Getön, Gestank, Gegrabsche, Gebackenes, Gesichter: Wahrlich alle Sinne waren beteiligt an der Zeitreise, auf die Franz Klahn am Sonnabend im voll besetzen Saal des Kulturvereins Platenlaase das Publikum mitnahm. Zum letzten Mal hatte der Dannenberger sein Ein-Mann-Programm „Stammkneipe“ aufgelegt.
Ja, es hat sie wirklich gegeben, diese Kneipe, die Franz Klahn leicht verändert „Elbklause“ nannte (gibts nicht n o c h einen Fluss in Dannenberg??), so wie er auch die Stammgäste, wenn er sie erwähnte, dezent anonymisierte. Doch aus der Schwärze des Saales schallten dann und wann die echten Namen aus wissenden Kehlen, durch die wohl vor gut drei Jahrzehnten auch das Bier oder der Rhabarbersaft in besagter Wirtsstube gelaufen war.
40 Zentimeter wendisches Glücksgefühl
Es erfreuten sich an der Retrospektive vor allem jene Jahrgänge, deren Vertreterinnen und Vertreter selbst in der Klause gehockt oder zumindest von ihr gehört hatten und die nun, etwa als Abgeordneter, Bürgermeister, Arzt, Hotelier, Sozialpädagoge oder in sonst einer honorigen Position etabliert, in der Phantasie Wirt „Archies“ berühmte Currywurst auferstehen ließen. Klahn beschwor nicht nur dieses 40 Zentimeter lange Stück „wendisches Glücksgefühl“ – Franz sprach auch von „Klostertrost“ -, sondern auch die Zeit vor der Stammkneipe.
Jene Jahre, in denen Knabe Klahn in einer örtlichen Friseurstube einen ordentlichen Faconschnitt erdulden musste und dabei erlebte, wo und wie in Dannenberg „bis in die 80er Jahre“ Beratung zur Familienplanung betrieben wurde: beim Friseur, durch Verkauf von Schachteln mit dem Aufdruck „Fromms“. Warum Klahn vom Friseur erzählte? Nun, ein Mitarbeiter desselben nahm eines Tages statt der Schere den Zapfhahn in die Hand, eröffnete die legendäre „Elbklause“.
Lila Latzhosen und der Pimperprinz
Gar vieles, das die Kneipe legendär werden ließ, brachte Franz Klahn so vortrefflich in Wort, Mimik und Gestik herüber, dass sich auch diejenigen, die „Archies“ Gefilde nicht selbst kennen gelernt hatten, hinein versetzt fühlen konnten in diese gastronomische Einzigartigkeit. Es waren die mit so ernster Miene, aber doch teils schwärmerisch in Vergangenem schwelgend dargestellten Kleinigkeiten des Kneipenlebens, die das Publikum immer wieder zu Beifall und herzhaftem Lachen bewegten.
Die detailverliebte Beschreibung der Currywurst beispielsweise. Sie verdankte ihren unverwechselbar guten Geschmack laut Franz Klahn unter anderem der Tatsache, dass sie in einem Gefäß gesotten wurde, aus dessen Ritzen heraus eine frühere Grünkohlmahlzeit noch immer pikantes Aroma spendete. Oder das Auftauchen einer Lila-Latzhosen-Fraktion aus der Fachschule für Sozialpädagogik und das Erscheinen flotter Reiterinnen.
Weibliche Präsenz habe in männlichen Gästen – einen verbarg Klahn hinter dem Namen „Pimperprinz“ - die Tanzlust (ab und zu auch mehr) geweckt. Rhythmisches dazu, etwa Freddy Quinns „Gitarre und das Meer“, gabs aus der Jukebox, denn „Live-Musik kannte man damals in Dannenberg nur vom Zapfenstreich der Schützengilde“, verriet der humorige Chronist. Und immer wieder Lob für Wirt „Archie“, für seine trostreiche Worte etwa, die er für die Gäste parat gehabt habe, wenn ein Salami-Käse-Croque nach stündiger Wartezeit serviert wurde: „Kurz vor Mitternacht schmeckts doch am Besten!“
Meditation auf dem Dixi-Lokus
Auch in Dannenberg und Umgegend gibts ein Leben außerhalb der Kneipe, und so nahm Franz Klahn auch einiges, was „draußen“ geschah und geschieht, gekonnt auf die Schippe: Eine spießige Silberhochzeitsfeier beispielsweise besang er ähnlich giftig wie einst Franz-Josef Degenhardt den Deutschen Spießersonntag, und für Lachsalven sorgte auch Klahns Hommage an das Dixi-Klo, das er als „gute Stube feister Brummer und Maurergesellen“ und als geeigneten Ort zur Meditation mit der Bild-Zeitung kennzeichnete. Selbstbekenntnisse des Sängers fehlten nicht, so erinnerte er in wehmütiger Ode an eine verflossene Liebe, eine rosige Fleischerei-Fachverkäuferin, in deren Händen er sich wie ein Lachsschinken gefühlt hatte.
Ziegen besonders kussfreudig
Die Liebe zur Landwirtschaft dagegen offenbarte Franz Klahn in der Rolle des Bauern Lothar, der sich darüber freut, dass Ziegen „besonders kussfreudig“ seien, der seine Zuneigung zum Deutschen Hybridschweinen beichtet und an seinen Opa denkt, der ihm geraten hatte: „Sodomie ist gelebtes Brauchtum“. Als galliger Feuerwehr-Oberlöschmeister gab der Dannenberger (unbrauchbare) Tipps zur Brandverhütung, warb für die nicht-entflammbare Badehose, und das alles mit einem solchen Bierernst, dass wiederum hörbare Heiterkeit den vierschrötigen Blaurock belohnte.
Wenn Männer nicht richtig zielen können
Klar, Klahn erfüllte die laustarken Bitten um Zugabe sogleich, und er hatte sich dafür ein besonderes Bonbon aufgehoben: einen Besuch im Kneipenklo. Drastisch der Zustandsbericht, wirklich drastisch. Neben Lachern und Klatschen, war hier und da auch ein „Ihhhhh!“ aus dem Zuschauerraum zu vernehmen, zum Beispiel, als der Vortragende ausgesprochen detailliert seine olfaktorischen Eindrücke schilderte: strenge Gerüche, die ihren Grund offenbar im unsicheren Zielvermögen männlicher Lokusgäste hatten.
Gewissermaßen zur Versöhnung entließ Franz Klahn mit dem netten Lied „Wendland, ick mog di“, und wie sehr die Anwesenden den Trip in die Stammkneipe mochten, zeigte der verdiente, lebhafte Applaus. Und manch einer mag gedacht haben: „Mach weiter, Franz! Du machst das gut!“
Fotos: Hagen Jung
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