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Vietze: Streit über Abholzung beigelegt?

Am Dienstag Abend fand die vom Umweltministerium geforderte Informationsveranstaltung über die Abholzungsmaßnahmen an der Elbe statt. Dabei offenbarte sich ein tief sitzender Riss zwischen Befürwortern und Gegnern der Weidenabholzung.

Erst nach der durchgeführten Informationsveranstaltung sollen die Abholzungsmaßnahmen an der Elbe weitergehen - so hatte es das Ministerium "begrüßt" und damit dezent die bereits begonnenen Sägearbeiten vorläufig gestoppt.

Zügig hatte die Gemeinde auf Wunsch des Landes die Einladung zu der Informationsveranstaltung übernommen, denn die Zeit drängt: nur noch bis zum 28. Februar dürfen Bäume im Freiland geschnitten werden. Und Bürgermeister Hans-Joachim Schenk möchte unbedingt vermeiden, dass das Elbufer zweimal zerpflügt werden muss - einmal durch die schweren Geräte bei der Abholzung und zum zweiten Mal beim Bau das Deiches, der im August in Angriff genommen werden soll. Denn Schenk ahnt, dass die Abholzung in diesem Jahr nicht mehr weitergehen wird, sollte sie nicht bis zum 28. Februar abgeschlossen sein. Das Hochwasser macht derartigen Arbeiten immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Nicht zuletzt konnten die bereits im Jahre 2010 beschlossenen Rückschnitte bis heute nicht durchgeführt werden, weil über mehrere Jahre hinweg in den erlaubten Rückschnitt-Zeiträumen zuviel Wasser auf den Wiesen stand.

Dienstag Abend fand nun die gewünschte Informationsveranstaltung statt. Der große Raum des Dorfgemeinschaftshauses in Vietze platzte aus allen Nähten - über 70 Interessierte wollten an der Diskussion teilnehmen. Gekommen waren neben vehementen Gegnern der Weidenabholzung an der Elbe weitaus mehr Befürworter. 

Effekte machen sich im Oberlauf bemerkbar

Ernst-August Schulz, beim Landkreis für die Wasserwirtschaft zuständig und Karsten Petersen, beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NWKN), stellten die Gründe für die ausgedehnte Abholzung von teils hochgeschützten Silberweiden auf einer Länge von rund 1,3 km ausführlich dar.

So machten sowohl Schulz als auch Petersen deutlich, dass der Effekt der Rückschnitte sich nicht in Vietze direkt bemerkbar machen würde, sondern in den Regionen im oberen Flussverlauf, die von dem schnelleren Abfluss im Unterlauf profitieren würden. Umgekehrt würde Vietze von den bereits erfolgten Rückschnitten im Unterlauf z.B. bei Hitzacker, Tiesmesland und Wussegel profitieren.

Damit wiederholten sie ein Credo, welches schon Umwelt-Staatssekretärin Almut Kottwitz Ende 2013 bei einer Tagung in Hitzacker aufgestellt hatte: "Andererseits aber sind wir hier im Unterlauf dafür zuständig, im Falle eines Hochwassers einen möglichst zügigen Ablauf zu organisieren," hatte Kottwitz damals" den Spagat zwischen Naturschutz- und Hochwasserschutz, den die Landesregierung schaffen will, ohne weder in der einen noch in der anderen Richtung zu viele Abstriche machen zu müssen ," skizziert.

Doch eben diesen Spagat konnten mehr als ein Dutzend Gegner der Weidenabholzung nicht nachvollziehen. Sie sahen bei den Planern und Auftraggebern der Abholzung lediglich Willkür und sinnloses Agieren. 

NLWKN: "Maßnahmen sind breit abgestimmt"

Karsten Petersen erläuterte deshalb noch einmal, wie es zu den Abholzungsmaßnahmen gekommen war. Danach hat eine Projektgruppe an der neben dem Wasserschifffahrtsamt auch die Landwirtschaftskammer, der Landkreis, mehrere Deichverbände zwischen Artlenburg und Lüchow-Dannenberg sowie die Biosphärenreservatsverwaltung und zwei Naturschutzverbände beteiligt waren, insgesamt 100 Maßnahmen festgelegt, zu der eben auch diejenige bei Vietze gehört. Da die umfassenden Maßnahmen, wie sie im in Arbeit befindlichen Rahmenplan skizziert werden, noch längere Zeit benötigen werden, habe man sich angesichts des Hochwassers 2013 entschlossen, kurzfristig die wichtigsten Maßnahmen vorzuzuziehen.

Zudem habe man am Fluss in den letzten Jahren immer wieder in ungeschützten Bereichen korrigierend eingegriffen. "Die Maßnahme hier in Vietze betrifft allerdings hoch geschützte Bereiche, die wir uns genehmigen lassen mussten," so Schulz. So sei nicht nur eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, sondern das gesamte Konzept sei in Brüssel vorgestellt und von der zuständigen Kommission genehmigt worden.

