Manche mögen es bedauerlich finden, die meisten werden es wohl nüchtern betrachten: der wendländische Widerstand spielt im Verfassungsschutzbericht für 2014 keine Rolle mehr. Kein Wunder, fand doch im vergangenen Jahr kein Castortransport statt, der alle Jahre wieder für heftige Auseinandersetzungen zwischen Staatsgewalt und DemonstrantInnen sorgte.
So nehmen in dem aktuellen Bericht extremistische Straftaten aus dem rechten Bereich und der Salafistenszene dieses Mal wesentlich mehr Raum ein als linksextreme Gruppen. Das Wort "Gorleben" taucht im Verfassungsschutzbericht nur noch indirekt im Zusammenhang mit der "Interventionistischen LINKE" auf, die sich an Schotteraktionen anlässlich der letzten Castortransporte 2012/2013 beteiligt hatte.
Rechtsextremismus
In der Zusammenfassung stellten die Herausgeber des Berichts fest, dass als rechtsextremestisch eingestufte Personen im Lande minimal gesunken sind (von 1455 auf 1435).
Die Zahl der Neonazis in Niedersachsen ist dem Bericht zufolge leicht von 345 auf 320 zurückgegangen, auch die Zahl der NPD-Mitglieder ist leicht gesunken (von 450 auf 410). Zahlenmäßig als Gruppe am größten, aber kaum organisiert, sind 2014 die subkulturell geprägten Rechtsextremisten gewesen, die insbesondere bei der Verbreitung rechtsextremistischer Musik im Internet eine Rolle spielen. Hier gab es sogar einen leichten Anstieg (von 600 auf 630). Zentrale Themenfelder im Rechtsextremismus sind die Islamfeindlichkeit und der Schwerpunkt Asyl und Flüchtlinge.
Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius dazu: „Der Verfassungsschutzbericht für 2014 belegt erneut, dass der Rechtsextremismus die Islamfeindlichkeit als Einfallstor in der Mitte der Gesellschaft sucht. Darauf haben wir schon lange hingewiesen, auch Ende vergangenen Jahres im Zusammenhang mit den unsäglichen Hogesa-Demonstrationen und den Aktionen der Pegida-Bewegungen, die erfreulicherweise kaum noch wahrzunehmen sind. Dass die NPD in Niedersachsen weiter Mitglieder verliert, hängt neben innerparteilichen Konflikten auch mit dem Parteiverbotsverfahren des Bundesrats zusammen, das wir Ende 2013 angestoßen haben."
Linksextremismus
Nach dem Verfassungsschutzbericht ist die Zahl der linksextremistischen Personen in Niedersachsen deutlich zurückgegangen - von 880 auf 685. In der Zusammenfassung sieht das Innenministerium den Grund für diesen Rückgang allerdings darin, dass rund rund 24 % der insgesamt gespeicherten
Personendatensätze im Bereich Linksextremismus) nicht mehr in den
Verfassungsschutzbericht einfließen durften.
Hintergrund: Im Herbst 2013 hatte die Landesregierung eine sogenannte "Task Force" eingerichtet, die den personenbezogenen Datenbestand des Verfassungsschutzes überprüfen sollte. Diese Arbeitsgruppe kam im Mai 2014 zu dem Ergebnis, dass r und 21 Prozent der personenbezogenen Speicherungen beim
Niedersächsischen Verfassungsschutz fehlerhaft sind und umgehend
gelöscht werden müssen. Weitere knapp 18 Prozent sind zeitnah aus der Amtsdatei
zu entfernen.
Für die Herausgeber des aktuellen Verfassungsschutzberichtes bedeutet dieser Rückgang allerdings nicht, "dass die Gefahr durch
gewaltbereite Linksextremisten im Vergleich zum Vorjahr in gleichem Maße
erheblich gesunken wäre". "Durch die Bereinigung der Datensätze sind nur
diejenigen Personen nicht mehr Teil der Statistik, die vorher zu Unrecht
dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum zugeordnet worden
waren," heißt es in der Zusammenfassung des Verfassungsschutzberichtes.
Schaut man jedoch in den Bericht selber, dann stellt man fest, dass dort attestiert wird, dass der Anteil der linksextremistischen Straftaten 2013 bei 705 Fällen lag, im Jahre 2014 wurden dagegen lediglich 353 Fälle als extremistisch eingestuft - also ein tatsächlicher Rückgang von ziemlich genau 50 Prozent. "Der Rückgang der Fallzahlen ist überwiegend auf einen Rücklauf bei den Konfrontationsdelikten Links gegen rechts und hier insbesondere auf die Beruhigung eines regionalen Konflikts im Bereich Bückeburg zurückzuführen. Darüber hinaus verringerte sich das Straftatenaufkommen bei den Protesten gegen den sogenannten Trauermarsch in Bad Nenndorf sowie anlässlich von Wahlen," wird hier der Rückgang begründet. Von statistischen Rückrechnungen ist in diesem Abschnitt keine Rede mehr.
Noch sind es zwar nur rund 400 Personen in Niedersachsen, die vom Verfassungsschutz als Salafistsen eingestuft werden, aber ihre Anzahl sei gegenüber 2013 um rund 18 % angestiegen.
Die Verfassungsschutzbehörde stuft allerdings die meisten von ihnen als "politisch-missionarisch ausgerichtet" ein - aber die Übergänge vom politischen zum jihadistischen Salafismus seien fließend.
Nichts desto Trotz gibt es auch in Niedersachsen für die Verfassungsschützer Grund, jihadistische Salafisten im Auge zu behalten. Aus Niedersachsen sind nach Erkenntnissen seit dem Ausbruch des Konfliktes in Syrien ca. 50 Personen mit dem Ziel in Richtung Syrien ausgereist, um sich "an den Kampfhandlungen bzw. dem Widerstand gegen das Assad-Regime" zu beteiligen.
Insgesamt sehen die Verfassungsschützer bei rund 3500 Personen in Niedersachsen Potenzial für islamistisch-extremistische Straftaten.
Minister Pistorius verteidigte in diesem Zusammenhang noch einmal die Absage des Karnevalsumzuges in Braunschweig: „Auch in Niedersachsen haben wir erlebt, wie sich die aktuell hohe abstrakte Gefahrenlage beim Braunschweiger Karneval plötzlich zu einer konkreten Gefährdungslage entwickelt hat. Deswegen war es richtig, dass die beteiligten Behörden nach den ernstzunehmenden Hinweisen auf einen möglichen Anschlag den Schoduvel zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger abgesagt haben."
Der gesamte Verfassungssschutzbericht steht hier! zum Download bereit.