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Staatssekretär Flasbarth in Lüchow: ein Signal der Vertrauensbildung ...?

Der Chef der Zwischenlager in Deutschland, Staatssekretär Jochen Flasbarth, informierte am Mittwoch den Kreis-Atomausschuss über die Perspektiven des Zwischenlagers in Gorleben. Ergebnis: auch Gorlebengegner zeigten sich weitgehend zufrieden.

Sein Ziel, "ein Signal der Vertrauensbildung" gesetzt zu haben, hatte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMU) Jochen Flasbarth am Mittwoch Vormittag zumindest in Teilen erreicht - nachdem er zahlreiche Fragen rund um die Zwischenlagerung ausführlich erläutert hatte. Der Kreisausschuss für Atomanlagen hatte den (Noch)-Chef der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zu einem Referat über die zukünftige Ausrichtung des Zwischenlagers in Gorleben eingeladen.

Wie langfristig gültig seine Aussagen sind, hängt dabei allerdings nicht nur von Flasbarths Tun ab. Erstens endet seine Zeit als kommissarischer Chef der BGZ bereits im November und zweitens sind die Regierungsverhältnisse in Berlin derzeit derart instabil, dass niemand sagen kann, ob er als Staatssekretär in einem halben Jahr noch für Zwischenlager zuständig sein wird.

Am Mittwoch stellte sich Flasbarth eineinhalb Stunden lang den Fragen des Kreisausschusses für Atomanlagen. Grundsätzlich, so stellte Flasbarth klar, halte auch die neue Bundesregierung an dem Konzept der dezentralen Zwischenlager fest.

Damit unterstrich er noch einmal, was schon länger bekannt ist: Mindestens bis zur Benennung eines Endlagerstandortes werden Ahaus für schwach- und mittelaktiven Abfall und Gorleben für hochradioaktiven Abfall als Zwischenlager aufrecht erhalten. Dazu gibt es rund ein Dutzend weitere Zwischenläger an den Standorten von Atomkraftwerken. „Neue regionale Zwischenlager wird es aber bis zur Endlagerung nicht geben,“ machte Flasbarth klar. „Das würde die öffentliche Debatte negativ beeinflussen.“

Die Zeit war zu kurz, um detailliertere Vorstellungen über die neuen Aufgaben, die das Zwischenlager in Gorleben übernehmen soll, zu erfahren. In einer Präsentation hatten die Vertreter des BGZ im November 2017 skizziert, dass Gorleben als Schulungszentrum für kerntechnische Fachaufgaben auf- und ausgebaut werden soll.

Verlängerte Zwischenlagerungs-Zeiten, Umgang mit der Pilotkonditionierungsanlage, Öffentlichkeitsbeteiligung sowie Sicherheitsoptimierung waren einige der Punkte, über die der Ausschuss genauere Informationen haben wollte.

Hier ein Überblick:

Umgang mit verlängerten Lagerungszeiten

Fachleute gehen davon aus, dass die Zwischenlager noch rund 100 Jahre, manche Experten prognostizieren sogar 150 Jahre, aufrecht erhalten werden müssen. Die Genehmigungen laufen aber teilweise schon 2034 aus. In den letzten Jahren wurde deshalb des öfteren in Expertenrunden verschiedene Szenarien für eine sichere langfristige Lagerung diskutiert. 

Vor dem Hintergrund einer hart geführten Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), Wolfram König, und der Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) über Formulierungsauslegungen im Zusammenhang mit dem Grund für eine Festlegung von 40 Jahren Einlagerungszeit von Castorbehältern gab Flasbarth in Lüchow die ministerielle Sprachregelung zu dem Thema vor.

„Für die Auslegung der Genehmigungszeit auf 40 Jahre gab es keine technischen Gründe," so Flasbarth. "Man ging damals nicht davon aus, dass Castoren länger als 40 Jahre zwischengelagert werden müssen. Deswegen sind die technischen Bedingungen für eine Zwischenlagerung auch nicht geprüft worden." Vor einer Neugenehmigung müssten die technischen Fragen natürlich geklärt sein, so Flasbarth weiter. 

Was das genau für die Rahmenbedingungen einer langfristigen Zwischenlagerung bedeutet, blieb am Mittwoch offen. Flasbarth betonte lediglich, dass das Vorbereitungsverfahren rechtzeitig beginnen müsse, um nicht in Zeitnot zu geraten.

