Was tun, wenn der Arbeitsmarkt einen trotz aller Bemühungen nicht haben will? Seit fünf Jahren führt die Caritas in Dannenberg einen großen Garten, in dem Langzeitarbeitslose sich engagieren können. Am Freitag war Tag der Offenen Tür.
Karsten Steffenhagen steht der Stolz ins Gesicht geschrieben, als er den Besuchern das neue Gewächshaus vorführt. Als gelernter Schweißer hat er maßgeblich daran gearbeitet, den Eisenaufbau des rund 40 qm großen Gewächshauses herzustellen. Nun wachsen dort üppig Bohnen, Möhren und Gurken, die die Gemüsesaison verlängern.
Trotz einer Ausbildung als Schweißer, so erzählt der rund 40-jährige, bekommt er keine Arbeit mehr, seitdem er sich weiterqualifiziert und verschiedene Schweißerscheine gemacht hatte. Der Grund: mit Schein müssen die Unternehmen ihm Tariflohn zahlen, ohne Schein kann das Gehalt frei ausgehandelt werden - und liegt oft beim Mindestlohn.
So wie Karsten Steffenhagen arbeiten fünfzehn weitere
Langzeitarbeitslose im Gärtnereiprojekt der Caritas Uelzen
Lüchow-Dannenberg am Besenberg in Dannenberg. Sie bereiten den Boden vor, pflanzen, hegen und pflegen, bauen neue Wege sowie einen Brunnen und alle notwendigen Einrichtungen wie einen Sozialraum oder eben das Gewächshaus. Üppig wachsende Bohnen, Tomaten, Möhren, Fenchel- und Sellerieknollen und vieles mehr sind das Ergebnis. Vergangenes Jahr waren es zwei Tonnen Gemüse, die die Teilnehmer des Projektes letztes Jahr ernten konnten - dieses Jahr allein 100 kg Kartoffeln.
Und sie alle haben aus den
unterschiedlichsten Gründen auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance. In der Amtssprache heißt das "erhebliche Vermittlungshemmnisse". Konkret bedeutet das: Schulden, verschiedene Süchte oder soziale bzw. psychische Probleme.
1-Euro-Jobs - begrenzte Chancen für Chancenlose
Um diese Menschen zu unterstützen und "zurück auf den ersten Arbeitsmarkt" zu bringen, gibt es Förderprogramme. Wie hier das Programm "Arbeitsgelegenheiten" - im Volksmund auch "1-Euro-Job" genannt. Die Teilnehmer erhalten zusätzlich zu ihren Jobcenter-Zahlungen 1,00 Euro pro Stunde für ihre Arbeit im Projekt - der Träger erhält pro Teilnehmer eine sogenannte Verwaltungspauschale. Damit soll der Träger seinen Verwaltungsaufwand decken, die Teilnehmer anleiten und qualifizieren sowie sozialpädagogische Betreuung anbieten. Für letztere gibt es ganze 100 Euro pro Monat und Teilnehmer. Macht bei 15 Teilnehmern 1500 Euro Brutto. Damit kann der Träger nicht einmal eine Vollzeitstelle finanzieren. Dabei ist der sozialpädagogische Unterstützungsaufwand gerade bei Langzeitarbeitslosen sehr hoch.
Und: das Gärtnereiprojekt hat nur noch bis Ende des Jahres eine feste
Bewilligung. Wie es ab dem 1. Januar 2018 weitergeht, weiß die Caritas bisher noch nicht. Es besteht die Befürchtung, dass das Förderprogramm "Arbeitsgelegenheiten" des Jobcenters
eingestellt wird - und somit die Finanzierung nicht mehr gegeben ist.
Was tun mit den Chancenlosen?
"In Deutschland gibt es rund 500 000 arbeitslos gemeldete Menschen, die als nicht vermittelbar gelten. Was machen wir mit ihnen? Vergessen wir sie?," fragt Clemens Jansen, Leiter der Caritas-Geschäftsstelle in Dannenberg. Er ist überzeugt, dass es notwendig ist, endlich einen sogenannten "dritten Arbeitsmarkt" einzurichten, auf dem auch die Menschen mit "erheblichen Vermittlungshindernissen" eine Chance haben, sich dauerhaft ein selbst erarbeitetes Einkommen zu erarbeiten. Die Einrichtung eines "Dritten Arbeitsmarktes", also die dauerhafte Beschäftigung von chancenlosen Langzeitarbeitslosen in öffentlich geförderten Betrieben, wurde bereits 2006 intensiv vorangetrieben - das Projekt verschwand dann aber wieder in den Schubladen der Ministerien.
