Thema: bildung

Wie funktioniert Landwirtschaft heute?

Monatelang beschäftigten sich SchülerInnen der Salzwedeler "Schule unter dem Regenbogen" damit, wie Landwirtschaft heute funktioniert. Als Höhepunkt des Projektes besuchten sie kürzlich mehrere Höfe im wendländischen Prezier.

Ein bißchen erinnert die Szenerie an Bullerbü. Neugierig blinzelt ein Pferd aus einem offenen Stallfenster auf die Dorfstraße. Der Rundling Prezier im wendländischen Lemgow erwartet einen ruhigen, sonnigen Donnerstag. Vor dem Hof Jagotke hält ein Bulli, mehrere junge Menschen steigen aus. Die Schülerinnen und Schüler der Salzwedeler "Schule unterm Regenbogen" werden begleitet von zwei Lehrerinnen und erwartet von jungen wendländischen Erzieherinnen, die ihr viertes und letztes Ausbildungsjahr an der Berufsbildenden Schule (BBS) Lüchow absolvieren. "Wir "Viertklässler" müssen ein Projekt mit Behinderten durchführen", erläutert Nadine Timme von der BBS, sie hat das Projekt in Kooperation mit der Förderschule aus Salzwedel vorbereitet. Es geht um das Thema Landwirtschaft. Mehrere Monate dauert das Projekt, der heutige Tag ist der Höhepunkt: Besuch bei verschiedenen Bauern im wendländschen Prezier.

Erzieher-Azubi Nadine Timme lebt selber in Prezier, auf dem Hof Jagotke. Ihr Freund ist der Juniorchef, sie wollen den Hof dereinst übernehmen und renovieren sich gerade ein 200 Jahre altes Fachwerkhaus im Rundling.

Erste Station für Justin (15), Wenke (14), Max (12), Justin-Michel (14), Samantha (12), Sarah (14) und Remco (13) und Celina (16), sie sitzt im Rollstuhl, ist der Hof von Bauer Johannes Heyn. Er betreit mit seinen Eltern eine klassische Milchwirtschaft mit 100 Kühen. Die Schüler dürfen die gerade geborenen Kälbchen in ihren Boxen streicheln und gucken sich an, wo im Boxenlaufstall die Milch gemolken wird. "Auch meine Großeltern waren Flüchtlinge, sie kamen aus Ostpreußen hierher", berichtet Heyn. 1953 kauften sie den Hof in Prezier. Die Glocke am pitoresken Fachwerk-Kirchturm schlägt, alle zählen mit: "...acht, neun, zehn!"

Staunen auf der Nutztier Arche

Nun geht es auf die "Nutztier-Arche", den Wendlandhof Prezier von Claudia Volkmann – selbst im alternativen Wendland etwas ganz Besonderes. Hier leben ausschließlich vom Aussterben bedrohte Rassen – außer die Pferde. Sarahs Augen leuchten. Sie darf einen Wallach streicheln, hat extra ein paar Sätze vorbereitet, aber die will jetzt keiner hören, zu aufgeregt sind die anderen, die Mangalitza-Wollschweine grunzen aus ihrem Auslauf.

Die zukünftige Erzieherin Melissa Stödter (22) berichtet, dass es in dem Projekt seit Ende Oktober um Wahrnehmung geht. Wie kommen Kartoffeln in die Erde? Wie schmecken frisch gezogene Möhren? Rund um das Thema Landwirtschaft haben die SchülerInnen sich mit neun Bereichen beschäftigt - unter anderem haben sie Stoffbeutel mit Kartoffeldruck gestaltet.

Die Lehrerinnen Claudia Schulz und Kathrin Gregor aus Salzwedel sind "völlig begeistert" von dem kleinen wendländischen Rundling im ruhigen Lemgow. Dass es hier noch vier aktive und große Höfe gibt, ist selbst fürs landwirtschaftsgeprägte Wendland viel. Auf vielen anderen Höfen gibt es noch einen großen Bauern - das wars. "Und hier ist sogar bei allen Höfen die Übernahme gesichert", berichtet Nadine Timme.

Den Schülern fallen zwei Tauben auf, die auf einem Fenstersims sitzen und turteln, später lassen sie sich zu mehr hinreißen, trotz des Besuchs. "So soll es sein", lacht Claudia Volkmann, handelt es sich bei den blauschimmernden Vögeln um Klätscher-Tauben, von denen es nur noch rund 300 Exemplare gibt - weltweit. "Dieses robuste Tier wurde für die Frischfleischversorgung von den Bauern gehalten. Namensgebend für diese Kropftaube ist das laute Flügelklatschen beim Umherfliegen, das Klätschern. Das wirkt abschreckend auf Greifvögel", erläutert Volkmann. Auf ihrem Hof haben eine Reihe alte Haustierrassen ein Zuhause, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen.

Arche-Betriebe sind heutzutage leider notwendig, so Volkmann. Denn wer kennt sie noch, das Mangalitzaschwein, das Zackelschaf oder die Thüringer Waldziege? Ihre alten Hühnerrassen brauchen keine Medikamente, "diese ganze Antibiotikum-Diskussion haben wir hier gar nicht!" Das belgische Bartkaninchen mümmelt an der Karotte, die ihr Celina in den Pferch geworfen hat. Aber "alles bei uns wird auch geschlachtet. Wobei uns das bei den Kaninchen am schwersten fällt..."  




Fotos

2016-12-20 ; von Björn Vogt (autor),
in Prezier, 29485 Lemgow, Deutschland

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