Mit einem bundesweiten Aktionstag wehrten sich am Donnerstag bundesweit Biogasanlagen-Betreiber und Landwirte gegen die geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) durch Wirtschaftsminister Gabriel. Sie sehen ihre Zukunft gefährdet.
Unternehmen aus dem Biogas-Bereich, Landwirte, Bildungsfachleute und Kommunalpolitiker machten am Donnerstag gemeinsam Front gegen die geplante EEG-Reform von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Sie sehen nicht nur die Energiewende gefährdet, sondern befürchten drastische Verluste für die Unternehmen, für Landwirte und auch für die Kommunen, deren Gewerbesteuer-Einnahmen durch die geplanten Kürzungen nach ihrer massiv zurückgehen werden.
"Die Energiewende ist mit dieser EEG-Reform nicht zu machen." Felix Fröhlich, Geschäftsführer der Dreyer und Bosse GmbH in Gorleben, bringt mit dieser Aussage die Kritik an der geplanten Gesetzesreform auf eine knappe Formel. Seine Firma, die seit Jahren ihr Geschäft hauptsächlich mit der Produktion von Kraftwerken für Biogasanlagen macht, müsste nach der geplanten Reform drastische Verluste hinnehmen. "Bisher haben wir mit der Lieferung für Betriebe aus dem Erneuerbare-Energien-Bereich rund 24 Mio. Euro Umsatz im Jahr gemacht," so Fröhlich am Donnerstag morgen in Lüchow. "Wenn diese Reform so umgesetzt wird wie geplant, dann werden unsere Umsätze auf 4 Mio. zusammenschrumpfen."
Es werden nur noch die Großkonzerne verdienen
Ähnlich sehen es auch die Landwirte, die sich auf den Betrieb von Biogasanlagen spezialisiert haben. Sie schlagen ebenfalls Alarm, denn nach ihrer Ansicht bedeutet die EEG-Reform von Minister Gabriel, dass Neubauten und Erweiterungen von Biogasanlagen demnächst nicht mehr möglich sein werden. "Mit der Reform werden nicht mehr die regionalen Landwirte und Unternehmen verdienen, sondern nur noch die Großkonzerne", war die einhellige Meinung in Lüchow.
Horst Seide, Energie-Landwirt aus Damnatz und Präsident des Deutschen Biogas Fachverbandes, sieht die Zukunft für seine Branche ebenfalls düster. "In vielen Regionen werden Landwirte Insolvenz anmelden müssen, weil sie die notwendigen Investitionen nicht mehr tätigen können," befürchtet Seide. "Viele Politiker wissen gar nicht, was die Energiewende für die ländlichen Regionen bedeutet." Denn auch im ständig klammen Lüchow-Dannenberg haben die Gewerbesteuern der Unternehmen aus dem Erneuerbare-Energien-Bereich kräftig Gewerbesteuern in die Gemeindekassen gespült. Nicht nur deswegen saßen am Donnerstag Morgen in der Lüchower Akademie für Erneuerbare Energien auch zwei Bürgermeister mit am Tisch.
Aufgebaute Strukturen werden zerstört
Hubert Schwedland, Samtgemeindebürgermeister von Lüchow, sieht auch die Ausbildungslandschaft gefährdet: "Wir haben durch den Einsatz von Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren viele Ausbildungsplätze dazu gewonnen, das könnte durch die EEG-Reform alles gefährdet werden." Nicht zuletzt hat die Akademie für Erneuerbare Energien in Lüchow im letzten Jahr erstmalig zu wenig Anmeldungen für einen neuen Studiengang bekommen. "Überraschend", sagt Studien-Leiterin Carina Arndt. "Da zeigten sich schon die ersten Anzeichen des zurückgehenden Booms."
Schwedland kündigte an, dass er versuchen wird, die Kritik der Region an der EEG-Reform in die Verbändeanhörung einzubringen. "Doch ich bin skeptisch, ob wir da gehört werden," so Schwedland. "Schließlich ist das ein Bundesverfahren, bei dem nur die Bundesverbände angehört werden." Der Lüchower Bürgermeister ist skeptisch, ob die Bedenken des ländlichen Raums in die Verbandsstellungnahmen wirklich einfließen werden.
