Bali - was war da? Da war doch was. Erst seit 10 Tagen bin ich wieder in Europa und trotzdem erscheint die UNO-Klimakonferenz sich in einer anderen Zeit und auf einem anderen Planeten ereignet zu haben. Nun liegt zwar Nusa Dua mit seinen Hotelpalästen wirklich in einer Welt, die ich noch nicht kannte. Aber die Verhandlungen über Klimaschutz hat es dort gegeben. Nächtelang wurde gerungen, wie denn nun eine angemessene Resolution aussehen muss. Ein Text sollte geschrieben werden, der den Erkenntnissen gerecht wird, die von IPCC, dem Wissenschaftlerrat der UNO zum Klimawandel, in den letzten Monaten vorgestellt worden sind.
Die Verhandlungen folgten dem schon bekannten Muster. Eine Woche lang war auf Beamtenebene ein Text erstellt worden. Am Wochenende vor dem eigentlichen Gipfel waren die Unterhändler erstaunlich entspannt und zufrieden mit ihrer Arbeit. Nach Ankunft der Chefs der Klimareferate verdüsterte sich die Einschätzung. Dann ging der Vorhang hoch für die Minister, die wie immer pünktlich am Mittwoch eintrafen, um am Donnerstag alles in Frage zu stellen. Freitag lag der Text in Trümmern. Ein Kompromiss galt als fast unvorstellbar. Nachts wurde dann intensiv diskutiert oder auch "Klartext gesprochen". Große Auftritte. Abgekämpfte, übermüdete, schwitzende Minister setzten die Flurkommunikation über Konflikte, Strategien und das Ende der Fahnenstangen in Gang. Aber am Morgen blieb weiter alles offen. Ob es Argumente oder Tränen waren, die nicht nur auf dem Panel, sondern auch im großen Plenarsaal reichlich flossen, die dann am Sonnabend doch noch zum gemeinsamen Beschluss geführt haben, ist schwer zu beurteilen. Unter den vielen Delegierten, die noch am Sonnabend die Verhandlungen verfolgten, gab es eine spürbare kollektive Erleichterung. Dass die US-Delegation nicht in totaler Isolation abreisen wollte, war auch ein Ergebnis der konstruktiven Verhandlungsführung der Chinesen und einiger Entwicklungsländer. Aber es bleibt die große Enttäuschung über einen sehr schwachen Text, der durch die USA-Vorschläge systematisch verwässert wurde. Die Klima-Enthusiasten freuten sich in Bali am Ende über den Schulterschluss zwischen den Europäern und den Entwicklungsländern. Und sie vertrösteten am Ende die Enttäuschten auf die Verhandlungen der nächsten zwei Jahre und den weiteren Weg mit der UNO über Posen nach Kopenhagen. In diesen Städten werden die nächsten beiden Weltklimakonferenzen 2008 und 2009 stattfinden.
Natürlich war auch ich dafür, dass die Resolution trotz aller Mängel unterschrieben wurde. Aber dabei geht es schon mehr um die UNO und ihre Rolle als um ehrgeizige Klimapolitik. Und die Zustimmung zum Prozess darf nicht dazu führen, dass die Ergebnisse falsch bewertet werden. Es ist zu früh für Optimismus. Wunsch und Wirklichkeit liegen weiter auseinander als Bali und Brüssel.
Und die EU ist wenige Tage nach dem Ende der Bali-Verhandlungen tief gefallen. Die Kommission hat endlich den Richtlinienentwurf für CO2-Grenzwerte für PKW vorgestellt. Nachdem das erste Ziel, die Werte aus der freiwilligen Vereinbarung mit der Autoindustrie schlicht verbindlich zu machen, schon vor langer Zeit und auf Druck der Autoindustrie und der deutschen Regierung aufgegeben worden war, waren weitere Abschwächungen zu erwarten. Aber dass so konsequent gegen Klimaschutzziele entschieden wird, war dann doch überraschend. Die Grenzwerte nach Gewicht der Autos zu bemessen, wird verhindern, dass in der Industrie alles unternommen wird, die Autos leichter zu machen. Die Strafzahlungen liegen unter den Größenordnungen, die tatsächlich Innovationsdruck machen würden. Und die vorgeschlagene zeitlich gestaffelte Einführung müsste alle Beteiligten in Europa besänftigen, genau wie die Berücksichtigung nicht technischer Maßnahmen zur Erreichung der Grenzwerte.
"Vernichtungskrieg" war wohl in Deutschland die peinlichste Übertreibung...
