Klaus Poggendorf war zwischen 1978 und 1996 Oberkreisdirektor des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Als solcher hat er die Ansiedlung der Atommüll-Anlagen in Gorleben massiv befördert. Am Donnerstag referierte der Ex-OKD in Dannenberg über "Medien, Macht und Moral".
Was ihn im Zusammenhang mit "den Medien" bis heute umtreibt, machte Klaus Poggendorf gleich zu Beginn seiner Lesung deutlich: "Die Medien sind in unserer Gesellschaft nicht nur Wächter, sondern auch Akteure im politischen Ringen um die Macht," so Poggendorf. Vor allem dass die Medien im "politischen Ringen um die Macht" auch eine - von der Gesellschaft anerkannte - Rolle spielen, scheint der ehemalige Verwaltungschef bis heute nicht akzeptieren zu wollen, wie der weitere Verlauf des Abends zeigte.
Anders als die Überschrift des Abends "Medien, Macht und Moral" erwarten ließ, beschäftigte sich der Ex-Oberkreisdirektor in seiner Lesung rund eine Stunde lang mit der nach seiner Meinung höchst einseitigen Sicht der Medien auf "aus machtpolitischen Gründen ausgewählte Themen."
Eingeladen zu der Veranstaltung hatte übrigens das Seniorenkolleg Lüchow-Dannenberg.
Die Glaubenssätze des Herrn Poggendorf
Anhand verschiedener Beispiele (der "Fall" Eva Hermann, der mediale Umgang mit Thilo Sarrazin bzw. den PEGIDA-Demonstrationen ...) versuchte Poggendorf nachzuweisen, dass "die Medien" nur daran interessiert sind, bestimmte, nämlich ihre eigenen, Meinungen zu lancieren und jegliche andersartige Sichtweisen zu ignorieren.
Interessanterweise brachte Poggendorf vor allem Beispiele an, in denen Gruppierungen bzw. Menschen wegen ihrer rechtspopulistischen Haltung (Eva Hermann über die Würdigung der Mutter im Dritten Reich), ausländerfeindlicher Haltungen (Thilo Sarrazin) bzw. neo-nationalsozialistischer Tendenzen (PEGIDA) in die Kritik der Medien geraten waren. Die häufig vorgekommenen verfälschenden Darstellungen der Medien über linksalternative bzw. -politische Aktivitäten fanden bei Poggendorf keinerlei Erwähnung.
Über eine Stunde nutzte der seit über 18 Jahren pensionierte Verwaltungsmann das öffentliche Forum, über seine Glaubenssätze in Sachen Erneuerbare Energien ("bringt nichts" und "erhöht für den Bürger die Kosten"), Klimawandel ("wird von den Medien herbeigeredet", "andersdenkende Wissenschaftler kommen nicht zu Wort"), Fracking ("unschädlich und profitabel") oder Atommüllpolitik zu referieren. In seliger Ignoranz präsentierte Poggendorf Zahlen und Fakten zu Fracking oder Klimawandel ausschließlich aus Sicht der jeweils befürwortenden Wissenschaftler - kritische wissenschaftliche Betrachtungen z.B. zu Fracking ließ er völlig außer Acht.
Geschichtsvergessenheit im Dienste der eigenen Wahrheit?
Und was den medialen Umgang mit der Atommüllpolitik angeht, verlor Poggendorf kein Wort darüber, in welcher Art und Weise er selbst in seinem Amt als Oberkreisdirektor mit der Anti-Gorlebenbewegung umgegangen war. So wurden Einstellungsbewerber zu ihrer Haltung gegenüber einem womöglichen Atommüll-Endlager in Gorleben befragt. SchülerInnen wurde signalisiert, sie könnten nicht auf eine Einstellung im Kreishaus hoffen, wenn sie sich an Anti-Gorleben-Demonstrationen beteiligen würden und den Kreisbediensteten wurde per Dienstanweisung untersagt, "in irgendeiner Form" mit der gorlebenkritischen Veranstaltung "Kulturellen Landpartie" , damals noch "wunde.r.punkte", zusammenzuarbeiten. Ganz abgesehen von den Herabwürdigungen von AtomkraftgegnerInnen auf einer sehr persönlichen Ebene.
Und der Elbe-Jeetzel-Zeitung drohte der damalige Oberkreisdirektor wegen ihrer deutlich kritischen Haltung gegenüber der Ansiedlung eines Atommüll-Endlagers in Gorleben immer wieder mit dem Entzug der einträglichen "Amtlichen Bekanntmachungen".
Von all dem war während der Veranstaltung in Dannenberg keine Rede. Immerhin - die Lesung von Klaus Poggendorf blieb nicht unwidersprochen. Einige der rund 30 ZuhörerInnen beschwerten sich über Poggendorfs einseitige Darstellung der Dinge - zum Beispiel in Sachen Fracking. "Sie ignorieren vollständig die Gefährdung der Umwelt durch Fracking," warf ihm ein Zuhörer vor. Und eine Zuhörerin hatte sich unter dem Thema "Medien, Macht und Moral" eher vorgestellt, dass Poggendorf über die Wechselbeziehung zwischen JournalistInnen und Machtinhabern und ihre gesellschaftlich wahrnehmbare Moral nachgedacht hätte.
Dem Seniorenkolleg als Veranstalter dieser Lesung ist für den Abend zu danken. Lieferte er doch den Beweis dafür, dass es eine Kultur der Toleranz gibt, die selbst den fragwürdigsten Thesen einen öffentlichen Raum gibt, in dem sie respektvoll diskutiert werden können - ohne dass der Referent hinausgeworfen wird. Das ist echte Altersweisheit.
Foto / Angelika Blank: Der ehemalige Oberkreisdirektor Klaus Poggendorf ließ an "den Medien" in seiner Lesung kein gutes Haar.