Der 92-jährige Oskar Gröning wurde am Dienstag vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen schuldig gesprochen und deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.
Oskar Gröning war angeklagt, im Konzentrationslager Auschwitz als Mitarbeiter des Nationalsozialistischen Regimes Beihilfe zum Mord an über 300 000 Häftlingen geleistet zu haben. Seit 1942 war Gröning in der Häftlingseigentumsverwaltung des Konzentrationslagers Auschwitz tätig und in dieser Funktion dafür zuständig, den Häftligen Geld und Wertgegenstände abzunehmen, sie zu registrieren und dann dem "SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt" in Berlin zukommen zu lassen. Bei dieser Tätigkeit wurde er auch Zeuge der Tötungen durch das NS-Regime.
Die Kammer des Landgerichts sah Beihilfe zur heimtückischen und grausamen Tötung in der Gesamtheit der Tätigkeit des Angeklagten im Rahmen der Ungarnaktion in Auschwitz. Im April 1944 waren rund 450 000 Juden aus Ungarn in Viehwaggons nach Auschwitz-Birkenau geschafft und zum größten Teil direkt nach der Ankunft vergast worden. Lediglich 10 % dieser Häftlinge wurde in das Lager aufgenommen. Täglich trafen über 10 000 Menschen in Auschwitz ein. Um diese möglichst schnell der "Sonderbehandlung", wie es im damaligen Jargon hieß, zuführen zu können, hatte der damalige Kommandant von Auschwitz die Laderampe der ankommenden Züge direkt bis in die Gaskammern verlängern lassen. Gröning hatte im Verlauf des Prozesses gestanden, im Rahmen seiner Tätigkeit Zeuge dieser massenhaften Tötungen gewesen zu sein. Erst am letzten Prozesstag hatte der Angeklagte eingestanden, dass „Auschwitz ein Ort war, an dem man nicht mitmachen durfte. Das haben wir hier gehört, das ist mir bewusst. Ich bereue aufrichtig, dass ich diese Erkenntnis nicht früher umgesetzt habe. Das tut mir aufrichtig leid.“ Für die überlebenden Opfer oder deren Angehörige eine Aussage, auf die sie lange gewartet haben.
Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer des Landgerichts insbesondere auch das Alter des Angeklagten berücksichtigt. Er müsse, so die Begründung des Gerichts zum Strafmaß, eine Chance haben, nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe noch einen Teil seines Lebens in Freiheit verbringen zu können.
Eine Milderung wegen einer von dem Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe hat die Kammer nicht angenommen, weil der Angeklagte durch seine früheren Angaben zu anderen SS-Angehörigen in Auschwitz nicht wesentlich zur Aufdeckung von Straftaten beigetragen hat.
Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, nach der ein Teil der Strafe - wie von der Staatsanwaltschaft beantragt - als vollstreckt zu erklären wäre, hat die Kammer für den Angeklagten nicht festgestellt.
Ob der 92-jährige Verurteilte jemals die Haft antreten muss, wird nun die Staatsanwaltschaft nach ärztlichen Gutachten entscheiden.
Mit diesem Urteil ging einer der letzten großen Auschwitz-Prozesse zu Ende.