Die guten Nachrichten zuerst: Wir sind im Europäischen Parlament am 6. Mai der Entflechtung der Energiewirtschaft ein gutes Stück näher gekommen. In einer Abstimmung im Industrieausschuss haben die Gegner der Kommissionsvorschläge – aus Deutschland eine ganz große Koalition aus CDU, SPD und FDP – verloren. Die Niederlage war nicht haushoch aber doch so deutlich, dass wir die Verhandlungen, die jetzt anstehen, gut führen können.
IAEA und EURATOM
In der Auseinandersetzung um eine europäische Energie- und Klimapolitik ist das aber die einzige gute aktuelle Entwicklung. Einen Tiefpunkt markiert der 7. Mai. In einem Treffen zwischen der IAEA (Internationale Atomenergieagentur) und der Kommission wurde eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EURATOM und der IAEA vereinbart, um die Verbreitung der Atomenergie in der Welt zu forcieren.
Ausdrücklich geht es darum, Ländern zu helfen, die bisher über keinerlei Infrastruktur für den Aufbau eines Atomprogramms verfügen. Am Tag der Unterzeichnung der Vereinbarung meldete die Süddeutsche Zeitung, dass Frankreich zur nuklearen Aufrüstung von Ländern in Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten eigens eine "Agence France Nucleaire Internationale" gründen wird. Und – eigentlich ein Wink mit dem Zaunpfahl – dass Indien zum zweiten Mal eine atomwaffenfähige Mittelstreckenrakete erfolgreich getestet hat.
Es ist beängstigend, dass weder die Erfahrung des atomaren Wettrüstens zwischen Pakistan und Indien, noch der Atomtest in Nordkorea und auch nicht die andauernde Krise mit dem Iran den Verfechtern der Atomkraft Zweifel kommen lassen. "Atoms for Peace" steht nach wie vor als Motto unter dem Logo der IAEA und über der gemeinsamen Erklärung mit der Kommission.
Meine Reisen nach Washington und Sao Paolo Ende April und Anfang Mai
haben meine Zweifel an der Richtung der internationalen Klimapolitik bestärkt. Einerseits gibt es in den USA durchaus so etwas wie eine Aufbruchstimmung in der Klimapolitik. Aktuelle Gesetzesentwürfe zeigen, dass es im Land mit den größten Pro-Kopf-Emissionen nach der Präsidentschaftswahl einen klimapolitischen Neuanfang geben wird. Aber die derzeit wichtigsten Instrumente zur Erreichung der keineswegs ehrgeizigen Ziele sind Atomkraft, CO2-Abscheidung und Lagerung (CCS) und Agrofuels.
Zur Förderung der Atomkraft werden allein in diesem Jahr 18 Milliarden Dollar in Form von staatlichen Bürgschaften verfügbar sein. Und in einem waren sich alle unsere Gesprächspartner einig: An der Kohle wird in den USA kein Weg vorbei führen, denn kein Demokrat könne Präsident werden, ohne die "Stimmen aus den Kohlestaaten". Die Welternährungskrise hat in den USA keinerlei Zweifel an der Agrospritstrategie und den hohen Subventionen für Sprit aus Mais und Weizen aufkommen lassen. Es gibt natürlich auch Programme für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Die werden aber als Zusatz verstanden und führen keineswegs zu einer neuen strategischen Ausrichtung der Energiepolitik.
Die brasilianische Klimapolitik
unterscheidet sich in den Schwerpunkten kaum von der nordamerikanischen Klimapolitik. Präsident Bush und Präsident Lula stehen Seit an Seit für Atomenergie und Agrofuels. Brasilia will nun endlich den vor Jahrzehnten eingestellten Bau weiterer Reaktoren in Angra fortsetzen. Und so wie es aussieht, werden sich in USA, Frankreich oder Deutschland bestimmt Partner finden. Ansonsten setzt man in Brasilien weiter ungebrochen auf Ethanol.
Dass es Nachhaltigkeitszertifikate für Futtermittel oder Ethanol aus Brasilien geben werde, mag glauben wer will. Mir wurde von vielen Seiten bestätigt, dass es in Amazonien weder Staat noch Recht gebe. Lula selbst will konsequenter gegen die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen am Amazonas vorgehen. Und selbst Repräsentanten der deutschen Wirtschaft beschreiben einen "Krieg um Land" in Amazonien. Schon heute ist die flächenmäßige Ausdehnung von Soja- und Zuckerrohrmonokulturen gigantisch. Mir erscheint die Zertifizierung beim Stand der Dinge in Brasilien als eine naive Idee, die mehr der Gewissensberuhigung in den Importländern dient als Amazonien oder den Bauern und Landarbeitern in Brasilien.
Ein grüner Ortsverband in Washington?
Einen sehr spannenden Abend verdanke ich dem neu gegründeten Ortsverband der Grünen in Washington. Ein kleiner grüner Think Tank könnte das sein. Seine Mitglieder arbeiten in den Internationalen Institutionen, bei Stiftungen oder auch bei der demokratischen Partei. Und eine Aufgabe habe ich aus unserem Diskussionsabend mitgenommen: Wir Grünen müssen härter auf die falschen Wege in der Klimapolitik reagieren. In den USA gilt es wegen der Erderwärmung als politisch unkorrekt, gegen Atomkraft zu protestieren. Man dürfe nicht unglaubwürdig werden. Für mich gilt das Umgekehrte: Wer das atomare Risiko nicht scheut, der nimmt auch die Erderwärmung nicht ernst. Es sind im Übrigen immer die gleichen Akteure, die kein atomares Abenteuer scheuen aber deren größte Angst ist, dass "die Deutschen ein Volk von Kleinwagenfahrern werden".
An Pfingsten war es bei mir im Wendland herrlich. Wer die kulturelle Landpartie versäumt hat, dem empfehle ich einen Besuch im September. Kunst und Kultur zwei Monate vor dem nächsten Castor-Transport! Der ist bereits genehmigt für November und sollte von vielen zum Anlass genommen werden, endlich einmal wieder gegen die Atomenergie zu protestieren. Wer will schon erleben, dass die Pläne für Moorburg aufgegeben werden und dafür Brunsbüttel und Krümmel nicht vom Netz gehen? Ich nicht.
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