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Ändert die Landes- und Kommunalverfassung! Verhindert den Wählerbetrug

Der Übertritt der Landtagsabgeordneten Elke Twesten erinnert daran, dass auch die Mehrheitsverhältnisse im Samtgemeinderat Gartow sich verschoben, als der ehemalige SPD-Abgeordnete Klaus Hofstetter zur CDU rübermachte. Beides eine Form von Wählerbetrug.

Da ist jemand seit langem in einer Partei aktiv, vertritt ihre Ziele, wirft seine Vertrauenswürdigkeit in die Waagschale der Wählergunst, wird gewählt - und wechselt dann in der Legislaturperiode mal eben aus persönlichen Gründen die Partei - unter Mitnahme des Mandats. Und bringt damit nicht nur die - bisherige - eigene Partei, sondern eine ganze Regierung ins Wanken. Das ist nicht nur unanständig sondern zeugt auch von tiefgreifender Verantwortungslosigkeit.

Sowohl ein Klaus Hofstetter in Gartow als auch eine Elke Twesten in Hannover wussten, dass ihre Entscheidung existenzielle Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament hatten. Trotzdem nahmen sie ihre Mandate mit und entzogen somit ihrer (ehemaligen) Partei die Möglichkeit, eine/n Nachrücker/in ins Parlament zu holen. Womit die Mehrheitsverhältnisse so geblieben wären wie sie waren.

Kurz vor dem endgültigen Begräbnis: der Wählerwille

Angesichts solcher vom puren Egoismus getragener Entscheidungen ist es kein Wunder, dass die Bürger immer mehr das Vertrauen in die Politik verlieren. Dass Politiker im Wahlkampf das ständige Blau am Himmel versprechen - und dies nach der Wahl dann unter dem Hinweis auf "Realitäten", denen sie sich leider beugen müssen, wieder zurücknehmen. Geschenkt. Dass Parteiprogramme nach der Wahl und unterschriebenen Koalitionsvereinbarungen zu großen Teilen in tiefen Schubladen verschwinden. Geschenkt.

Nicht umsonst gelten Politiker (neben Bankern und Journalisten) schon länger zu den am wenigsten glaubwürdigen Berufsgruppen. Populistenvereinigungen wie die AfD nutzen das massiv gesunkene Vertrauen in die Säulen der Demokratie schamlos aus. Lediglich Richter (die dritte Säule der Kontrolle) haben es noch nicht in die TOP 10 der unglaubwürdigsten Berufsgruppen geschafft. Aber auch sie können Verwerfungen in gesellschaftlichen Strukturen nicht heilen, wenn die entsprechenden Gesetzesgrundlagen nicht da sind. 

Wenn sich der Trend zum Parteiwechsel innerhalb von Legislaturperioden - unter Mitnahme des Mandats wohlgemerkt - zur Mode wird, so wird der Wählerwille endgültig zur Makulatur. Wenn ich nicht einmal bei den Abgeordneten, die ich im Rahmen eines bestimmten Parteiprogramms in das Parlament geschickt habe, darauf vertrauen kann, dass sie diesen Vertrauensvorschuss auch bis zum Ende der Legislaturperiode ernst nehmen, welchem Politiker ist dann überhaupt noch zu trauen?

Und vor allem: wenn eine einzelne Person aus persönlichen Gründen die gesamte Bundes-, Landes- oder Gemeindepolitik ins Wanken bringen kann, dann stimmt etwas nicht im System. Natürlich sind alle Abgeordneten nach § 38 Grundgesetz  nur ihrem Gewissen verpflichtet. Was bis heute bedeutet, dass sie auch die Freiheit haben, ihre Meinung zu ändern und einer anderen Partei beizutreten. Na klar, das ist eine der Grundfesten unserer Demokratie. Aber wenn Parteiwechsel dann bitte ohne Mandat. Das müssen sie sich bei der nächsten Wahl neu erarbeiten und ehrlich erklären, dass sie nun unter einer anderen Parteifahne segeln. Aber das Mandat, dass unter völlig anderen Voraussetzungen errungen wurde, einfach mitzunehmen - das ist moralisch verwerflich. In anderen Bereichen wird derartiges Verhalten als Betrug gewertet und strafrechtlich verfolgt.

Die Diskussion ist übrigens nicht neu. Bereits 1972 wehrte der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann die Bitte des CDU/CSU-Abgeordneten Erich Mende "alle Staatsbürger vor allgemeinen Diffamierungen zu schützen, die in unserem Land von den Freiheitsrechten Gebrauch machen, eine demokratische Partei zu wechseln" mit den Worten ab: "Der (Wähler)Auftrag hebt den Artikel 38 des Grundgesetzes nicht auf, verpflichtet aber meines Erachtens einen Abgeordneten, bei einem mit Mandatsübertragung verbundenen Parteiwechsel eben auch an den Auftraggeber (den Wähler) zu denken." (Quelle: Fraktionswechsel im Parteienstaat: Parlamentsreform und politische Kultur in der BRD, Martin Müller, erschienen 1974). Heinemann selber hatte nach eigenem Bekunden mehrfach die Partei gewechselt - aber nie unter Mitnahme eines Mandats.

Es wird Zeit für eine Parlamentsreform - und eine Ergänzung des Grundgesetzes. Verantwortungsbewusstsein und Moral kann man Abgeordneten leider nicht per Gesetz verordnen. Da ist jeder Bürger aufgerufen, bei Wahlen noch wachsamer zu sein und auch die moralische Integrität der KandidatInnen kritisch zu hinterfragen.




2017-08-04 ; von Angelika Blank (text),

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