unrealistisch geplant," so Habeck. "Allein die Aufbereitung und der Transport der rund 1800 Castoren, die in den Zwischenlagern bis dahin auf die Einlagerung warten, wird 20 bis 30 Jahren dauern," prognostizierte Habeck. Und auch ein Zeitraum von gerade einmal 11 Jahre bis zur Standortbenennung im Jahre 2031 lasse eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung für einen Endlager-Standort kaum zu. Aber: "Je schneller desto Gorlebener" wie es die BI sehe, sei falsch. "Im Gegenteil: wenn das Standortauswahlverfahren sich endlos hinzieht, ohne dass es klare Argumente und Entscheidungen gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass man auf Gorleben zurückgreift," ist Habeck überzeugt. "Deshalb nutzt die enorme Macht, die Ihr habt und bringt Euch konstruktiv in das Verfahren ein," riet Habeck den widerständigen Widerständlern.  

Auf konkrete Fragen wie z.B. dem Umgang mit den deutlich verlängerten Zwischenlagerungszeiten von Castorbehältern blieb Habeck eher vage bis ungeschickt. Ebenso wie die Vertreter der ehemaligen Zwischenlager-Betreiberfirma GNS verwies er auf die "grundsätzliche Sicherheit" der Castorbehälter und ging mit keinem Wort auf die längst begonnene Diskussion über eine womöglich notwendige Veränderung Zwischenlagerungsbedingungen, neue Genehmigungsverfahren oder Umstellung von Behälterkonzepten ein. "Hier haben wir kein Rost- sondern ein politisches Problem."

Aus der Runde, die sich vor der öffentlichen Veranstaltung mit Habeck getroffen und Details der Kritik am StandAG besprochen hatte, war die Einschätzung zu hören, dass der Bundesvorsitzende sich "nicht durch besondere Fachkenntnis" ausgezeichnet hätte.

Hier noch stsichwortartig Habecks Positionen zu einzelnen Themenkomplexen:

Rückholbarkeit: Nach Habecks Ansicht wäre ein Beschluss für Rückholbarkeit möglich gewesen, wenn sich alle einig gewesen wären. Aber viele Anti-Atom-Initiativen hätten die Rückholbarkeit abgelehnt.

Öffentlichkeitsbeteiligung: "Es gilt, Räume zu schaffen, in denen offene Fragen transparent besprochen werden können, wo sich Vertrauen entwickelt und Verständnis. Dann wäre auch die Anerkennung einer anderen Entscheidung möglich, auch wenn sie nicht der eigenen Meinung entspricht."

Europawahl: "Diese Wahl ist wichtigste überhaupt. Es entscheidet sich, ob die populistischen Parteien die Mehrheit bekommen." Habeck hofft darauf, dass es keine geschlossenen Mehrheiten gibt, so dass Koalitionsgespräche geführt werden müssen. "Dann fängt es an zu atmen, dann können tatsächlich Konzepte ausgehandelt werden. "

Die großen Fragen, Klimawandel, Flucht/Migration, Landwirtschaft, soziale Gerechtigkeit können nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Nicht weniger Europa, sondern mehr, obwohl es eine große Vertrauenserosion gibt.

Landwirtschaft:  "Über Europa, über eine GAP-Reform, könnte hier ein riesengroßer Hebel umgelegt werden. Im Moment ist es so, dass das ganze System auf Intensivierung ausgelegt ist. Gelder sollte es für mehr Fruchtfolgen, für Verzicht auf Düngemittel oder eine Verringerung der Schnitttermine geben.

In der Zuhörer-Fragerunde ging es dann um so gut wie alle Themen, die Politik beschäftigen: Klimawandel, Wachstum, Landwirtschaft .... Habeck parierte die Attacken mit dem Verweis auf eine ökologisch-sozial ausgerichtete Wirtschaftspolitik, die nicht von vornherein Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit ausschließe.

War es der erste prominente Bundesgrüne, der ohne lautstarke Kritik und Buh-Rufe -stattdessen mit freundlichem Applaus im Rücken - den Saal verließ? Das ist nicht sicher. Aber Habeck bestätigte in Trebel wieder einmal seinen Ruf, ein "charismatischer Menschenfänger" zu sein.

REAKTIONEN

Für Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) bleibt die Skepsis erhalten. Er bleibt aber gelassen. "Im Moment geht es darum, Habeck kennen- und ihn einschätzen zu lernen. Schließlich könnte er ja demnächst der Umweltminister oder (Vize)Kanzlerkandidat sein."

Wolf-Rüdiger Marunde, Mitglied der Bäuerlichen Notgemeinschaft und ebenfalls im Vorstand der BI, sieht Habeck als "smarten Typ", der rhetorisch gewandt volkstümlich und authentisch rüberkommt. "Er ist ein Herzensbrecher," so Marunde. "Kein Wunder, dass er im Politikerranking auf dem ersten Platz gelandet ist"

Bei den inhaltlichen Positionen bleibt Marunde aber kritisch. "Seine Haltung zum StandAG ist schwierig. Das kann ich nicht nachvollziehen, warum Gorleben raus sein soll, wenn das Verfahren schneller geht.

„In erster Linie geht es um ein wissenschaftsbasiertes Verfahren, damit ein möglichst wenig unsicherer Standort gefunden - und eine Partizipation umgesetzt wird, die auch die Gesamtheit der Bevölkerung einbezieht," so Marunde. "Das derzeitige StandAG bietet aber diverse Möglichkeiten, den Prozess dennoch politisch zu entscheiden." Zumindest habe Habeck die Kritik angenommen, was einzelne einzelne Partizipationsformate angeht.

Marunde ist - anders als einige Andere im Gorleben-Widerstand, davon überzeugt, dass "wenn wir Fundamentalopposition betreiben, keinen Einfluss mehr haben werden." Er selbst stimme Habeck da zu.  Aber da sind die Diskussionsprozesse innerhalb des Gorleben-Widerstands noch in vollem Gange.

"Im Moment sehe ich keine Chancen, zu verhindern, dass das Auswahlverfahren nach dem StandAG durchgeführt wird," schätzt Marunde die aktuellen Beteiligungsmöglichkeiten ein. "Aber wenn die Grünen tatsächlich wieder den Umweltminister stellen, dann bin ich bereit, auch mit Habeck zusammenzuarbeiten. Da sollten wir ihn aber immer beim Wort nehmen und an das erinnern, was er in Trebel gesagt habe. Eine Kooperation müsse aber immer gut überlegt werden. Denn auch Marunde will sich nicht als Alibi-Partner einspannen lassen.

Foto | Angelika Blank: Moderiert von Asta von Oppen (re.) stellte sich Robert Habeck am Donnerstag den Fragen von rund 300 WendländerInnen.




2019-03-29 ; von Angelika Blank (text),
in 29494 Trebel, Deutschland

grüne   atommüll  

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