"In Brüssel haben wir auch Ausgleichsflächen benennen müssen, ohne die wir die Genehmigung nicht bekommen hätten," so Schulz und Petersen. Doch bei der endgültigen Festlegung dies Ausgleichsflächen hapert es - das musste auch Projektgruppenleiter Karsten Petersen in Vietze einräumen. Eigentümerinteressen oder ungeeignete Flächen behinderten immer wieder die Ausweisung von Ausgleichsflächen. Wieviel sogenannte "Kohärenzflächen" nun aber tatsächlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt festgelegt sind, mochte Petersen so präzise denn doch nicht sagen. "Letztendlich werden wir das im Abschlussbericht an die EU nachweisen müssen," so Petersen. Bis dahin vergeht aber noch einige Zeit, in der die Verantwortlichen des NLWKN weiter fleißig auf Ausgleichsflächensuche gehen können.

Ist dann wirklich Schluss?

Und, so Schulz weiter, die Elbe sei ein dynamischer Fluss, dessen Fließverhalten und Nebenräume sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert hätten. "Auch wir müssen den veränderten Bedingungen immer wieder neu Rechnung tragen und neue Entscheidungen treffen." Hiermit spielte er u.a. auf weitere Abholzungsmaßnahmen an, die womöglich noch folgen könnten. Denn, wie Schulz kurze Zeit später deutlich machte, ist es "durchaus möglich", dass auch direkt am Höhbeck im hoch geschützten C-Gebiet des Biosphärenreservats weitere Rückschnitte vorgenommen werden müssten. Deshalb wollten weder Schulz noch Petersen den KritikerInnen öffentlich zusagen, dass es in Vietze nicht zu weiteren Abholzungsmaßnahmen kommt.

Mit diesem Ansinnen rief er allerdings auch den Widerstand der beiden anwesenden Vertreter der Naturschutzverbände hervor. Eckhard Seebaß, als BUND-Vertreter Mitglied der Projektgruppe, wiederholte auch in Vietze, dass er sich mit Rückschnittmaßnahmen im C-Gebiet nicht einverstanden erklären werde. "Auch dieser jetzigen Maßnahme haben wir nur mit großen Bauchschmerzen zugestimmt, weil die Wasserwirtschaft so einen Druck aufgebaut hatte," so Seebaß.

Die AbholzungsgegnerInnen nahmen die Ausführungen von Schulz und Petersen gelassen auf, stellten interessierte Fragen und enthielten sich ansonsten jeglicher polemischer Kritik. Ganz im Gegenteil jedoch zu Teilen der BefürworterInnen. Hier war ein deutlicher Unmut gegen die "Zugezogenen" zu spüren, die sich "in Dingen zu Worte melden, die sie nichts angingen." Eigentümer von betroffenen Flächen beschwerten sich darüber, dass Kritik an Maßnahmen auf ihnen gehörenden Flächen geübt werde - "das geht doch nur mich etwas an" war ihre verständnislose Reaktion auf die Naturschutz-Kritik an der Abholzung. Hochwasser-Betroffene, die ihre Grundstücke im unteren Bereich des Dorfes direkt an der Elbe besitzen, trieb die Sorge um, dass das Wasser wieder in ihre Häuser eindringen könnte, sollten die Weiden nicht geschnitten werden, außerdem sei das Uferbild in vergangenen Jahrzehnten ein völlig anders gewesen. "Damals hatten wir noch schöne Sandstrände. Seitdem das Ufer nicht mehr gepflegt wird, sind diese Strände allerdings zugewachsen," erzählten "alte Vietzer". Auf der anderen Seite herrschte bei den KritikerInnen Verständnislosigkeit über die Haltung so manches Einheimischen, dass die Weiden an der Elbe lediglich "Unkraut" seien.  

Hintergrund: Bis Ende der 80er Jahre hatte die Bundeswasserstraßen-Verwaltung als Zuständige für die Bundeswasserstraße Elbe die Uferbereich von Aufwuchs frei gehalten, die Buhnen wo notwendig repariert und insgesamt dafür gesorgt, dass der Freiraum der Elbe erhalten bleibt. Im Zuge der Sparmaßnahmen wurden diese Unterhaltungsarbeiten eingestellt und die Pflege den Eigentümern und Gemeinden überlassen. Seitdem hatten sich die Weiden an der Elbe unkontrolliert ausgebreitet. 

Die Ironie in der ganzen Angelegenheit: wie sich alt Eingesessene erinnern, hat die Wasserwirtschaft selber in den 60er Jahren entlang der Elbe junge Weiden eingepflanzt - damals um eine Erosion des Uferbereichs zu verhindern.

Insgesamt war es nur der Besonnenheit der meisten Beteiligten zu verdanken, dass der Konflikt um die Weidenabholzung in Vietze nicht zu einem allgemeinen Dorfkonflikt über die "Rechte von Zugezogenen" eskalierte. 

Foto / Angelika Blank: Weiden an der Elbe - von den Einen geliebt von den Anderen als Unkraut und Abflussverhinderer geschmäht.




2015-02-05 ; von Angelika Blank (autor),
in Vietze, 29478 Höhbeck, Deutschland

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