Ende August startet die Religionsgemeinschaft Ahmadiyya-Muslim-Jamaat in Lüchow-Dannenberg eine groß angelegte Infokampagne. Man wolle die "gute Botschaft" in die Region bringen, so Imam Syed Salman Shah am Donnerstag in einem Pressegespräch.
Auf den ersten Blick wirkt das große Roll Up mit der schwarz-rot-goldenen Aufschrift "Wir sind alle Deutschland" wie ein Plakat der AfD. Doch es ist die Ahmayyida Muslim Jamaat Gruppe die hier für sich wirbt. Das macht der Text unter dem Slogan denn auch schnell klar: "Ein wirklicher Muslim, dem die Lehren seines Glaubens bewusst sind, wird sich immer aufrichtig und loyal dem Land gegenüber verhalten, unter dessen schützendem Schatten er in Frieden lebt. Der Glaubensunterschied hält ihn nicht davon ab, seiner Regierung in Treue verbunden zu sein." Der Satz wird dem aktuellen weltweiten Oberhaupt der Ahmadiyyen, dem Kalifen Hadhrat Mirza Masroor Ahmad zugeschrieben.
Anlass der Pressekonferenz am Donnerstag war die Ankündigung der muslimischen Gruppe, in Lüchow-Dannenberg Ende des Monats eine Infokampagne zu starten. Die "gute Botschaft" will Imam Syed Salman Shah vermitteln. Dabei wolle man offen sein für Jede/n. "Von Liebe getragen" sei die Lehre der Ahmadiyya-Gruppe. "Mit unserer Infokampagne wollen wir Ängste abbauen und Missverständnisse aufklären. Wir wollen in der Welt Frieden etablieren und die Herzen mit Liebe gewinnen," betonte Salman Shah. Von Hass und Gewalttaten der islamistischen Fundamentalisten distanziert sich der Imam eindeutig. Auch Zwang zu einem bestimmten Glauben würde in der Lehre der Ahmayyiden ausdrücklich abgelehnt. "Außerdem sind wir ausdrücklich für die Trennung von Kirche und Staat," so der Imam.
Der 30-Jährige ist in Deutschland geboren und studierte in London
islamische Theologie. In Pakistan, Uganda und Madrid vollendete Salman
Shah seine Studien und machte sich mit der praktischen Arbeit der
islamischen Gruppe vertraut, bevor er in Köln seine erste Stelle als Imam
(Gemeindeleiter) antrat. Seit 2014 ist Salman Shah Imam in Bremen-Stuhr und im Auftrag des Kalifen für alle Gemeinden in Niedersachsen zuständig.
Innerhalb der muslimischen Welt umstritten
Innerhalb der muslimischen Welt versteht sich die Ahmayyida Jamaat als Reformergruppe, deren zentraler Unterschied zu anderen muslimischen Richtungen der Glaube an einen neuen Propheten ist. Der 1835 geborene Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad wird als verheißener Messias gefeiert. "Er offenbart einen plausiblen, überzeugenden Weg zu Gott und formuliert einen Sinn des Lebens, der einleuchtend erscheint und eine tiefe Sehnsucht nach Gott weckt."
Ein liebevoller Dschihad
Auch der Imam und sein Pressesprecher redeten am Donnerstag von einem "Dschihad" (heiliger Krieg), den sie führen, allerdings im Sinne von "Anstrengung, sein eigenes Ego zu überwinden". "Uns geht es darum, die gute Botschaft zu verbreiten und zu versuchen, Missverständnisse zu beseitigen," so der Imam. Um dies zu erreichen, wollen er und seine Mitstreiter in "allen" Dörfern im Landkreis Flyer verteilen, in den großen Orten Infostände betreiben und Dialogabende organisieren, auf denen Christen (und Andersgläubige) und Muslime ins Gespräch kommen sollen.
"Barmherzigkeit, absolute Gerechtigkeit, die Gleichheit von Mann und Frau sowie die Trennung von Kirche und Staat sind unsere zentralen Anliegen," skizziert der Imam die theologischen Grundlagen von Ahmadiyya Jamaat.
