Ministerpräsident Christian Wulff hat sein Kabinett umgestellt. Ganze vier Ministerien wurden gestern neu besetzt. Vor allem der Austausch des bisherigen Landwirtschaftsministers Hans-Heinrich Ehlen durch die "Agrarindustrielle" Astrid Grotelüschen stößt auf heftigen Protest der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
Die 44-jährige Dipl.-Oecotrophologin Astrid Grotelüschen lebt seit über 20 Jahren in Ahlhorn im Oldenburger Land und hat dort zusammen mit ihrem Mann 2001 den Familienbetrieb ihrer Schwiegereltern übernommen - einen Putenzuchtbetrieb mit 50 Mitarbeitern. Gleichzeitig ist sie nach eigenen Angaben Prokuristin eines Putenschlacht- und Zerlegebetriebes in Mecklenburg-Vorpommern.
Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) / Landesverband Niedersachsen ist die Benennung Astrid Grotelüschens eine „deutliche Absage der Regierung Wulff an eine bäuerliche Landwirtschaft und als Signal für die verstärkte Durchsetzung von agrarindustriellen Konzern-Strukturen“.
Grotelüschen stehe als Prokuristin innerhalb des Ahlhorner Unternehmens Grotelüschen mit seiner Mastputen-Brüterei und Mastputen-Zerlegung direkt für die Qualzucht und –haltung in dieser Branche, so die AbL in einer Pressemitteilung. Schmerzhafte Fußballenentzündungen, Skelett- und Kreislaufkrankheiten der beengt auf ihrem eigenen Kot stehenden Tiere und die Zufütterung von Schmerzmitteln seien an der Tagesordnung. Zynischerweise habe die CDU-Politikerin im letzten Bundestagswahlkampf eine Pute mit Namen „Siegurt“ als Maskottchen gewählt – passender wäre der Name „Qualfried“ gewesen.
“Die Politik der Agrarindustrialisierung, z.B. der von der Landesregierung gepushte Geflügelschlachthof in Wietze“, so AbL-Sprecher Eckehard Niemann, „ wird nun offen durch eine Vertreterin der Geflügelkonzerne präsentiert und nicht wie bisher durch einen Agrarminister Ehlen, der seine Agrarindustrie-Politik noch durch sein bäuerliches Gehabe zu kaschieren suchte.“
Viele Bauern würden diese diese Nominierung durch Ministerpräsident Wulff zu Recht als gegen sie gerichteten Affront begreifen. Der Widerstand gegen diese Politik durch die Bürgerinitiativen und Landwirte im „Netzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ gehe deshalb unvermindert und schwungvoll weiter, kündigte die AbL an.
Bauernverband: Traurig, dass Ehlen gehen muss
Für den Vorsitzenden des Bauernverbandes Nordostniedersachsen e.V., Thorsten Riggert, kommt die Umbesetzung zwar sehr überraschend, aber ihm war schon länger bekannt, dass Minister Ehlen unter schweren gesundheitlichen Problemen zu leiden hat.
"Es ist traurig, dass Herr Ehlen aufgrund von gesundheitlichen Problemen gehen muss, er hat eine wirklich gute Arbeit gemacht", bedauerte Riggert denn auch den Austausch von Hans-Heinrich Ehlen. "Frau Grotelüschen ist ein politisch völlig unbeschriebenes Blatt. Das ist für uns nicht positiv, denn ihr fehlt die politische Erfahrung. (Astrid Grotelüschen sitzt erst seit 2009 im Bundestag). Dabei haben wir einige akute Themen, die kompetent bearbeitet werden müssen, wie zum Beispiel die europäische GAP-Reform, um die sich Minister Ehlen sehr intensiv gekümmert hat."
Ansonsten begrüßte Riggert, dass Ministerpräsident Wulff eine Frau mit landwirtschaftlichem Hintergrund ausgewählt hat. Die Befürchtung der AbL, dass nunmehr verstärkt die Interessen von agrarindustriellen Konzern durchgesetzt werden, teilt der Vorsitzende des Bauernverbandes dagegen nicht: "Wenn jemand mit einem bestimmten Stallgeruch auf diese Position kommt, so wird sehr genau hingeschaut, ob und wer mit welchen Summen womöglich bevorteilt wird. Viel mehr treibt uns um, dass Frau Grotelüschen politisch so unerfahren ist. Politische Arbeit in der Landwirtschaft ist eben doch etwas anderes als Landwirtschaft zu betreiben."
Foto: Pressefoto Astrid Grotelüschen
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