Symposium: Landwirtschaft gefährdet Trinkwasserversorgung

Seit 2001 steigt die Belastung des Trinkwassers in Niedersachsen durch Nitratstickstoff wieder an. Vor allem in West-Niedersachsen übersteigen die Nitratwerte vielfach die Grenzwerte um mehr als das Doppelte.

Vergangene Woche musste Umweltminister Stefan Birkner nach einem Fachsymposium des Wasserverbandstages über die Sicherung der Trinkwasserqualität in Niedersachsen einräumen, dass die mit der Wasserrahmenrichtlinie europaweit festgelegten Qualitätsziele für Gewässer verfehlt werden könnten. Denn insbesondere in oberflächennahen Grundwassermessstellen finden die Experten immer wieder Anzeichen für steigende Nitratwerte.

Die Situation ist im westliche Niedersachsen inzwischen so ernst - dort ergeben die Messungen vielfach eine doppelt so hohe Nitratbelastung wie zugelassen -, dass Umweltminister Birkner und Landwirtschaftsminister Lindemann nach dem Fachsymposium deutliche Worte in Richtung Landwirtschaft sprachen. In den vergangenen Jahren sei "als Folge geänderter agrarpolitischer Rahmenbedingungen" Dauergrünland in einigen Regionen Niedersachsens in nicht unerheblichem Umfang in Ackerland umgewandelt worden; stillgelegte Ackerflächen seien wieder in Kultur genommen, so Birkner und Lindemann in einer gemeinsamen Erklärung. "Hinzu kommen in einigen Regionen steigende Viehbestände und eine wachsende Zahl von Biogasanlagen," heißt es in der Mitteilung weiter. "Diese Veränderungen führen in intensiv genutzten Veredelungsregionen, insbesondere im Westen Niedersachsens, zu hohen Nährstoffüberschüssen mit dem Risiko steigender Belastungen für Luft und Gewässer."

Noch ist das Wasser in Lüchow-Dannenberg in Ordnung

Auch wenn in Lüchow-Dannenberg die Grenzwerte für Nitratbelastung des Trinkwassers (50 mg/l) längst nicht erreicht werden, so sind sich doch die Wasser-Verantwortlichen in der Region einig, dass sich dies womöglich bald ändern könnte. Im Gartower Raum verhindert ein rund 80 m dickes Deckgebirge schnelle Einträge aus der Bodendüngung in das Grundwasser. "Aber trotzdem müssen wir wachsam bleiben, denn wenn sich die Düngemengen nicht ändern, dann werden wir in spätestens 30 Jahren über Trinkwasseraufbereitung nachdenken müssen, weil das Grundwasser zu hoch belastet ist" so Hans-Heinrich Drimalski, Kämmerer in Gartow.

Dr. Klaus Horchelhahn, Vorstand des Wasserverbands Dannenberg-Hitzacker kAöR , setzt bisher auf eine erfolgreiche freiwillige Zusammenarbeit mit den Landwirten. Fachberatungen informieren über moderate Düngungsverfahren, zusätzlich erhalten sie Entschädigungen für extensivere Anbaumethoden. Diese Zusatzberatung wird über eine Kooperation der Wasserverbände - gemeinsam mit den WBVs des Landkreises Harburg - landkreisübergreifend organisiert.

Birkner: Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft konsequent entgegen treten

Zur Verhinderung von Grundwasserbelastungen erwartet Umweltminister Birkner einen höheren Beitrag der Landwirtschaft. "Jede Düngung, die über den Pflanzenbedarf hinausgeht, belastet die Gewässer, den Naturhaushalt und das Klima." Ebenso deutlich äußerte sich Landwirtschaftsminister Lindemann: „Auch wir nehmen die erhöhten Nitratwerte sehr ernst und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um dem entgegen zu wirken. Ein Bündel von Maßnahmen ist erforderlich, und die ersten Schritte haben wir bereits getan. Auf unsere Initiative hin wurde das Düngegesetz geändert, die Bundes-Verbringungsverordnung für Nährstoffe novelliert; und wir werden diese durch eine eigene Landesverordnung, die am 1. Juli in Kraft treten wird, verschärfen. Weitere Maßnahmen zur Senkung der Nitratüberschüsse werden folgen, um die EU-Vorgaben einzuhalten.“ Mit der neuen Verordnung drohen den Landwirten hohe Geldbußen bis zu 50 000 Euro, wenn sie ihren Mitteilungspflichten nicht nachkommen.

Denn bisher hatte sich nur jeder dritte Landwirte an die Meldepflicht für Gülletransport und -ausbringung gehalten. Nicht nur die Wasserverbände kritisieren schon seit längerem, dass die im Herbst 2010 in Kraft getretene Verbringungsverordnung nicht ausreichend kontrolliert wird.

Kritik an fehlender Durchsetzung der Mitteilungspflichten

"Nach ersten Auswertungen der Landwirtschaftskammer sind knapp eineinhalb Jahr nach Inkrafttreten erst rund ein Drittel der Betriebe ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen, erst jetzt droht die Landwirtschaftskammer Geldbußen für den Fall des Verstoßes gegen die Verbringungsverordnung an," kritisierte die SPD-Landtagsabgeordnete Renate Geuter noch im April die geltende Praxis.