Was die Gleichheit von Mann und Frau angeht, so taten sich allerdings schon zu Beginn des Pressegesprächs Fragen auf. Die hingereichte Begrüßungshand der Autorin lehnte der Imam mit der Begründung "wir geben keine Hand" ab. Eine spätere Nachfrage ergab, dass "der Prophet" vorschreibt, dass Männer Frauen nicht die Hand geben dürfen. "Der Grund ist ein tiefer Respekt gegenüber Frauen," interpretiert Salman Shah das Gebot. Aber es geht wohl auch um die kritische Distanz zwischen Mann und Frau, um den Spagat zwischen freundlichem Entgegenkommen und intimer Nähe - auch wenn diese Begründung nicht offen ausgesprochen wurde. Nichtachtung der Frau oder Herabsetzung wies der Imam vehement zurück.
Straßenreinigungsaktionen, ehrenamtliche Unterstützung von Kranken und Alten sowie das Pflanzen von Friedensbäumen, sind Aktionen, mit denen die Gruppierung öffentlich sichtbar wird. „Wir leben hier und sind dankbar, dass Deutschland uns Raum gibt, deshalb wollen wir einen Teil an die Gesellschaft zurückgeben“, so Salman Shah. „Wir lieben unsere Heimat Deutschland und sind loyal zu ihr
und den Bürgern.“
Auch die Religionsfreiheit in Deutschland weiß der Imam sehr zu schätzen. Denn allein der Glaube an einen neuen Prophet nach Mohammed macht die Anhänger von
Ahmayyida Jamaat in streng muslimischen Ländern zu "Abgefallenen", die
ins Gefängnis gesteckt, gefoltert oder auch getötet werden . Salman Shah weiß, dass die verpflichtende Pilgerreise nach Mekka für ihn lebensgefährlich ist. "Wenn ich dort als Ahmayyida erkannt werde, bin ich tot," ist er sich sicher.
Auch in Lüchow-Dannenberg sollen zwei Friedensbäume gepflanzt werden. Wann und wo das geschehen wird, ist zur Stunde noch unbekannt. Am 31. August soll in der Stadtmitte Lüchows der erste Infostand über die Ziele der Ahmayyida Jamaat Gruppe informieren.
HINTERGRUND
1889 in Indien gegründet, stellt die Ahmadiyya Jamaat Gruppe mit vielen zehn Millionen
Mitgliedern in über 204 Ländern weltweit die größte Gemeinschaft unter
den organisierten Muslimen dar. Sie hat ihren Stammsitz in London.
In vielen islamischen Staaten ist
sie eine Minderheit. Die Mitglieder werden oft verfolgt, verhaftet oder sogar getötet.
In Deutschland hat die Gruppe 45 000 Mitglieder in 220 regionalen Gemeinden. Der Kalif ist das weltweite geistige Oberhaupt der Gruppe. Aktuell ist das Hadhrat Mirza Masroor Ahmad , der 5. Kalif nach dem Religionsbegründer Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad (1835 - 1908) .
Die Gruppierung finanziert sich durch Spendensammlungen sowie Beiträgen der Mitglieder. Viele Arbeiten werden ehrenamtlich erledigt, um die Kosten zu senken.
Nach dem Portal "religionen-im-gespraech.de" ist die Ahmayyida-Gruppe die die weltweit größte islamische Gruppe und die "am schnellsten wachsende islamische Reformbewegung unserer Zeit".
Mit mta.tv betreibt die Gruppierung einen - nach eigenem Bekunden ehrenamtlich betriebenen - Fernsender ebenso wie einen Youtube-Kanal.
Aus den Kommunen, in denen Ahmadiyya-Gruppen besonders aktiv sind wie in Freising oder Bremen-Stuhr existiert offenbar eine enge Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung. In Bremen stellte der CDU-Landtagsabgeordnete Volker Meyer anerkennend fest, die Ahmadiyya-Gemeinde trete bereits den täglichen Beweis an, „dass es den Islam gibt, der zu Deutschland gehört“. Und in Bayern lobt Neufahrns Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne) das Engagement der Muslime im Ort. Die Soziologin Kelek hält es allerdings für eine Fehlentscheidung, dass der Ahmadiyya-Gemeinschaft der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gewährt wurde. "Diese Gemeinschaft ist alles andere als offen," kritisierte sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
In ihrer Reihe Christen und Muslime in Niedersachsen hat die Evangelische Landeskirche eine 24-seitige Informationsschrift über die Ahmayyida Muslim Jamaat Gruppe herausgegeben.