Wie wichtig und wirkungsvoll Bücher sein können, beweisen die von den Römern erfundenen, von der Kirche übernommenen und von den Nazis wieder eingeführten Bücherverbrennungen. Denn nur, was man fürchtet, muß vernichtet werden. Am 10. Mai jährt sich zum 75. Mal, daß an deutschen Universitäten die Bücher mißliebiger Autoren verbrannt wurden. Und wie stets folgten den Büchern bald Menschen.
Der „Bücher-Bahnhof“ in Schnega erinnert in einer Lesereihe besonders an die weniger bekannten, die „vergessenen“ Autoren.
„Es war ein schöner, warmer Maiabend, als wir noch zur rechten Zeit im Strom der in Richtung Opernplatz fließenden Menschenmenge durch das Brandenburger Tor geschwemmt wurden. … Der Opernplatz war in weitem Kreis abgesperrt. Musikkapellen spielten, es wimmelte von Uniformen; fackeltragende Studenten, Hitlerjugend, Hitlermaiden marschierten die schönen alten Linden entlang, am Kaffee Kranzler vorüber, in dem einstmals geruhsam Fontane gesessen. Die Fackeln flogen auf den Scheiterhaufen, Lastwagen brachten Bücherhaufen und Zeitschriften, die von Hand zu Hand und in die Flammen geworfen wurden, während die Namen der Verbotenen durch Lautsprecher über die Menschenmenge dröhnten.“ (Elisabeth Castonier: „Der 10. Mai 1933“, 1971).
Es gibt zahlreiche Augen- und Ohrenzeugenberichte – teilweise von Autoren (wie Erich Kästner), die der Brandschatzung ihrer eigenen Werke beiwohnten. Vielen dieser Berichte ist gemein, daß sie ihr Gefühl zum Ausdruck brachten, diese „Kulturbarbarei“ sei „nur“ das Vorspiel für die historisch größte Barbarei, die planmäßige Vernichtung der Juden, Behinderten, „Zigeuner“, Schwulen, Lesben, Kommunisten.
Die Verbrennung der Bücher war für die AutorInnen in der Regel verbunden mit einem Schreib- bzw. Veröffentlichungsverbot, zumindest aber mit der Verbannung aus Bibliotheken – wenn sie nicht, wie Carl von Ossietzky und Erich Mühsam, im KZ ermordet wurden. Teilweise buhlten die NS-Führungskräfte anfangs um die Mitarbeit bekannter „bürgerlicher“ AutorInnen mit ausgezeichnetem Ruf (so die preußische Akademie der Künste um die weitere Mitarbeit von Ricarda Huch 1933).
Es gab Autoren, die sich „dem neuen Staat zur Verfügung hielten … (sich) seinen kulturellen Plänen nicht“ entzogen (so Gottfried Benn). Es gab natürlich auch AutorInnen, die unter der Nationalsozialistischen Herrschaft zur Hochform aufliefen oder diese gar herbeigeschrieben haben (wie Ewers, Kolbenheyer, Vesper).
Für etliche hundert AutorInnen war die einzige Alternative die Flucht aus Deutschland ins ungewisse Exil – wenn sie über das nötige Geld und die nötigen Beziehungen verfügten. Viele flohen ins benachbarte Ausland und waren dort nach der Besetzung durch die deutschen Truppen in die Illegalität oder aber in die weitere Flucht außerhalb Europas getrieben. Einige starben im Exil einen gewaltsamen Tod (wie Christa Winsloe, Kurt Tucholsky, Carl Einstein, Klaus Mann und Ernst Toller – die letzten vier durch Freitod).
Für viele SchriftstellerInnen wurde die Flucht zur Odyssee, bei der sie Geld, Beruf, Ansehen und Freundschaften verloren. Und die Bücherverbrennung hatte oftmals Erfolg: nur wenige SchriftstellerInnen konnten nach Verbrennung und Flucht an ihren Ruhm, den sie früher in der Heimat erworben hatten, anknüpfen. Spontan fallen uns wohl eher wenige und „große“ Namen ein wie Bertolt Brecht, Thomas Mann, Alfred Döblin, Joseph Roth, Lion Feuchtwanger, Erich Maria Remarque.
Wenn wir in unserer Erinnerung weiter graben kommen vielleicht noch Heinrich Mann, Irmgard Keun, Oskar Maria Graf, Else Lasker-Schüler dazu. Aber wer kennt heute noch Maria Leitner, Lisa Tetzner, Erich Mühsam, Alice Rühle-Gerstel?
Die Veranstaltungsreihe „Verbrannt, verboten – vergessen?“ von „Karlas Bücher-Bahnhof will neben den bekannteren Dichtern vor allem Werk und Vita von Vergessenen ausgraben, vor Augen führen, welches Kulturgut damals auf dem Scheiterhaufen landete und vielleicht sogar Lust machen auf Texte, die trotz der Patina, die sie angesetzt haben, spannend zu lesen sind.
Am Sonnabend, dem 10. Mai, um 16 Uhr liest der Schauspieler Wolfgang Kaven Lion Feuchtwangers „Offener Brief an sieben Berliner Schauspieler“, Georges Arthur Goldschmidts „Über die Flüsse“ und Alfred Polgars „Ossietzky geht ins Gefängnis“. Burkhard Luner liest Oskar Maria Grafs kurze Prosa und Lyrik sowie seinen Aufruf „Verbrennt mich!“.
Danach findet jeden ersten Sonntag des Monats um jeweils 16 Uhr eine Veranstaltung zur Bücherverbrennung statt. Geplant sind Lesung, szenische Lesung, Film und Musik und anderes mit Stefan Buchenau, Gero Wachholz, Kerstin Wittstamm, Carolin Serafin und Brita Kärner. Der Eintritt ist jeweils frei, Spenden für die Vortragenden werden indes nicht abgelehnt.
Für weitere Anregungen und Informationen: 058 42 - 98 18 23.