Ökologisch, gerecht und sozial - grüne Bedingungen für eine neue EU-Agrarpolitik

Wie es mit der Landwirtschaft weitergeht, ist eines der zentralen grünen Themen. Nicht zuletzt haben Art und Umfang des landwirtschaftlichen Wirkens Einfluss auf Ernährung(squalität), Boden, Wasser und Umwelt. Am Sonntag diskutierten Rebecca Harms und der EU-Agrarexperte Martin Häusling über die geplante Reform der EU-Agrarpolitik.

Gemeinsam mit Martin Häusling, dem Agrarexperten der Grünen im Europäischen Parlament stellte die Fraktionschefin der Europagrünen im voll besetzten Saal der Trebeler Bauernstuben die Eckdaten grüner Agrarpolitik vor. Neben vielen Ökolandwirten waren auch einige Naturschützer sowie mehrere konventionelle Landwirte mit dem hiesigen Landvolk-Vorsitzenden Adolf Tebel zu dem Frühschoppen gekommen.

„ Landwirtschaft ist eine der Schlüsselbranchen, in denen sich entscheidet, ob Nachhaltigkeit erreicht wird oder nicht,“ so Rebecca Harms am Sonntag in den gut besuchten Trebeler Bauernstuben. Neben der ökologisch-sozialen Struktur im ländlichen Raum werden durch Art und Umfang des landwirtschaftlichen Wirkens nicht nur Klima, Wohlbefinden der Tiere sowie Artenvielfalt massiv beeinflusst.

Für die beiden Grünen steht bei der Reform der EU-Landwirtschaftspolitik Gerechtigkeit mit im Vordergrund. „Derzeit erhalten europaweit gesehen 20 % der Betriebe 80 % der Agrarförderung,“ so Rebecca Harms am Sonntag in den gut besuchten Trebeler Bauernstuben. „Das kann und darf so nicht weitergehen.“ Ihr Kollege Martin Häusling ergänzte die Faktenlage noch mit einer erschreckenden Analyse der Alterspyramide von deutschen Landwirten. „80 % der heute wirtschaftenden Landwirte sind älter als 55 Jahre und nur 6 % sind unter 35 Jahre,“ so der Agrarexperte. „Diese Diskrepanz muss jeden vom Sessel holen, der eine zukunftsfähige Landwirtschaft will.“

Durch die Agrarreform muss den Landwirten nach Ansicht der beiden EU-Politiker ein gerechtes Einkommen ermöglicht werden. Dabei denken sie nicht an ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ für den reinen Besitz von Agrarflächen. Die Landwirte sollen wieder von ihrer Hände Arbeit leben können und nicht zu 50 – 70 % von Subventionen aus Europa abhängen. Dabei stehen viele Landwirte dem „europäischen Tropf“ durchaus skeptisch gegenüber. „Wir würden gerne auf Direktzahlungen verzichten, wenn wir denn ohne diese auskommen könnten,“ - so formulierte es zum Beispiel Adolf Tebel, Vorsitzender des Landvolks in Lüchow-Dannenberg.

Dabei kommen den Landesregierungen durchaus wichtige Aufgaben zu, wie Häusling und Harms betonten. „Vor allem die Ausgestaltung der sogenannten 2. Säule, also den Förderprogrammen, die den Ländern zur Eigenverteilung überlassen werden, wird von den jeweiligen Regierungen bestimmt.“ Welche Projekte und Maßnahmen aus Programmen wie ELER, EFRE oder ähnlichen finanziert werden können, wird im Wesentlichen von den Landwirtschaftsministerien bestimmt. „Deswegen ist es wichtig, den nationalen Regierungen zu sagen, was sie in Brüssel vertreten sollen – und auch kontrollieren,“ plädierte Harms bei den Landwirten für mehr Druck auf die Landwirtschaftsministerien.

Nichts desto Trotz fordern die Grünen, dass die Reform der EU-Agrarpolitik so schnell wie möglich beschlossen wird, denn die bisherige Förderrichtlinien halten sie für unfair, nicht nachhaltig, undemokratisch, ungesund und bürokratisch.

Ökologische und soziale Gerechtigkeit

Eine Kappung der Förderobergrenzen soll auch für Gerechtigkeit sorgen: landwirtschaftliche Betriebe sollen nach geplanten Regelungen maximal 100 000 Euro Direktzahlungen erhalten. Damit könnte die EU insgesamt sieben Milliarden Euro pro Jahr sparen. Und überhaupt soll es EU-Förderungen in Zukunft nicht mehr für den reinen Besitz von Agrarflächen geben.

„ Agrarförderung darf es in Zukunft nur noch geben, wenn ökologisch und sozial gerecht gewirtschaftet wird,“ so Martin Häusling. „Wer öffentliche Förderung bekommen will, muss auch nachweisen, dass er im öffentlichen Interesse arbeitet.“

Dazu gehört zum Beispiel, dass nach den Reformplänen pro Betrieb 7 % der landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen als ökologische Ausgleichsflächen gehalten werden.

Wie stark sich auch in Niedersachsen die intensive Landwirtschaft auf die Grundwasserqualität auswirkt, beschrieb Miriam Staudte, stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Landtag und Direktkandidatin für die Region. „Rund 60 % der Grundwasserkörper in Niedersachsen weisen starke Nitratbelastungen auf,“ so Staudte. „Es sind zwar Kontrollen über den Eintrag von Wirtschaftsdünger vorgeschrieben, aber in Niedersachsen wird diese Vorschrift äußerst lax gehandhabt.“ Außerdem habe Niedersachsen im Vergleich mit anderen Bundesländern einen sehr niedrigen Anteil an Ökobetrieben. „Von 10 – 11 % Ökobau-Anteil wie in Brandenburg werden wir hier wohl noch lange träumen müssen, aber den bundesweiten Durchschnitt von 5,6 % Anteil ökologisch wirtschaftender Betriebe sollten wir doch erreichen können,“ ist sich die niedersächsische Grüne sicher.

Die Vertreter der konventionellen Landwirte im Publikum hatten gar nicht so sehr Kritik an den grünen Vorstellungen über Agrarpolitik als eher Skepsis, ob sich die Reformpläne wirklich umsetzen lassen. Landvolk-Vorsitzender Adolf Tebel fragte sich, welche Folgen ein Herstellerpreis von 45 ct pro Liter Milch oder 2 Euro pro Kilogramm Schweinefleisch auf dem Markt wirklich bedeuten.

Spätestens an dieser Stelle der Diskussion kamen wieder die Verbraucher ins Spiel, die über ihre Forderung nach extrem niedrigen Preisen letztendlich mit entscheiden, wie eine zukünftige Landwirtschaft aussehen kann.

Foto: Karl-Friedrich Kassel







 


2013-01-07 ; von red (autor),
in Am Markt 5, 29494 Trebel, Deutschland

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