Aber weit gefehlt! Sogar dieser Kompromisstext der Kommission, der gemessen am ersten Anlauf systematisch entschärft worden war, löst hysterische Reaktionen aus. "Vernichtungskrieg" war wohl in Deutschland die peinlichste Übertreibung, mit der Minister Glos in Konkurrenz zu Umweltminister Gabriel treten wollte. Der Superman von Bali, auf den wir dort doch alle ein bisschen stolz waren, weil er ab und zu die Sprache der Diplomaten verweigerte und sich so richtig reinhängte in die Debatte mit den USA, war der erste der von einem Krieg gegen die deutsche Autoindustrie sprach. Die harten Worte der letzten Tage lassen befürchten, dass es jetzt über den Rat zu einer weiteren Aufweichung der Kommissionsvorschläge kommt. Mich überrascht wieder einmal, wie schnell vergessen wird. Es kann doch eigentlich nicht sein, dass die europäischen Klimahelden von Bali ein paar Tage nach dem sie weltweit Lob für ihr Engagement eingeheimst haben, kaum kritisiert werden, wenn sie das Gegenteil von dem tun, was sie im Rahmen der UNO erklärt haben. Es fehlt ja nur noch die Gründung eines Vereins "Friends of Mercedes Benz" für europäische Politiker. Ist das Vergesslichkeit? Oder ist es insgesamt doch noch nicht so weit her mit der Sensibilisierung für den Klimawandel? Wir werden harte Auseinandersetzungen um die Kommissionsvorschläge erleben. Die Position des Parlamentes angesichts des Drucks von einigen nationalen Regierungen kann auch nicht als gefestigt angesehen werden.
Ist nach Bali nur Ernüchterung angesagt? Auf jeden Fall dürfen wir nicht davon ausgehen, dass Klimapolitik schon so was wie ein Selbstläufer ist. Es ist nicht entschieden, dass die in Europa propagierten Ziele auch zu den notwendigen Maßnahmen führen. Die CO2-Reduzierung bei PKW ist ja nur ein Schritt im Bereich des Verkehrs. Wenn wir weiter so fixiert auf das Auto bleiben und nicht mehr für die öffentlichen Transportsysteme tun, können wir unsere Ziele nicht schaffen. Und genauso zögerlich wie im Verkehr gehen die EU-Staaten im Energiebereich vor. Die Vorschläge für Erneuerbare und Effizienz sind auf Januar vertagt, weil es keine Einigung mit den nationalen Regierungen gibt. Parallel wächst die Zustimmung zum alten Energiemix Kohle und Atom. Die Kohle soll allerdings in Zukunft sauber sein. Und der Atomstrom kommt aus der "Generation 4" der Reaktoren. Als wir in Bali waren, hat die Kommission eine positive Bewertung der geplanten Reaktoren in Belene in Bulgarien abgegeben. Das hatte sofort eine Erklärung von Rosatom, dem russischen Atomkonzern zur Folge: "Die Kommission hat mit der Stellungnahme zu Belene russische Reaktorsicherheitsstandards für die EU akzeptiert." Wir werden uns also im neuen Jahr in Brüssel sehr stark auf eine Auseinandersetzung um richtige und falsche Maßnahmen gegen Klimawandel konzentrieren müssen.
Damit niemand denkt, das Bali nur enttäuschend war: Ich habe dort eine großartige Initiative gegen das Atomkraftwerk Muriah kennengelernt. Eine der besten Campaignerinnen, die ich je getroffen habe, eine junge Muslimin, verwirklicht erfolgreich jedes Jahr Energieautarkie für Dörfer im indonesischen Regenwald mit kleinen Wasserkraftwerken. Obwohl die Hürden dafür sehr hoch liegen: In Indonesien wird eine grüne Partei gegründet, die auf Umwelt- und Landlosen-Initiativen basiert und in vielen Regionen recht große Unterstützung findet. In einer Sitzung des E-Parliaments - einer Initiative vom World Future Council - haben wir ein enges Parlamentarier-Netzwerk initiiert um in den nächsten Jahren die Nutzung der Sonnenenergie in Solarthermischen Kraftwerken in Wüstenregionen zu forcieren. Ich werde zusammen mit den australischen Grünen versuchen, im asiatischen Raum die Bewegungen gegen geplante Atomkraftwerke zu stärken. Wir hoffen, einige der Abgeordneten aus Indonesien, von den Phillipinen und Indien schon bei der Hannovermesse Industrie wieder zu treffen, um dort angemessen über die technologischen Alternativen diskutieren zu können. Und natürlich werden wir das ganze nächste Jahr nutzen, um die nächste UNO-Konferenz vorzubereiten. Der Transfer von nachhaltiger Technologie, der von den Entwicklungsländern eingefordert wird, muss ein Schwerpunkt in Posen werden. Ein grüner Schritt auf dem Weg nach Posen wird unsere Sommeruniversität in Frankfurt/Oder und in Slubice sein. Dazu im neuen Jahr mehr.