Uneinigkeit über das weitere Vorgehen ins Sachen Zukunftsvertrag kennzeichnete die Kreistagssitzung am Montag in Hitzacker. Während die einen für jegliche Form von Gemeindeverschmelzungen rechtliche Probleme sahen, mahnte andere Abgeordnete ein gemeinsames Vorgehen an.
Eigentlich sollte Landrat Jürgen Schulz nur über den aktuellen Stand in Sachen Strukturreform informieren. Das Thema befindet sich seit längerer Zeit als Routine-Punkt auf der Tagesordnung des Kreistage. Doch dieses Mal löste der Bericht des Landrates längere Diskussionen aus.
Kein Wunder, denn auf einem Sonder-Kreistag am 4. Juli will das Gremium bereits über konkrete Konzepte beraten und möglichst abstimmen. Doch diese Konzepte waren in der Montags-Sitzung nicht ansatzweise zu erkennen.
Grob ließ sich erkennen, dass die Abgeordneten die Zusammenlegung aller Gemeinden zu einer „selbständigen Gemeinde“ als sinnvollstes Konstrukt ins Auge fassen. Doch so optimistisch wie Landrat Jürgen Schulz die Bereitschaft der Samtgemeinden sah, sich in ein derartiges Konzept zu integrieren, sahen es z. B. Kurt Herzog (LINKE) nicht.
Bedenken über Bedenken
Er äußerte massive Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, wenn über 20 Einzelgemeinden in einem Gesamtkonstrukt aufgehen sollen. In der niedersächsischen Kommunalverfassung sei eindeutig geregelt, dass höchstens 10 – 12 Gemeinden zusammengeschlossen werden dürfen. Landrat Jürgen Schulz hatte dazu eine gänzlich andere Rechtsmeinung. „Diese Regelung ist mit der Neuordnung der Kommunalverfassung aus dem Gesetz verschwunden. Heute findet sich im Gesetzestext keine Zahl mehr.“ Allerdings, so Schulz, würden viele Rechts-Kommentatoren immer noch von einer sinnvollen Größe von ca. 12 Gemeinden ausgehen. „Beim Ministerium wird derzeit geprüft, wie die Rechtssituation wirklich ist.“
Angesichts der grundlegend genervten Kommunikationsform zwischen bunter Gruppe einerseits und CDU andererseits besteht Grund zur Annahme, dass ein gemeinsames Konzept aller Kreistagsabgeordneten – zumal derzeit noch offen ist, ob und unter welchen Bedingungen die drei Samtgemeinden und ihre angeschlossenen Gliedgemeinden sich unter einem neuen Dach „selbständige Samtgemeinde“ einfinden wollen.
Wie soll der Landkreis in 10 Jahren aussehen?
Hitzackers Bürgermeister Karl-Heinz Jastram stellte vielleicht die entscheidendste Frage an seine Mit-Abgeordneten: „Wie soll der Landkreis in 10 Jahren aussehen? Wie wollen wir dann aufgestellt sein?“ Es nütze nichts, nur Bedenken zu äußern und nicht gemeinsame Ziele zu entwickeln, um sie dann in ein konkretes Konzept umzuarbeiten.
Für Kurt Herzog aber sind viele Fragen noch nicht geklärt wie z.B. die nach den Aufgaben einer zukünftigen selbständigen Gemeinde. Es gäbe noch X Unbekannte in dem Verfahren wie z.B. auch die Frage, ob und wie die Landkreise Uelzen und Lüneburg aus dem gerade abgeschlossenen Zukunftsvertrag mit dem Land wieder herauskommen, wenn sie dann doch mit dem Landkreis Lüchow-Dannenberg fusionieren wollten. Auch der zeitliche Ablauf sei ungeklärt, so Herzog.
CDU-Abgeordneter David Beecken will den Landkreis auf jeden Fall erhalten. „Herzogs Beitrag ist destruktiv und führt zu keiner Lösung,“ so Beecken. „Als geborener Lüchow-Dannenberger liegt mir sehr viel daran, das Ganze zu erhalten. Und immerhin: mit dem Geld aus dem Zukunftsvertrag könnte die Pro-Kopf-Verschuldung unter 5000,- Euro gesenkt werden.“
Die Zeit wird knapp
Konkrete Ideen, wie die Eigenständigkeit des Landkreises zu erhalten sei, hatte jedoch auch Beecken nicht. „Angst und Bange“ wurde es dem UWG-Abgeordneten Udo Sperling aus Jameln angesichts der konfusen Diskussion. „Ich erkenne hier keine Ziele, keine Struktur.“ Deswegen macht sich Sperling große Sorgen, dass es nicht rechtzeitig genug gelingt, mit einem klugen Konzept in die Verhandlungen mit dem Land zu treten.
Denn bereits auf dem Sonder-Kreistag am 4. Juli sollen Richtung weisende Beschlüsse gefasst werden. Bis zum März 2013 muss dann der Vorschlag aus Lüchow-Dannenberg beim Land eingegangen sein, um noch von den Angeboten des Zukunftsvertrages profitieren zu können. Zur Erinnerung: das Land hatte angeboten, 75 % der Kassenkredite zu übernehmen und weitere Aufgaben an den Landkreis bzw. das neue Konstrukt zu übergeben, wenn es gelingt, ein Konzept zu entwickeln, dass für 10 Jahre schuldenfreie Haushalte skizziert.
Doch beileibe nicht alle Gruppierungen im Kreistag wollen überhaupt an einem Konzept arbeiten. Für die GLW fragte sich Hermann Klepper, ob nicht eine Klage beim Staatsgerichtshof auf Finanzierung des chronisch klammen Landkreises sinnvoller sei. Es gäbe schließlich kaum noch etwas einzusparen. Auch Hans-Christian Lange von den Grünen fragt sich, ob es nicht besser sei, zu klagen.
Gelingt es den Verantwortlichen nicht, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, das vom Land akzeptiert wird, so könnte womöglich das eintreten, was CDU-Abgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock skizzierte: „Wenn wir abwarten und nichts tun, dann werden wir behandelt.“ Das wolle sie auf keinen Fall, da sei es doch besser, vorher aktiv zu werden und gemeinsame Ziele und Forderungen zu entwickeln.
Foto: Unter dem Motto "Zukunft gemeinsam gestalten" hatte der Landkreis eine Online-Bürgerbefragung gestartet, an der über tausend User teilnahmen. Aber auch hier ergab sich kein einheitliches Bild