Auch Inge Grantz, Vorstand der Dannenberger Bürgerstiftung, die das Gelände gepachtet hat und auch die Pacht bezahlt, ist der Ansicht, dass öffentlich finanzierte Arbeitsmöglichkeiten sinnvoll wären. "Doch hierfür scheint es ja kein Geld zu sein," so Grantz.
Arbeiten: ja - am Wirtschaftsleben teilnehmen: nein
Den "dritten Arbeitsmarkt" gibt es bis heute nicht. Durchgesetzt hat sich die Skepsis, dass hierdurch die Langzeitarbeitslosen endgültig aufs Abstellgleis geschoben werden. Die Finanzierbarkeit war dabei ein weiteres Argument. Das Gärtnereiprojekt darf seine Produkte also weiterhin nicht öffentlich verkaufen. Und Tätigkeiten für die Gemeinde übernehmen? Geht auch nicht, denn die chronisch klammen Kommunen können kaum zusätzliche Kosten aufbringen und die Jobcenter dürfen keine Gelder direkt an die Kommunen zur Bezahlung von Arbeitsleistungen abgeben.
Für die Arbeitslosen beißt sich da die Katze in den Schwanz: sie dürfen zwar arbeiten und sich qualifizieren, ihre Arbeitsergebnisse allerdings dürfen auf dem Markt nicht angeboten werden. Und in den 1-Euro-Jobs können sie nicht lange bleiben. Üblicherweise sind diese auf ein halbes Jahr begrenzt.
So bleibt auch dem Gärtnereiprojekt in Dannenberg nur, ihre Teilnehmer so gut wie möglich zu qualifizieren und ihnen auch sozial wieder auf die Beine zu helfen. Und die üppige Ernte kann weiterhin nur an soziale Projekte wie die Tafel, die Mehrgenerationenhäuser oder die "Brücke" abgegeben werden. Am Tag der offenen Tür war es immerhin auch für Privatleute möglich, etwas Gemüse gegen die Zahlung einer Spende mitzunehmen. Eine eigenständige Finanzierung ist auf diese Weise nicht möglich.
"Mein Ziel ist, dass es hier weitergeht"
Fabian Huske, seit Juni Geschäftsführer des Jobcenters Lüchow, ist auch der Ansicht, dass die Einrichtung eines dritten Arbeitsmarktes sinnvoll wäre, doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen ließen dies im Moment nicht zu. Aber Huske betont, dass "wir auf jeden Fall niederschwellige Angebote" brauchen. Und: "Mit der Caritas Uelzen Lüchow-Dannenberg haben wir einen Partner, mit dem wir schon lange gut zusammenarbeiten. Das wollen wir gerne fortsetzen. Hier soll es auf jeden Fall weitergehen."
Immerhin etwas beruhigende Worte für die Caritas und die Arbeiter im Gärtnereiprojekt. Was allerdings die Frage nach dem Förderprogramm angeht, so wollte Huske sich am Tag der offenen Tür nicht festlegen. "Die Planung für Maßnahmen im nächsten Jahr beginnt im September. Erst dann werden - und können - wir gemeinsam überlegen, welches das sinnvollste Förderprogramm ist."
Zwischen den Zeilen war deutlich zu hören, dass Huske von der Caritas erwartet, dass sie sich als Bildungsträger zertifizieren lässt, damit weitere Betreuungs- und Qualifizierungsmaßnahmen möglich werden. Dies ist aber für die Caritas keine Hürde. Wie Clemens Jansen erklärte, sind die Vorbereitungen für die Zertifizierung bereits angelaufen.
Solange sie die Chance haben, arbeiten die "Jungs" (in diesem Jahr hat sich lediglich eine Frau bereit gefunden, die schwere Arbeit mitzumachen) eifrig weiter in "ihrem" Garten. Eine für derartige Projekte außergewöhnliche Anwesenheitsquote von rund 90 % beweist, wie gerne sie zur Arbeit gehen. Das Lob und die Anerkennung ihrer "Kunden" tut ihnen gut.
Und wenn sie gigantische Kohlköpfe oder prächtig gewachsene Gurken abgeben können, dann gilt der Stolz nicht nur ihrer eigenen Arbeit sondern auch der des Teams. Denn ein positives Miteinander gehört auch zu den Erfolgen des Gärtnereiprojektes.
Melancholie kommt nur auf, wenn ihnen bewusst wird, dass ihre Zeit im Projekt bald abläuft, weshalb immer wieder "Ehemalige" freiwillig weiter mitmachen - ohne Bezahlung.
Fotos | Angelika Blank: Am Tag der offenen Tür freuten sich zahlreiche Besucher über die erfolgreiche Arbeit im Gartnereiprojekt.