Eine Schwarzwälder Kirschtorte ohne Sauerkirschen ist keine Schwarzwälder Kirschtorte. Doch aus Niedersachsen kommen die schwarzen Früchtchen wohl bald nicht mehr - der Anbau ist hier in den vergangenen Jahr um 90 Prozent zurückgegangen.
Sauerkirschen - Kindheitserinnerungen werden da wach. Von kaltem Kompott mit gebröseltem Zwieback oder heißen Kirschen mit Vanilleeis. Unverzichtbar sind die Sauerkirschen auch in der Roten Grütze. Ihre milde Säure gibt dem Dessert erst seine unverwechselbare Würze.
Nur frisch vom Baum sorgt die Sauerkirsche, auch Schattenmorelle oder Weichsel genannt, eher für Zähneknirschen und Gänsehaut - da ist die kleine Schwarze denn doch zu sauer. Das wird ihr jetzt zum Verhängnis. Im Gegensatz zu ihrer knubbeligen Schwester, der Süßkirsche, bleibt sie auf den Wochenmärkten liegen - wenn sie denn überhaupt noch angeboten wird.
Zu mühselig ist den Kunden wohl die Umwandlung in eine wohlschmeckende Zutat zu Eis, Torte oder Dessert. Kerne müssen ausgepult, Früchte konserviert, Saft hergestellt werden. Schneller, einfacher und oft auch billiger ist da der Griff zur Konserve im Supermarktregal. In der Hitliste der beliebtesten zehn Obstsorten in Deutschland taucht die Sauerkirsche gar nicht erst auf.
Günstiger gehts in Osteuropa
Massenhafte Konserven setzen massenhafte Anlieferung von Früchten in gleich bleibender Qualität voraus. Und das geht in Osteuropa besser als in Niedersachsen: niedrigere Arbeitskosten und ein günstigeres Klima begünstigen den Anbau in Osteuropa und den Export in den Westen.
Vor zwanzig Jahren waren es noch 180 000 Bäume, die im Agrarland Niedersachsen jährlich 3600 Tonnen Sauerkirschen lieferten. Heute sind es nur noch 18 000 Bäume - bei einem Durchschnittsertrag von 20 kg pro Baum sind es also gerade noch 360 Tonnen Sauerkirschen, die auf dem Markt landen könnten. Zum Vergleich: in Niedersachsen gibt es beinahe mehr Apfelbäume als es ein Einwohner gibt. Im vergangenen Jahr waren es 17 Millionen (Bäume).
Angesichts von 200 000 Tonnen Sauerkirschen, die alljährlich aus Polen in deutschen Verarbeitungsfabriken landen, sind 360 Tonnen eine geradezu lächerlich geringe Menge. "Die Anbaufläche bei Sauerkirschen hat sich in den letzten 10 Jahren fast halbiert," so die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft. "Den Ausschlag gibt die für Saft- und Konservenware deutlich kostengünstigere Produktion in Ungarn und Osteuropa. "
Auf Schwarzwälder Kirschtorte oder Kirschkompott mit Eis werden wir auch in Zukunft nicht verzichten müssen. Die Früchte, die dafür notwendig sind, kommen allerdings aus Polen, Serbien, der Türkei oder Ungarn - oder aus dem eigenen Garten.
Foto / Lothar Spurzem: Sauerkirschen werden nicht nur in Niedersachsen immer seltener