Dabei haben die Untersuchungen der vergangenen Jahre gezeigt, dass allein der Bereich Biogas im ländlichen Raum in Niedersachsen Investitionen von über 3 Milliarden Euro ausgelöst hat. "2,18 Milliarden davon sind in Niedersachsen geblieben," so Dorothea Angel von der Wirtschaftsfördergesellschaft in Lüchow. "Die Zahlen verdeutlichen, was allein die Biogasbranche für den ländlichen Raum bedeutet."
"Für uns ist die Konsequenz, dass wir das Auslandsgeschäft intensivieren müssen," kündigte Felix Fröhlich an. "Wenn uns dieses Ausweichen auf das Ausland nicht gelingt, werden wir aufgrund der Reform voraussichtlich 20 - 25 % Arbeitsplätze streichen müssen."
Arbeitsplätze, die durch die Initiative von Kleinunternehmern und/oder Bürgerprojekten durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien entstanden, sind auch ein Hauptargument von Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament. Auch sie kritisierte in einem Grußwort anlässlich des Aktionstages die EEG-Reform von Gabriel. "Die Energiewende ist nicht nur gut für das Klima und die Umwelt, sondern schafft auch zukunftsfähige Arbeitsplätze," so Harms. "Minister Gabriel muss sich in der Reform des EEGs um mehr Kostengerechtigkeit bemühen anstatt willkürliche Mengenobergrenzen einzuziehen. Vor allem für den ländlichen Raum bieten Erneuerbare Energien große Chancen. Durch eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung können wir in den ländlichen Regionen Arbeit schaffen."
Lüchow-Dannenberg habe vorgemacht, wie sich eine ganze Region zu 100 % aus regenerativen Energien selbst versorgen kann – und wie sich damit kleine Unternehmen und Landwirte neue Perspektiven schaffen können, so Harms weiter. "Allein in Lüchow-Dannenberg sind durch konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien mehr als 200 Arbeitsplätze entstanden. Das ist für unsere Region sehr bedeutsam." Die Grünen-Europaparlamentarierin verweist dabei allerdings auch darauf, dass gerade
bei der Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung "es notwendig sei,
sicherzustellen, dass dies nicht im Widerspruch zu Zielen der
nachhaltigen Landwirtschaft, Biodiversität und
Nahrungsmittelerzeugung steht". Doch dürften die Erfolge für die
ländliche Entwicklung nicht durch schlichte Mengenbeschränkungen in
Gefahr gebracht werden, so Harms.
Allgemein herrschte am Donnerstag Vormittag in Lüchow die Ansicht, dass durch die EEG-Reform auch die Spitzenposition Deutschlands in der Entwicklung der Erneuerbare-Energien-Nutzung gefährdet wird - wenn sie nicht sowieso schon verloren ist, wie einige Anwesende meinten. "Produktion und Entwicklung werden ins Ausland abwandern," prognostizierte Horst Seide. Für Dorothea Angel ist die Reform gar "absurd". "Die Wertschöpfungen sind nachweisbar, Bioenergieregionen wurden seit Jahren gefördert und haben viel aufgebaut. Es gibt inzwischen einige hundert Bioenergiedörfer, die sich dezentral mit eigenen Energien versorgen - und jetzt soll es nur noch um die Sicherstellung der Stromversorgung gehen?"
Unverständlich bleibt für Viele auch, dass die Erfolge der dezentralen Selbstversorgung (Lüchow-Dannenberg versorgt sich im Strombereich seit Jahren zu 100 % aus eigenen Energien) bei der Gestaltung der deutschen Energiewende unberücksichtigt bleiben.
Foto / Angelika Blank: Landwirte, Unternehmer, Wirtschaftsförderung und Kommunalpolitiker wehrten sich am Donnerstag gemeinsam gegen die geplante EEG-Reform, durch die nach ihrer Ansicht lediglich Großkonzerne bessergestellt werden.