Lesung: Ein Kuss von Napoleon. Oder wie lebten unsere Ur- und Ururgroßeltern im 19. Jahrhundert?

Von: 2018-10-19 19:00 bis: 2018-10-19 21:00 im Archiv der unveröffentlichten Texte / Gasthaus Schulz / Heider Chaussee 12 / Groß Heide
29451 Dannenberg (Elbe), Deutschland
Wie lebten unsere Vorfahren damals wohl? Woran orientierten sie sich nach Napoleon, nach der gescheiterten deutschen Revolution und der beginnenden Mädchenbildung?

Das 19. Jahrhundert reichte von Napoleons Eroberungen und Niederlagen bis zur Krönung des Deutschen Kaisers. Ein Jahrhundert des Militärs, aber auch der sich entwickelnden Industrie. Eisenbahnen lösten die Pferdegespanne ab und das elektrische Licht kam bis in die Wohnungen. Und last but not least wurde es zum Jahrhundert der beginnenden Frauenbildung.

Jessica Wohlfeil (Lüchow) besitzt einen Text, der ein ganzes Jahrhundert als Tagebuch enthält, alles in Sütterlin. Einmal transkribiert kam die Geschichte des Ururgroßvaters heraus, dem es die bunten Militärparaden angetan hatten. Er ging zur Armee, sein Vater begleitete ihn zur Musterung. Drill, Paraden und Kasernenleben auf der Stube machten sein Leben aus. Er schien sich in dem festen Raster wohlzufühlen. Belobigt wurde er jedenfalls immer wieder. Große Namen tauchen auf: Kaiser Wilhelm I, Generalmarschall von Moltke und Bismarck zum Beispiel. Als die sterben, wird ihrer mit militärischem Zeremoniell und in großer Ehrfurcht gedacht.

Militär, diesmal von der zivilen Seite her. 1807 wurde das preußische Heer von den Franzosen geschlagen. Geschlossen wurde der Tilsiter Frieden. In einem Gespräch mit Napoleon versuchte Königin Luise damals Preußen zu retten. Wie begegneten andere dem Feldherren.

Dorothea Friderica Schnell, eine Vorfahrin von Sibylle Plogstedt (Groß Heide), war eine reiche Frau. Und dazu eine lebenslustige. Sie hat ihren Großtöchtern immer gern aus ihrer Jugend erzählt. Auch von Napoleon.

Dass Napoleon sie geküsst hat, war ihr ganzer Stolz. Sie fand die Großstädterinnen ihrer Verwandtschaft viel zu solide. Ihre Sprache war direkt. Als ihr ein Neffe seine Braut vorstellte, lautete ihre Antwort: „Rikchen, ein nettes Mädchen magst du sein, aber schön bist Du nicht.“

Die Direktheit muss es in der Familie schon länger gegeben haben. Ein Vorfahr der Schnells, ein Ratsherr, wurde im 16. Jahrhundert im Schlosshof von Königsberg wegen Aufsässigkeit enthauptet. Eine Vergünstigung erhielt er dennoch. Die Enthauptung erfolgte mit dem persönlichen Schwert von Herzog Albrecht.

Spätere Schnells wurden zahmer. Von 1793 bis 1864 galten für die Familie Gustav Schnells Lebensregeln. Da geht es nicht zuletzt um Religiosität und Ehrlichkeit im Geschäft. Sie waren im 20. Jahrhundert noch so präsent, dass eine Nachfahrin sie 1950 aus dem Gedächtnis noch immer handschriftlich festhalten konnte.

Die meisten der ostpreußischen Vorfahren von Sibylle Plogstedt waren Industrielle, Händler, Ärzte, Richter und Architekten. Sie heirateten meist untereinander. Geld heiratet Geld, hieß es. Von Richard Ruffmann ist auch überliefert, wie sich der Alltag damals veränderte.

Regeln gab es auch für die Erziehung. Johann Albers hat 1829 die seiner Familie über Kindererziehung niedergeschrieben. Margarete Albers (Hitzacker) hat im Stammbaum ihrer Familie nachgezählt, dass es drei Ur-urs her war, dass so gelebt und gestraft wurde. Dem Landwirt, der zwischen Hamburg und Bremen seine Äcker bewirtschaftete, ging es auch um das Belohnen der Kinder.

Unser nächster Text stammt von Ernst Nagel, seines Zeichens Superintendent in Deutsch Lissa in Schlesien. Nagel war der Urgroßvater von Gottfried Mahlke aus Luckau, bis vor kurzem noch Pfarrer in Dannenberg. Nagel hat den Text 1925 geschrieben, unmittelbar nach dem Tod seiner Frau Johanna Nagel. Er zeichnet ihr gesamtes Leben nach. Heute geht es um die Ausbildung der Johanna Nagel, also um ein Stück Mädchenbildung also im 19. Jahrhundert in Deutschland. Und dabei natürlich immer auch um die Religion.

In den USA war die Mädchenbildung weiter als in Deutschland. Frauen hatten eigene Lehrberufe. Die Großmutter von Margarete Pauschert (Laase und Hamburg) und deren ältere Schwester, beide Kindergärtnerinnen in Hessen, schifften sich im Abstand von wenigen Monaten nach New York ein, um dort am German Hospital eine Krankenschwesternausbildung zu machen. Damals wurde dort deutsch gesprochen. Ärzte, Patienten konnten sich auf Deutsch verständigen. Die Emigration aus Deutschland war damals noch so stark, so dass Teile des Landes noch deutschsprachig waren.

Diese und ähnliche Geschichten werden erzählt, gelesen und diskutiert im Archiv der unveröffentlichten Texte. Und zwar am 19. Oktober um 19 h. Wie immer in Groß Heide, Heider Chaussee 12, in der Gastwirtschaft von Sabine und Elfriede Schulz.

Kommt und hört. Diskutiert mit uns die Geschichten aus der eigenen Familie. Es freuen sich auf Sie/Euch die Mitglieder des „Archivs der unveröffentlichten Texte“: Antje Busse, Monika Eckoldt, Nina El Karsheh, Dr. Sibylle Plogstedt, Dr. Cora Titz, alle aus Groß Heide.
Wer dem Archiv der unveröffentlichten Texte eigene Arbeiten überlassen will – oder uns an den Schätzen aus Familienbesitz, verfasst von früheren Generationen, teilhaben lassen will, wende sich an: Dr. Sibylle Plogstedt, Heider Chaussee 7, 29451 Dannenberg. Tel: 05861-9867575, Mail: splogstedt@t-online.de.