Rund 300 Interessierte folgten am Freitag Mittag Robert Habecks Einladung zum "Mittagstisch" im Gildehaus in Lüchow. Rund eine Stunde erklärte der Kanzlerkandidat der Grünen seine Vorstellungen von politischem Wirken.
"Zuversicht, Vertrauen in die Kraft, etwas verändern zu können" ... es klang wie eine Selbstbeschwörung angesichts der unzähligen Schmähungen, die Robert Habeck seit Amtsantritt über sich ergehen lassen muss.
Auch in Lüchow wurde Habeck am Freitag Mittag zunächst von mehreren (kleineren) Protestgruppen empfangen. Sie protestierten gegen CO2-Abscheidung, Streichung der Agrardiesel-Subventionen und auch die Kritik an Waffenlieferungen. Und über den Vorplatz schallte von einem Kinderchor gesungen "eine kleine Friedenstaube". In der DDR ein beliebtes Friedenslied.
Rechte Demonstranten waren nicht zu orten. Lediglich eine kleine Gruppe dunkel gekleideter - fast ausschließlich - Männer hatte sich mit mehreren Treckern an der Zufahrt zum Gildehaus postiert. Mit welchem Ziel oder welchen Themen sie da waren, war nicht zu erfahren. Ihr aggressives Verhalten ließ ahnen, dass sie nicht zum "Team Habeck" gehörten.
Im großen Saal des Gildehauses präsentierte sich der Kanzlerkandidat der Grünen vor rund 300 Interessierten als unerschütterlicher Optimist, der an die Wirkung gemeinsamen Handelns glaubt. "Demokratie kann man nicht von oben verordnen, der Impuls muss von unten kommen ", so Habeck. Bei seinem Besuch im Gorlebenarchiv am Vormittag sei ihm noch einmal bewusst geworden, dass "Bündnisse dann starke Signale für die Demokratie geben, wenn sie sehr vielfältig sind und verschiedenste Interessen vereinen". Menschen könnten sich auch einigen und gemeinsam Ziele verfolgen. Das sei ein Anspruch, der im Wendland Zuhause sei - und zum Erfolg geführt habe.
Kein Politiker aus dem links-ökologischen Spektrum wagt es, ins Wendland zu kommen und das Thema Atommüll/Atompolitik auszublenden. Auch Robert Habeck folgte den Erwartungen. Applaus bekam er für seine Aussage, dass es unmöglich sei, für ein Millionen Jahre Sicherheit zu garantieren. "Das kann man nicht verantwortlich planen".
Und: Wenn es um einen Endlagerstandort gehe, könne nur Lösungen geschaffen werden, wenn fair und solidarisch miteinander umgegangen wird - eine Anspielung auf Markus Söder, der immer wieder und immer noch ein Atommüll-Endlager in Bayern vehement ablehnt. Auf das Problem der nicht geklärten Aufbewahrungssicherheit von Castorbehältern bei massiv verlängerten Zwischenlagerzeiten ging Habeck nicht ein.
In Sachen Klimaschutz bekräftigte Habeck, dass die Grünen "Kurs halten" würden. "Wir werden nicht aufhören, für den Erhalt der Lebensgrundlagen zu kämpfen", sagte er. "Dabei schützen wir nicht das Klima, sondern die Menschen". Es ginge auch darum, Zerstörung menschlicher Schutzräume zu verhindern. Die Vorhaben sollen aber sozialverträglich abgepuffert werden - zum Beispiel durch Abschaffung der Stromsteuer.
Der jetzige Wirtschaftsminister versuchte gar nicht erst, den Zustand der Wirtschaft schönzureden. Rezepte, wie das zu ändern sei, brachte er nicht mit. Aber er sei bereit, weiterhin die Verantwortung für die Entwicklung der Wirtschaft zu tragen. Habeck weiß auch, dass eine schwächelnde Wirtschaft die Gesellschaft anfälliger für populistische Ansagen macht.
"Bei einer Stärkung der Wirtschaft, geht es nicht nur um Gewinne, sondern auch um die Verteilung wirtschaftlichen Wachstums in der Gesellschaft", so Habeck. "Es sind so viele notwendige Investitionen liegengeblieben - zum Beispiel in der Infrastruktur". Die restriktive Schuldenpolitik der letzten Jahre habe wachstumsfördernde Investitionen verhindert.
Jetzt müssten in Turbogeschwindigkeit liegengelassene Projekte wie der Stromnetzausbau fortgeführt werden. Aber es gehe auch um Effizienz und klimafreundliche Projekte. "Da müssen die Weichen richtig gestellt werden". Um die hohen Kosten zu stemmen, sei die Finanzierung auf einen längeren Zeitraum angelegt. So könnten höhere finanzielle Beteiligungen der Bürger vermieden werden.
Für die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum sieht Habeck Perspektiven im automatischen Fahren. Er geht davon aus, dass ein Busverkehr ohne Fahrer in ein bis zwei Jahren auch in der Fläche möglich sein werden. In Hamburg startet dieses Jahr ein Testbetrieb für autonom fahrende On-Demand Shuttles. Ab 2026 könnten dort testweise auch Menschen transportiert werden.
Zum Ende seiner Thementour rief Habeck noch einmal dazu auf, sich zu beteiligen. Denn: "Demokratie ist kein Zuschauersport . Alleine können wir (Politiker) das nicht schaffen".
Sein Auftritt wurde vom Publikum mit Applaus belohnt - auch wenn die Fragerunde aus Zeitgründen sehr kurz ausfiel. So kam auch der Zuhörer mit seiner Frage, wie Habeck die ständigen persönlichen Anfeindungen aushalte, nicht zum Zuge. Es wäre interessant gewesen, den Menschen im Politiker etwas näher kennenzulernen.
Foto | Angelika Blank: Vor rund 300 Interessierten erläuterte Robert Habeck seine Positionen zu verschiedenen Themen