Was die Dauer der neuen Genehmigungen angeht, lehnt Flasbarth "Vorratsgenehmigungen" ab. „Wir dürfen die Genehmigungen nicht länger erteilen als es vernünftig ist.“ Bedeutet: die Situation in den Zwischenlagern muss nach weitaus kürzerer Zeit als 100 Jahren überprüft werden." Die Dauer von 100 Jahren war ins Spiel gekommen, nachdem mehrfach Fachleute von bis zu 100, teilweise war gar die Rede von 150 Jahren, die es dauere, bis in ein nukleares Endlager eingelagert werden könne.

Zukunft der PKA

In Sachen Pilotkonditionierungsanlage (PKA) stellte Flasbarth eindeutig klar: "Die Pilotkonditierungsanlage wird nicht für Konditionierung eingesetzt. Sie wird diesen Zweck niemals erfüllen." Trotzdem hat sie noch eine Betriebsgenehmigung und verursacht so alljährlich rund 5 Millionen Euro Kosten für Unterhaltung und Wartung.

Derzeit wird im Ministerium diskutiert, ob und wann die PKA stillgelegt werden kann. Ministerialdirigent Peter Hart, Leiter der (Unter)Abteilung Nukleare Entsorgung im Bundesumweltministerium, erläuterte, dass zunächst noch geprüft werde, inwieweit das Zwischenlager und die PKA zusammenhingen. Sprich: Eventuell muss die PKA noch für Reparaturarbeiten an Castorbehältern eingesetzt werden.

Die Entscheidung werde aber nicht in „Monats- oder Jahresfrist“ fallen, da – wie Hart erklärte, „in Atomgelegenheiten zwei bis drei Mal geprüft werden müsse, welche Entscheidung richtig ist.“

Flasbarth möchte das Thema allerdings noch in seiner Zeit als Staatssekretär so weit bringen, dass die "Region sicher sein kann, dass das Verfahren auf den Weg gebracht worden ist."

Öffentlichkeitsbeteiligung

Nicht nur der Grünen Abgeordneten im Samtgemeinderat Gartow, Asta von Oppen, war die Frage nach der Öffentlichkeitsbeteiligung wichtig. Sie forderte in der Sitzung von Flasbarth eine eindeutige - rechtssicher verankerte - öffentliche Beteiligung mit Einflussmöglichkeiten.

Flasbarth versicherte in diesem Zusammenhang, dass für sämtliche Genehmigungs- und Planungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit allen damit verknüpften Rechten vorgeschrieben ist. "Auch die strategischen Vorgehen wird öffentlich diskutiert," versicherte Flasbarth.

Skeptisch fragte Wolfgang Ehmke (BI) nach, warum dann das Nationale Begleitgremium (NBG) schon Konzepte in Sachen Zwischenlager entwickle? "Das NBG hat in Sachen Zwischenlager nichts zu melden," betonte Flasbarth. "Da sind wir (das BMU) Herr des Verfahrens."

Klage gegen das Land Niedersachsen

Kurz vor der Übernahme durch den Bund hatte die GNS gegen eine Verfügung des Landes Niedersachsen, einen Katalog an Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen, geklagt. Seit der Übernahme des Zwischenlagers durch den Bund steht die Frage im Raum, ob diese Klage aufrecht erhalten wird.

Flasbarth dazu: „Ich habe ein unwohles Gefühl dabei, sich als Bund mit einem Bundesland vor Gericht zu streiten. Das verträgt sich nicht mit meinem Verständnis von Kommunikation.“ Dementsprechend wurde das Verfahren schon vor einiger Zeit ruhend gestellt und Gespräche mit dem Land Niedersachsen aufgenommen. Flasbarth geht davon aus, dass die Klage demnächst für erledigt werden kann, da „wir alle Dinge so machen wie das Land es verlangt.“

Sicherheit im Zwischenlager

Der Forderung, mehr Transparenz bei der Planung von Sicherheitsmaßnahmen walten zu lassen, erteilte Flasbarth einteilweise Absage. „Es gibt eine Konfliktlage zwischen Informationen, die aus Sicherheitsgründen der Geheimhaltung unterliegen und dem Bedürfnis der Öffentlichkeit umfassend informiert und beteiigt zu werden."

Das BMU wolle keine Rechte einschränken, müsse aber den Bedenken der Sicherheitsbehörden Rechnung tragen. Da müsse eine rechtssichere Lösung mit größtmöglicher Öffentlichkeitsbeteiligung gefunden werden - Flasbarth prognostiziert aber, dass dieses Thema "mit Sicherheit noch Turbulenzen geben" wird. 