Auch der Niedersächsische Landkreistag begrüßt die neuen Regelungen zur Wirtschaftsdüngerverbringung. „Für einen wirksamen Vollzug ist ein betriebs- und behördenübergreifender Datenabgleich zur Überprüfung des Inverkehrbringens von Wirtschaftsdünger und zur Kontrolle der baurechtlichen Bestimmungen erforderlich," sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Hubert Meyer vom Niedersächsischen Landkreistag.

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist sich der Verantwortung der Landwirte für sauberes Trinkwasser "sehr bewusst", wie der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Arendt Meyer zu Wehdel, erklärte.  „Die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Bioenergie darf nicht zu einer Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser führen." Meyer zu Wehdel setzt zur Gewährleistung dieses Zieles auf eine sinnvolle Kombination von zielgerichteter Beratung, Qualifizierung und technologischer Innovation mit ordnungsrechtlichen Vorgaben. "Eine sinnvolle Kombination dieser Maßnahmen ist nur durch eine enge Kooperation aller beteiligten Akteure zu erreichen," so Meyer zu Wehdel.

Skepsis beim Bauernverband

Das Landvolk allerdings sieht die bisherigen gesetzlichen Vorgaben als ausreichend an. „Die Gefahr von Umweltbelastungen durch eine regionale Konzentration der Tierhaltung oder Biogaserzeugung nehmen die Landwirte ernst“, sagte der Vizepräsident des Niedersächsischen Landvolks, Heinz Korte. Dennoch schließe weder die intensive Bewirtschaftung, noch die betriebliche Spezialisierung eine nachhaltige Bodennutzung und bedarfsgerechte Düngung aus. Korte ist gar der Ansicht, dass die in den Wirtschaftsdüngern enthaltenen Nährstoffe im Sinne der Kreislaufwirtschaft den Mineraldüngereinsatz reduzieren könnten.

Um die Nährstoffe allerdings noch effektiver ausnutzen zu können, seien neue Verfahren und sehr große Lagerbehälter erforderlich, was hohe Investitionen erfordere, die sich nur wettbewerbsfähige Betriebe leisten könnten - oder diejenigen, die auf Subventionen zurückgreifen könnten.

Grüne: Massentierhaltung und fehlende Kontrolle Ursache

Den Grünen im Landtag reichen die beschlossenen Maßnahmen nicht aus. Umweltminister Birkner ziehe aus dem "öffentlich eingestandenen Nichterreichen der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie" falsche Konsequenzen, so der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel. "Nach neun Jahren schwarz-gelber Umwelt- und Naturschutzpolitik ist der Umweltminister gezwungen bei der EU eine Fristverlängerung zu beantragen", kritisierte Wenzel.

Der Ausbau der industriellen Massentierhaltung und der Verzicht auf eine wirksame Güllekontrolle hätten in einigen Bereichen zu einer steigenden Grundwasserbelastung geführt. Es führe kein Weg daran vorbei, dass die Tierzahlen in Niedersachsen an die vorhandene Fläche in den Regionen angepasst werden müssen und die Mehrfachdüngung einiger Flächen durch ein Güllekataster unterbunden werden.

Die von Landwirtschaftsminister Lindemann geplante "Güllebehörde" in der Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer sei keine wirksame Maßnahme. Besser wäre es, den Landkreisen die von ihnen geforderten Kontrollinstrumente in die Hand zu geben, um Verstöße gegen das Bau- und Wasserrecht feststellen und ahnden zu können. "Damit wird die unsägliche Politik der Vergangenheit, dass sich die Landwirtschaft selbst kontrolliert, fortgesetzt", sagte der agrarpolitische Sprecher Christian Meyer. "CDU und FDP trauen sich nicht, sich mit der mächtigen Massentierhaltungslobby anzulegen."

Die vom Landvolk geforderten neuen Subventionen zur Lösung des Gülleproblems hält der Grünen-Politiker für "unsinnig und den Steuerzahlern nicht vermittelbar."

Die vollständigen Diskussionspapiere des Fachsymposiums zum Gewässerschutz - Situationsanalysen und Lösungsvorschläge - können hier! heruntergeladen werden.

Foto: Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-24668-0005 - "Auf dem Leinenschlag der LPG "Walter Ulbricht" in Falkenberg-Kiebitz, Bez. Kottbus, stäubt Traktorist Gerhard Pfeiffer von der MTS Herzberg Kalkarsen gegen Erdflöhe. Beifahrerin ist die Genossenschaftsbäuerin Johanna Schulz" (historische Bildunterschrift aus dem Jahre 1954)

Aus der historischen Originalbeschreibung: "Gute Pflege - reiche Ernten. Je besser und gewissenhafter die Pflegearbeiten durchgeführt werden, desto höher werden die Ernteerträge sein. Die Maschinen- und Traktorenstationen haben jetzt die wichtige Aufgabe, den Boden sorgfältig mit mechanischen und chemischen Mitteln zu bearbeiten, damit der locker bleibt und die Entwicklung des Unkrautes verhindert wird."




2012-06-12 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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