Ablehnung bei der Bevölkerung haben am Samstag rund 150 Rechtsradikale erfahren, die durch Salzwedel zogen, um auszudrücken: Der 8. Mai 1945, an dem Deutschland im zweiten Weltkrieg kapitulierte, sei kein Tag der Befreiung. „Wir feiern nicht“, hieß dann auch das Motto der zumeist schwarz gekleideten Neonazis.
Der angemeldeten Demonstration der Rechten stand eine Vielzahl – ebenfalls offiziell angemeldeter –Aktionen des demokratischen Spektrums entgegen. Zumeist waren es Info-Stände, an denen an die Epoche der NS-Diktatur in Deutschland erinnert und zugleich auf die Gefahren eines neuen Rechtsradikalismus hingewiesen wurde.
Auch aus Lüchow-Dannenberg waren zahlreiche Gegendemonstranten erschienen. Unter ihnen eine Trommelgruppe, die sonst bei Anti-Atom-Aktionen präsent ist, und auch die Lüchow-Dannenberger LINKE war zusammen mit Salzwedeler Genossen vor Ort und gemahnte an den 10. Mai 1933 (korrigiert; natürlich fand die Büchverbrennung am 10. Mai 1933 statt und nicht am 10. Mai 1945 - wir bitten um Entschuldigung für diesen Tippfehler) : den Tag, an dem Hitlers Schergen die Bücher linker, pazifistischer, jüdischer und weiterer demokratisch gesinnter SchriftstellerInnen verbrannten.
Weitere Aktionen, zum Beispiel seitens der Arbeiterwohlfahrt und der Kirche bekräftigten, wie wichtig ein tolerantes, friedliches Miteinander der Menschen ist.
Barrikaden und Sitzblockaden
Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften zugegen. Ihr vorrangiges Ziel war es, ein eventuell mit Gewalt einher gehendes Aufeinandertreffen von Linken und den – Parolen grölenden - Rechten zu verhindern. Mehrere Bürgerinnen und Bürger blockierten die Marschroute der Neonazis durch Barrieren oder Sitzblockaden.
Diese wurden zum Teil durch die Polizei aufgelöst, wobei einige Demonstranten recht unsanft weg getragen wurden. Während dieser Aktionen, so heißt es im Polizeibericht, seien Beamte durch teils „vermummte Personen der linken Szene massiv angegriffen“ worden seien. Stellenweise machten Musikanten den Sitzblockierern Mut, mit Trommeln etwa oder mit altvertrauten Arbeiter-Kampfliedern. Doch auch der „kleine Trompeter“, der diese zu Gehör brachte, wurde schließlich von der Polizei weggetragen.
Stadtrat-Sondersitzung: Gegen Volksverhetzung und Hass
Der Stadtrat von Salzwedel hatte anlässlich des Nazi-Aufzugs eine Sonder-Ratssitzung unter freiem Himmel anberaumt, um auch ganz offiziell das Nein zu antidemokratischen Kräften zu dokumentieren. Dieter Thomaschke, Alterspräsident des Stadtrates, betonte: Immer wieder müsse deutlich gemacht werden, dass die Rechtsradikalen üble Geschichtsverfälschung betreiben und Menschenverachtung zum Ausdruck bringen. „Volksverhetzung und Hass aber haben in unserer Hansestadt keinen Platz“. Es gelte, Neonazis in die Schranken zu verweisen.
„Wir wollen euch hier nicht haben!“
Oberbürgermeisterin Sabine Danicke (parteilos) betonte: Wir als Bürgerinnen und Bürger Salzwedels stehen zusammen und signalisieren den Neonazis: „Stopp – keinen Meter weiter! Wir wollen euch hier nicht haben.“ Die Rechtsradikalen, so Danicke, treten Weltoffenheit und Demokratie mit Füßen. Leider könne die Kommune aus rechtlichen Gründen den Aufmarsch der Rechten nicht verbieten.
„Aber wir können etwas gegen das rechte Gedankengut tun – wir demonstrieren mit friedlichen Mitteln gegen die Neonazis und blockieren mit Gegenkundgebungen die wichtigsten Aktionsplätze der Neonazis!“. Die Jugend müsse noch mehr als bisher über die Untaten des Faschismus aufgeklärt werden, damit sie sich nicht von den Neonazis missbrauchen lässt. Es sei schlimm, dass für den wegen der Rechten ausgelösten Polizeieinsatz Steuergelder ausgegeben werden müssten, bedauerte die Oberbürgermeisterin. Dieses Geld hätte besser für soziale Belange einsetzt werden können. Sabine Danicke hob hervor, die NPD als „organisierendes Zentrum des Rechtsextremismus“ sei eine Bedrohung der Demokratie. „Das Verbot dieser Partei bleibt für mich auf der Tagesordnung – ich hoffe auf entsprechende Mehrheiten in den Verfassungsorganen", so die Oberbürgermeisterin in ihrer Rede.
Innenminister: Klar gegen Rechtsextremismus aussprechen
Anlässlich des Nazi-Aufmarsches war auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) gekommen. Er betonte, es sei gut, „dass wir gemeinsam ein Zeichen setzen dafür, dass unser Land weltoffen und tolerant ist und sich ganz klar gegen Rechtsextremismus ausspricht“. Am 8. Mai 1945 kapitulierte die Deutsche Werhmacht, erinnerte der Minister. „Das war das Ende von zwölf Jahren Wahnsinn auf deutschem Boden und damit auch ein Tag der Befreiung von zwölf Jahren Diktatur“.
Es sei der Tag der Befreiung von einem Wahnsinn gewesen, durch den Millionen Andersgläubige und –denkende planvoll hingerichtet wurde,. Stahlknecht mahnte: „Diktaturen erscheinen schleichend.“ Sie versprächen am Anfang den Menschen „den Himmel auf Erden“. „Und wenn sie an der Macht sind, nehmen sie denen, die nicht ihrer Meinung sind, zunächst die Würde und dann das Leben.“
Die deutsche Diktatur habe unzähligen Menschen das Leben genommen und der Welt einen Krieg zugemutet, in dem Millionen Menschen ihr Leben ließen. „Das muss Mahnung für die Zukunft sein“, unterstrich der Innenminister. Er sei stolz darauf, dass an diesem Samstag in Salzwedel deutliche Zeichen gegen den Rechtsextremismus gesetzt würden.
Landrat: Dem dumpfen Nationalismus entgegen treten
Der Landrat des Altmarkkreises Salzwedel, Michael Ziche, zeigte sich erfreut darüber, dass sich am Tag des Naziaufmarsches so viele Salzwedeler und weitere Initiativen „farbenfroh und ideenreich“ gegen den Rechtsradikalismus stellen. „Wir dürfen nichts unterlassen, um dem dumpfen Nationalismus entgegenzutreten“, forderte Ziche.
Am Nachmittag war der rechte Spuk ziemlich rasch verschwunden. So verzeichnet der Polizeibericht: „Der Aufzug des rechten Spektrums erreichte gegen 16.15 Uhr den Hauptbahnhof und wurde dort beendet“.
Foto: Christoph Maria Lang