Ansiedlungsvertrag Gartow

In der Samtgemeinde Gartow traut man sich nicht, das Thema anzusprechen, doch Ausschussvorsitzender Martin Donat traute sich: er forderte, dass die sogenannte "Wohlverhaltensklausel" aus dem Ansiedlungsvertrag der BLG mit der Samtgemeinde Gartow von 1982, zuletzt geändert 1997, entfernt wird.

Darin verpflichtet sich die Samtgemeinde den Betrieb des Zwischenlagers aktiv zu unterstützen. Außerdem heißt es in dem Vertrag wörtlich: "Die zweckgebundene Weitergabe von Strukturhilfemitteln an Dritte ist nur zulässig, wenn sich der Empfänger ebenso wie die Samtgemeinde Gartow für die Erfüllung der Entsorgungsaufgaben der BLG am Standort Gorleben einsetzt. Die pauschale Weitergabe von Strukturhilfemitteln an Dritte ist ausgeschlossen."  

BMU-Bereichsleiter Hoffmann beeilte sich, zu versichern, dass das Ministerium "niemals von der Gemeinde Handlungen oder Unterlassungen nach diesem Passus verlangen. Das ist völlig inakzeptabel." Auch andere Formulierungen in dem Vertrag seien nicht rechtskonform. Damit wollte sich der Gartower (grüne) Kreistagsabgeordnete Matthias Gallei nicht zufrieden geben. Er wünschte sich eine schriftliche Bestätigung dieser Aussage.

Flasbarth stellte in Aussicht, dass diesem Wunsch entsprochen werden könne. "Ich nehme das mit und kümmere mich um die Frage," versprach er.

Der an der Ausschusssitzung als Besucher teilnehmende Gartower Samtgemeinde-Bürgermeister Christian Järnecke war nicht begeistert, dass diese Frage jetzt sozusagen als "Chefsache" behandelt wird, trug es aber mit Fassung - und hofft, dass die Angelegenheit mit einer Protokollnotiz erledigt werden kann.

Resümee

Insgesamt gelang es dem Staatssekretär und Interims-Chef der Zwischenlager glaubwürdig zu vermitteln, dass er tatsächlich einen „ernsthaft geführten öffentlichen Diskurs“, wie er es ausdrückte, anstrebt. Selbst langjährige Gorlebengegner wie Martin Donat oder Asta von Oppen zeigten sich nach der Sitzung - mit Einschränkungen zufrieden.

Allerdings konnte in den eineinhalb Stunden, die Flasbarth im Kreishaus verbrachte, längst nicht alle offenen Fragen besprochen werden, wie Donat betonte.

Asta von Oppen und Matthias Gallei (Grüne) waren unzufrieden mit den Äußerungen zum Reparaturkonzept. Außerdem forderten beide, dass das Vorbereitungsverfahren für die Aufbewahrungsgenehmigungen nach 2034 möglichst bald beginnt. Asta von Oppen war aber hochzufrieden, dass Flasbarth dem Anspruch des Nationalen Begleitgremiums, auch für Zwischenlager zuständig zu sein, eine klare Absage erteilt hat.

Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI, sieht durch die Aussagen Flasbarths in den nächsten Jahren viel Arbeit auf die AntiGorleben-Initiative zukommen: "Jetzt haben wir Klarheit über die Pläne des Bundes, wie mit der längerfristigen Zwischenlagerung umgegang  en wird. Ahaus und Gorleben, die Lager, die aus unserer Sicht schon heute nicht mehr genehmigungsfähig sind, sollen also ab 2034 bzw. 2036 in die Verlängerung gehen. Schon heute treten wir dafür ein, dass wegen des Betreiberwechsels eine wunderbare Chance besteht, die Sicherheit aller Zwischenlager auf den Prüfstand zu stellen," so Ehmke. "Wir werden dafür sorgen, dass die Sicherheit und Sicherung der Atomanlagen gegen Anschläge und zivile Unfälle auf der Agenda bleibt," kündigte er an.

Foto | Angelika Blank: Am Mittwoch Vormittag gab Jochen Flasbarth (vorne links), Staatssekretär im Bundesumweltministerium und (Noch)-Chef des Bundesamtes für Zwischenlagerung, dem Atomausschusses des Landkreises Auskunft über die zukünftige Ausrichtung des Zwischenlagers Gorleben.








2018-10-18 ; von Angelika Blank (text),
in Königsberger Straße 10, 29439 Lüchow

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